Der Esper und die Stadt
schrieb ich in das Gästebuch, daß ich ausgezogen sei. Vor meinem Namen fand ich eine Notiz, die mich darum bat, mich bei Guru Adam zu melden, also ging ich wieder hinein und begab mich auf die Hochterrasse, die den Innenhof umsäumte. Hier herrschten die Stille und der Frieden einer Waldlichtung.
Guru Adam war ein stämmiger, schwarzer Mann, der mit gekreuzten Beinen und geschlossenen Augen dasaß und meditierte. Er hatte zwei philosophische Bücher geschrieben, die sich ganz gut verkauften, und man sagte ihm nach, daß er Ereignisse deuten konnte.
Illusionäre Bäume spendeten ihm Schatten. Ich schaute auf und sah nur die Kante des überhängenden Daches, aber keine Bäume. In seiner Nähe sahen die Leute immer Bäume.
„George Sanford ist hier“, meldete ich mich und nahm auf dem Balkongeländer Platz, um zu warten. Ich musterte das sich unter mir abspielende Kommunenleben. Einen Moment lang kam ich mir vor wie in einem Käfig. Der Himmel verfinsterte sich.
„Ich hab’ was für dich“, sagte die volltönende Stimme des Gurus. Die Dunkelheit zog sich zurück. Ich nahm das, was der Mann mir reichte. Es war nur ein Vierteldollar. Das Befühlen der Münze deprimierte mich.
„Nein, danke“, sagte ich. „Ich brauche es nicht.“ Ich wollte ihm die Münze zurückgeben.
„Behalte es“, sagte Guru Adam. „Ich kann ein wenig in die Zukunft sehen. Wenn du in zwei Wochen keinen Vierteldollar hast, wirst du möglicherweise sterben.“
„Wie?“ fragte ich. „Warum?“
„Kann ich nicht sagen.“ Er meinte damit nicht, daß er es nicht wußte. Aber es hatte keinen Sinn, ihn noch einmal zu fragen. Ich hielt ihm die Münze hin.
„Nein. Ich brauche das Geld nicht, Guru. Ich bin ein Glückspilz.“
„Wie kommst du darauf, daß du ein Glückspilz bist, George?“ Der Guru studierte interessiert mein Gesicht.
„Ich bin gesund und habe einen Haufen Freunde.“ Ich legte die Münze auf den Boden.
„Das hat mit Glück nichts zu tun, George. Nimm die Münze mit.“
„Ich brauche sie nicht. Ich mache mir keine Sorgen um die Zukunft, Guru.“
Der Mann lächelte. „Bitte“, sagte er.
Ich nahm den Vierteldollar an mich.
„Kleb ihn dir an den Leib und vergiß, daß du ihn hast“, bat er mich. „Bitte!“
Ich ging ins Bad, fand den Erste-Hilfe-Kasten und befestigte den Vierteldollar mit zwei gekreuzten Klebestreifen an meinem Bein.
Als ich hinausging, kam ich mir wie ein Tölpel vor und war davon überzeugt, daß der Guru sich irrte. Die Zukunft sah gut aus. Ich war ein Glückspilz.
Es war ein herrlicher, sonnenbeschienener Morgen, der lange, kühle Schatten warf.
Am Van Cortland-Park stieg ich aus einem Gleitsessel, sprang von der Haltestation und ging in südlicher Richtung durch einen Tunnel. Dabei hielt ich nach einem Fußgängerweg Ausschau, der unter der Erde tief in den Park hineinführte, in dem ich Larry wiedergefunden hatte.
Der Tunnel war nicht mehr da. Dort, wo einst der Ausstieg gewesen war, befand sich nur noch eine weißgeflieste Wand.
Ich klopfte gegen die Mauer. Es klang hohl. Es war eine Imitation aus Plastikkacheln und Sperrholz. Ich grinste. Wollte Larry den ganzen Tunnel?
Nur wenige Leute würden den Weg vermissen. Niemand würde auf die Idee kommen nachzufragen, warum die Behörden den Tunnel gesperrt hatten.
Ich ging nach oben und begab mich über einen sich dahinschlängelnden Pfad in das Parkdickicht hinein.
Eine von Geländer zu Geländer reichende Kette sperrte die Treppe ab, und ein offiziell aussehendes Schild teilte mit: STÄDTISCHES EIGENTUM – KEIN ZUTRITT.
Ich stieg über die Kette hinweg und ging die Stufen hinunter. Nachdem ich die Hälfte des Weges hinter mich gebracht hatte, kam ich an eine Zementwand. Wenn man eine Sperrholzwand mit Zement verputzt, sieht sie eben aus wie
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