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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Kom­mu­nen zu­sam­men­zu­tun, mö­gen Men­schen, die an­ders sind. Sie ha­ben im­mer für einen die Tür of­fen und ei­ne Kan­ne Kaf­fee, die sie mit ei­nem tei­len kön­nen.
    „Woh­nen Jean Fitz­pa­trick und Mort Fitz­pa­trick noch in der Ge­gend?“ frag­te ich den Bar­mann.
    „Ich seh’ sie hin und wie­der, aber sie sind in letz­ter Zeit nicht mehr hier­ge­we­sen.“ Der Bar­mann wisch­te die The­ke ab und po­lier­te sie, da­bei ent­fern­te er sich von mir und ging wie­der auf Ah­med zu. „So­weit ich weiß, sind sie in ir­gend­ei­ne Kom­mu­ne ge­zo­gen.“
    Ah­med nipp­te an sei­nem Bier. Er sah uns von der Sei­te an, wie ein Frem­der.
    Ich ging in den grau­en Tag hin­aus und hielt die Pa­pier­tü­te un­ter dem Arm. Die Fla­sche Bock­bier zerr­te an mir wie ein Stein. Ich hät­te die­sen ver­rück­ten, krank ma­chen­den Job als Auf­spü­rer ein­fach ver­ges­sen kön­nen. Ich hät­te ein­fach nach ein paar Leu­ten wie Jean Fitz­pa­trick Aus­schau hal­ten und ih­nen er­zäh­len kön­nen, wie be­scheu­ert die­ser Tag ge­we­sen war, daß ich es nicht hat­te aus­hal­ten kön­nen und Mücke ge­macht hat­te. Ir­gend­wann wä­re die Ge­schich­te schon lus­tig ge­wor­den und hät­te die Welt zu ei­nem Ort ge­macht, an dem ich's hät­te aus­hal­ten kön­nen.
    Ah­med hol­te mich ein und leg­te ei­ne Hand auf mei­nen Arm. Ich muß­te mich zu­rück­hal­ten, um nicht rum­zu­wir­beln und ihm ei­ne rein­zu­hau­en. Ich sah ein­fach ge­ra­de­aus.
    „Bist du sau­er?“ frag­te er und ging um mich her­um, um mein Ge­sicht zu se­hen. „Wie fühlst du dich?“
    „Mei­ne Ge­füh­le ge­hen nur mich was an“, sag­te ich. „Klar? Hier lebt ir­gend­wo ein Mäd­chen, das ich be­su­chen möch­te. Ich möch­te si­cher­ge­hen, daß mit ihr al­les in Ord­nung ist, klar? Ich will dich bei dei­ner Ret­tungs­ar­beit nicht auf­hal­ten. Al­so war­te nicht auf mich, ver­stan­den?“ Ich ging wei­ter, aber die Pest folg­te mir auf dem Fu­ße. Und da­bei hat­te ich doch laut und deut­lich ge­sagt, daß ich kei­ne Ge­sell­schaft ha­ben woll­te. Ich konn­te ihm ja schlecht aufs Maul hau­en, schließ­lich sind wir ja mal Freun­de ge­we­sen.
    „Kann ich mit­kom­men?“ frag­te er freund­lich. „Viel­leicht kann ich hel­fen.“
    Ich zuck­te die Ach­seln und mar­schier­te auf den Fluß zu. Wel­chen Un­ter­schied mach­te das schon? Ich war mü­de, und es war ziem­lich viel los in New York. Ir­gend­wann muß­te Ah­med ja wie­der sei­nen Ge­schäf­ten nach­ge­hen. Als ich mir vor­stell­te, wie ich mit dem Mäd­chen re­den wür­de, wur­de mir ganz warm. Es war ent­span­nend. Wir wür­den einen Kaf­fee trin­ken, uns ge­gen­sei­tig ein paar doofe Wit­ze er­zäh­len und die gan­ze Welt ver­ges­sen.
    Das Haus der Fitz­pa­tricks ge­hör­te zu die­sen ver­wit­ter­ten al­ten Käs­ten, die das letz­te Jahr­hun­dert üb­rig­ge­las­sen hat. Da­mals war die Stadt noch ein Kaff. Man hat­te das Haus in lie­be­vol­ler Hand­ar­beit re­stau­riert, und ein Trupp von frei­wil­li­gen An­strei­chern hat­te ihm neu­en Glanz ver­lie­hen. Es leuch­te­te weiß und hat­te ro­te Tü­ren und Fens­ter­lä­den. Un­ter den Fens­tern hin­gen Blu­men­käs­ten, in de­nen grü­ne Ran­ken, Pflan­zen und wil­de Blu­men blüh­ten. Über dem gan­zen Haus ver­lie­fen die Hoch­stra­ßen des Hud­son Ri­ver Drive. Der Ver­kehr, der dort drü­ber roll­te, brach­te die Luft zum Rum­peln und den Bo­den un­ter mei­nen Fü­ßen zum Er­zit­tern.
    Ich klopf­te an die hell­ro­te Tür. Nie­mand kam. Ich fand einen Klin­gel­knopf da­ne­ben und drück­te ihn. Ich hör­te es zwar bim­meln, aber drin­nen rühr­te sich nichts.
    Die Häu­ser in den ge­misch­ten Zo­nen sind meist vol­ler Gäs­te. Tag und Nacht ist je­mand da: Rei­sen­de, die tol­le Pro­jek­te pla­nen oder sich Sa­chen aus­ge­dacht ha­ben, die man an­ders­wo nicht ge­brau­chen kann. Sie al­le kön­nen sich der To­le­ranz ih­rer an al­lem in­ter­es­sier­ten Gast­ge­ber er­freu­en: Leu­te, die aus ir­gend­wel­chen Kom­mu­nen aus­ge­stie­gen sind, oder kraft­los aus­se­hen­de Flücht­lin­ge aus den Stu­den­ten- oder For­schungs­be­trie­ben, die einen Ner­ven­zu­sam­men­bruch

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