Der Esper und die Stadt
eine echte. Ich schob die Finger hinter einen Rand der Mauer und schob sie beiseite.
Inmitten einer gemischten Menschengruppe, die um Mitternacht irgendwohin unterwegs war, fuhren wir mit Gleitsesseln in die Stadt. Die Stimmen und Gesichter, die uns umgaben, halfen uns dabei, unsere Stimmen und Gesichter vor wachsamen Polizisten zu verbergen, die nach einer Bande Ausschau hielten.
Ich fühlte mich nicht wohl. „Werden wir irgend etwas Übles machen, Larry?“
„ So schlimm ist es auch nicht, Gorilla. Wir machen ein paar Kleinigkeiten kaputt und schreiben ein paar Parolen, und ich werde in den Computer steigen und uns ein paar Kreditkarten falschen. Hast du schon vergessen, daß wir dich gestern auf den Monteur des Computergebäudes eingestimmt haben und du uns eine Karte gezeichnet und die Richtung angegeben hast, wie wir die Alarmzonen überwinden?“
„Und wo bleibt mein Honorar, Larry?“
„Okay, Gorilla. Aber ich bin jetzt nicht in der Stimmung, um einen Geschichtsvortrag zu halten. Ich plane meinen nächsten Schachzug. Erzähl mir was über Güte und Friedfertigkeit: Das ist deine Bezahlung.“
In der Stadtmitte wurden die Sessel langsamer. Ich suchte nach Worten. „Was du da über Geschichte gesagt hast …“ sagte ich. „Das sind doch nur Worte. Vielleicht haben die Dinge ja schlecht gestanden, und vielleicht hast du ja auch recht, aber diese Leute hier …“ Als die Sessel langsamer wurden, deutete ich zaghaft mit der Hand auf eine lachende und unter Drogen stehende, vorbeifahrende Gruppe. „Diese Menschen sind echt; sie leben mitten in der Geschichte, auch wenn Geschichte sie nicht sonderlich interessiert. Es geht doch viel mehr vor sich als nur Geschichte. Und das war immer so. Es gibt noch eine Menge anderes.“ Mit einer kreisenden Handbewegung deutete ich auf die Halteplattform, die vorbeirumpelnden Sessel und die beschäftigten, schlafenden oder zurechtgemachten Leute, die unter den Deckenleuchten und den sich bewegenden 3-D-Reklamen dahinfuhren.
Wir waren ausgestiegen und standen auf der Plattform. Die anderen umringten mich, um meinen Argumenten zuzuhören. Einen Moment lang herrschte verwunderte Stille.
„Muß ich mir diesen Scheiß anhören?“ beschwerte sich Weeny, ein großes, pickelgesichtiges Bandenmitglied. Auch die anderen rührten sich ungeduldig.
„Das ist das Honorar für Georges Arbeit“, sagte Larry. „Fünf Tage nutzbringenden ESP-Einsatz gegen fünf Tage Geschichtsunterricht und Philosophie.“
„Das ist es gar nicht wert“, sagte Weeny finster und fummelte an der schweren, silbernen Eisenkette herum, die sich um seine Hüften schlang. Mit dieser Kette kämpfte er. Und jetzt war er sauer auf mich.
„Was es wert ist, entscheide ich“, erwiderte Larry. „Und wenn ich ,Springt!’ sage, dann springt ihr.“ Er geleitete uns zum richtigen Ausgang, aber am oberen Ende der Rolltreppe blieb er auf dem Bürgersteig stehen und legte das Gesicht in sorgenvolle Falten. Wir bildeten einen Kreis um ihn.
„Was ist denn Sache, Gehirn?“
„Sind wir zu früh ausgestiegen?“
Der blonde Junge schüttelte den Kopf. „Nein. Mir ist bloß nicht klar, was George eben gemeint hat. George, kannst du’s noch mal versuchen? Vielleicht bin ich der Blödere.“
„Was ich meine ist das“, sagte ich, während die anderen mich angafften. „Du kommst mir vor wie jemand, der den Leuten ewig auf die Fingernägel starrt, und da sie – ich meine die Gesellschaft – nun mal schmutzige Fingernägel hat, der Meinung ist, man sollte ihnen eine Kugel durch den Kopf jagen. Aber die Leute bestehen ja schließlich nicht nur aus ihren Fingernägeln, sondern aus viel mehr.“
„Oh“, sagte Larry, aber er sah mich noch mit
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