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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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schrieb ich in das Gäs­te­buch, daß ich aus­ge­zo­gen sei. Vor mei­nem Na­men fand ich ei­ne No­tiz, die mich dar­um bat, mich bei Gu­ru Adam zu mel­den, al­so ging ich wie­der hin­ein und be­gab mich auf die Hoch­ter­ras­se, die den In­nen­hof um­säum­te. Hier herrsch­ten die Stil­le und der Frie­den ei­ner Wald­lich­tung.
    Gu­ru Adam war ein stäm­mi­ger, schwar­zer Mann, der mit ge­kreuz­ten Bei­nen und ge­schlos­se­nen Au­gen da­saß und me­di­tier­te. Er hat­te zwei phi­lo­so­phi­sche Bü­cher ge­schrie­ben, die sich ganz gut ver­kauf­ten, und man sag­te ihm nach, daß er Er­eig­nis­se deu­ten konn­te.
    Il­lu­sio­näre Bäu­me spen­de­ten ihm Schat­ten. Ich schau­te auf und sah nur die Kan­te des über­hän­gen­den Daches, aber kei­ne Bäu­me. In sei­ner Nä­he sa­hen die Leu­te im­mer Bäu­me.
    „Ge­or­ge San­ford ist hier“, mel­de­te ich mich und nahm auf dem Bal­kon­ge­län­der Platz, um zu war­ten. Ich mus­ter­te das sich un­ter mir ab­spie­len­de Kom­mu­nen­le­ben. Einen Mo­ment lang kam ich mir vor wie in ei­nem Kä­fig. Der Him­mel ver­fins­ter­te sich.
    „Ich hab’ was für dich“, sag­te die voll­tö­nen­de Stim­me des Gu­rus. Die Dun­kel­heit zog sich zu­rück. Ich nahm das, was der Mann mir reich­te. Es war nur ein Vier­tel­dol­lar. Das Be­füh­len der Mün­ze de­pri­mier­te mich.
    „Nein, dan­ke“, sag­te ich. „Ich brau­che es nicht.“ Ich woll­te ihm die Mün­ze zu­rück­ge­ben.
    „Be­hal­te es“, sag­te Gu­ru Adam. „Ich kann ein we­nig in die Zu­kunft se­hen. Wenn du in zwei Wo­chen kei­nen Vier­tel­dol­lar hast, wirst du mög­li­cher­wei­se ster­ben.“
    „Wie?“ frag­te ich. „Warum?“
    „Kann ich nicht sa­gen.“ Er mein­te da­mit nicht, daß er es nicht wuß­te. Aber es hat­te kei­nen Sinn, ihn noch ein­mal zu fra­gen. Ich hielt ihm die Mün­ze hin.
    „Nein. Ich brau­che das Geld nicht, Gu­ru. Ich bin ein Glückspilz.“
    „Wie kommst du dar­auf, daß du ein Glückspilz bist, Ge­or­ge?“ Der Gu­ru stu­dier­te in­ter­es­siert mein Ge­sicht.
    „Ich bin ge­sund und ha­be einen Hau­fen Freun­de.“ Ich leg­te die Mün­ze auf den Bo­den.
    „Das hat mit Glück nichts zu tun, Ge­or­ge. Nimm die Mün­ze mit.“
    „Ich brau­che sie nicht. Ich ma­che mir kei­ne Sor­gen um die Zu­kunft, Gu­ru.“
    Der Mann lä­chel­te. „Bit­te“, sag­te er.
    Ich nahm den Vier­tel­dol­lar an mich.
    „Kleb ihn dir an den Leib und ver­giß, daß du ihn hast“, bat er mich. „Bit­te!“
    Ich ging ins Bad, fand den Ers­te-Hil­fe-Kas­ten und be­fes­tig­te den Vier­tel­dol­lar mit zwei ge­kreuz­ten Kle­be­strei­fen an mei­nem Bein.
    Als ich hin­aus­ging, kam ich mir wie ein Töl­pel vor und war da­von über­zeugt, daß der Gu­ru sich irr­te. Die Zu­kunft sah gut aus. Ich war ein Glückspilz.
    Es war ein herr­li­cher, son­nen­be­schie­ne­ner Mor­gen, der lan­ge, küh­le Schat­ten warf.
    Am Van Cort­land-Park stieg ich aus ei­nem Gleitses­sel, sprang von der Hal­tes­ta­ti­on und ging in süd­li­cher Rich­tung durch einen Tun­nel. Da­bei hielt ich nach ei­nem Fuß­gän­ger­weg Aus­schau, der un­ter der Er­de tief in den Park hin­ein­führ­te, in dem ich Lar­ry wie­der­ge­fun­den hat­te.
    Der Tun­nel war nicht mehr da. Dort, wo einst der Aus­stieg ge­we­sen war, be­fand sich nur noch ei­ne weiß­ge­flies­te Wand.
    Ich klopf­te ge­gen die Mau­er. Es klang hohl. Es war ei­ne Imi­ta­ti­on aus Plas­tik­ka­cheln und Sperr­holz. Ich grins­te. Woll­te Lar­ry den gan­zen Tun­nel?
    Nur we­ni­ge Leu­te wür­den den Weg ver­mis­sen. Nie­mand wür­de auf die Idee kom­men nach­zu­fra­gen, warum die Be­hör­den den Tun­nel ge­sperrt hat­ten.
    Ich ging nach oben und be­gab mich über einen sich da­hin­schlän­geln­den Pfad in das Park­dickicht hin­ein.
    Ei­ne von Ge­län­der zu Ge­län­der rei­chen­de Ket­te sperr­te die Trep­pe ab, und ein of­fi­zi­ell aus­se­hen­des Schild teil­te mit: STÄD­TI­SCHES EI­GEN­TUM – KEIN ZU­TRITT.
    Ich stieg über die Ket­te hin­weg und ging die Stu­fen hin­un­ter. Nach­dem ich die Hälf­te des Weges hin­ter mich ge­bracht hat­te, kam ich an ei­ne Ze­ment­wand. Wenn man ei­ne Sperr­holzwand mit Ze­ment ver­putzt, sieht sie eben aus wie

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