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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Az­te­ken-Kom­mu­ne. Er nahm an, ich wol­le ihm einen Tip ge­ben, wie er den Az­te­ken Schwie­rig­kei­ten ma­chen könn­te. Er hat nur das be­kom­men, was er ver­dient.“
    Ich lä­chel­te. „Na ja, spa­ßig mag es ja ge­we­sen sein – aber wem soll­te es nüt­zen, oder was soll­te es für die Ge­schich­te be­wir­ken?“
    Der Jun­ge roll­te sich im Gras auf den Rücken und schau­te in den Him­mel. „Go­ril­la, der Zu­stand der Welt ist Lan­ge­wei­le. Leu­te, die ein fried­li­ches Le­ben le­ben, lang­wei­len sich un­be­schreib­lich. Al­les, was sie an Auf­re­gung krie­gen, re­sul­tiert dar­aus, daß sie ih­re Jobs has­sen und daß die Lan­ge­wei­le ih­nen Schmer­zen be­rei­tet. Sie be­trei­ben ih­re Hob­bys nicht, weil sie Spaß dar­an ha­ben, son­dern weil sie glau­ben, das wür­de sie vor der Lan­ge­wei­le be­wah­ren. Sie hal­ten Lan­ge­wei­le für einen Be­stand­teil der Zi­vi­li­sa­ti­on und glau­ben, es gibt kei­ne Mög­lich­keit, dar­an et­was zu än­dern. Sie neh­men Be­ru­hi­gungs­mit­tel. Sie ma­chen ab­sicht­lich ge­fähr­li­che Feh­ler. Sie wer­den krank, ge­hen ins Hos­pi­tal und las­sen sich ih­re Or­ga­ne er­set­zen. All das ist Lan­ge­wei­le. Sie hof­fen dar­auf, daß mal ein Erd­be­ben aus­bricht, und stür­zen sich wie In­sek­ten in ein Groß­feu­er oder wer­fen sich wie Lem­min­ge in die Flu­ten. Sie be­we­gen sich in ih­ren Glei­sen wie ein Zug, der auf Schie­nen fährt und fest­stellt, daß die vor ihm lie­gen­de Brücke ein­ge­stürzt ist. Ich bie­te ih­nen nur die Mög­lich­keit, zwi­schen Über­schwem­mun­gen, Brän­den, un­ter­halt­sa­men To­den und Ka­ta­stro­phen aus­zu­wäh­len. Der Aus­bruch ist leicht – wenn man aus­bre­chen will.“ Er setz­te sich hin und lös­te den De­ckel ei­ner Do­se, die ein hei­ßes Fer­tig­früh­stück ent­hielt.
    „Die Leu­te lö­schen sich selbst aus?“ frag­te ich. So was hat­te ich ja noch nie ge­hört!
    „Nimm die Leu­te in den bei­den Un­ter­see-Kup­peln. Man hielt es für ei­ne tol­le Sa­che, un­ter Was­ser zu le­ben, aber nie­mand hat da un­ten rum­ge­taucht. Die Leu­te leb­ten bloß dort, wie in ei­ner ganz nor­ma­len Woh­nung. Leu­te, die sich in ei­nem Bal­lon un­ter dem Meer zu­sam­men­rot­ten, war­ten auf ein Erd­be­ben. Sie wol­len ge­ra­de­zu er­trin­ken.“ Er blies auf die hei­ße Sup­pe, da­mit sie sich ab­kühl­te.
    „Das kannst du nicht be­wei­sen, Lar­ry.“
    „Viel­leicht kann ich es wirk­lich nicht, Go­ril­la, aber es ist doch lo­gisch. Die Sta­tis­ti­ken, in de­nen die Leu­te er­faßt wer­den, die bei großen Ka­ta­stro­phen, klei­nen Un­fäl­len und psy­cho­so­ma­ti­schen Er­kran­kun­gen um­kom­men, wei­sen das glei­che Mus­ter auf wie die von Selbst­mör­dern.“
    „Du meinst, daß Leu­te, die bei Un­fäl­len ster­ben, ster­ben woll­ten?“
    „Die ein­zi­gen, die die schlimms­ten Ka­ta­stro­phen über­le­ben, sind ge­sel­li­ge, ak­ti­ve Leu­te, die man über­all und nir­gends an­tref­fen kann, die Freun­de ha­ben und Plä­ne schmie­den.“ Er rutsch­te ein Stück zur Sei­te, um dem Schein der hei­ßen Son­ne zu ent­ge­hen.
    „Die Leu­te lang­wei­len sich nicht“, warf ich ein und be­weg­te mich un­be­hag­lich. „Sie pla­nen ih­re Zu­kunft. Was ver­suchst du mir zu sa­gen, Lar­ry? Daß al­le To­de Selbst­mor­de sind?“
    „So was Ähn­li­ches.“
    „Wenn ich mir nun ei­ne Ka­no­ne schnap­pen und dich er­schie­ßen wür­de, wä­re es dann Selbst­mord, wenn du nicht …“ Mir fehl­ten die Wor­te. Ich stell­te die lee­re Kaf­fee­tas­se vor mir ins Gras.
    „So­weit wür­de ich dich schon nicht trei­ben, Großer Meis­ter“, sag­te Lar­ry er­hei­tert. „Ich bin heu­te nicht in Selbst­mord­stim­mung.“
    Ein Ei­chel­hä­her flog über die Wie­se, lan­de­te auf ei­nem nied­ri­gen Ast und kräh­te. Er war von ei­nem so hel­len Blau wie der Him­mel.
    Viel­leicht war Lar­ry doch ver­rückt. Kra­cken, der al­te Wirt­schaft­ler, war be­stimmt ver­rückt ge­we­sen, auch wenn er das ge­naue Ge­gen­teil von Lar­ry war. Aber wenn Kra­cken einen Sprung in der Schüs­sel hat­te, be­wies das noch nicht, daß Lar­ry ge­sund war.
    Ich streck­te mei­ne Füh­ler aus.

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