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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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ich wühl­te, griff ich mit dem Geist durch die Wän­de und stimm­te mich auf die in die­sem Haus le­ben­den Pa­ra­noi­den ein. Es wa­ren min­des­tens fünf­zig, die ein­ge­schlos­sen wa­ren und auf Drü­sen­ope­ra­tio­nen war­te­ten, und al­le wa­ren da­von über­zeugt, von Fein­den um­ringt zu sein, die sie um­brin­gen woll­ten. Die meis­ten von ih­nen wa­ren über­zeugt, ent­führt und in ein frem­des Land ver­schleppt wor­den zu sein, wo man sie exe­ku­tie­ren woll­te. Sie er­schie­nen ge­sund, aufs höchs­te alar­miert und flucht­be­reit. Wenn ich ih­ren Ge­dan­ken noch mehr Be­ach­tung schenk­te, wür­de ich die Ir­ren noch vor ih­ren Ärz­ten ret­ten.
    Ich fand die plas­ti­kum­hüll­ten Pa­pie­re und woll­te ge­ra­de die Hand aus der Ta­sche zie­hen, als ich von bei­den Sei­ten in den Griff star­ker Ar­me ge­riet. Zwei ziem­lich stäm­mi­ge As­sis­ten­zärz­te in wei­ßen Kit­teln, die durch den Pa­nik­knopf ih­res Vor­ge­setz­ten her­bei­ge­ru­fen wor­den wa­ren, hiel­ten mich in ei­nem Griff, der mir die Ell­bo­gen bre­chen konn­te, wenn ich mich wehr­te. Ich stand still.
    „Mal se­hen, was Sie da in der Hand ha­ben“, sag­te ei­ner der As­sis­ten­ten. Er war fast so groß wie ich, aber kein Schlä­ger. Sein Ton­fall war ge­las­sen, sein Ge­sichts­aus­druck bei­na­he freund­lich. Er ver­än­der­te sei­nen Griff, nahm die Pa­pie­re und reich­te sie dem Mann, den ich an­ge­spro­chen hat­te.
    Der jun­ge Arzt las sie sorg­fäl­tig durch, dann reich­te er sie mir wie­der hin. „Er ist in Ord­nung“, sag­te er zu den bei­den, die mich nun loslie­ßen. „Sie hät­ten in der Ta­sche eben­so­gut nach ei­nem Re­vol­ver su­chen kön­nen“, er­klär­te der Arzt, als ich die Pa­pie­re wie­der ein­steck­te. „Wir ha­ben hier schon die tolls­ten Sa­chen er­lebt, und von drei bis fünf ist Geis­ter­stun­de; dann flie­gen die Vam­pi­re ziem­lich tief.“
    „Ich war mü­de und hat­te ei­ne schlech­te Nacht“, sag­te ich. „Tut mir leid.“
    Er nahm mich mit zur Re­zep­ti­on und be­sorg­te mir einen Be­su­cher­aus­weis. „Sie kom­men zwar au­ßer­halb der Zei­ten, in de­nen nor­ma­ler­wei­se Füh­run­gen ge­macht wer­den, aber die Leu­te ha­ben nicht zu­viel zu tun. Das hier wird Ih­nen ei­ni­ge Ih­rer Fra­gen be­ant­wor­ten.“
    Ich las es. „Er­laub­nis für Ge­or­ge San­ford, die Psych­ia­tri­sche Ab­tei­lung der Po­li­zei für kri­mi­nel­le Ge­walt­tä­ter im 18. Stock, B-Flü­gel, zu be­su­chen und zu ver­las­sen.“
    Ich nahm den Lift und fuhr auf­wärts an ru­hig schla­fen­den Pa­ti­en­ten vor­bei. Die Stock­wer­ke wa­ren voll von ih­nen, aber als ich oben an­kam, warf mich das Durch­ein­an­der der Vi­bra­tio­nen rück­wärts ge­gen die Tür.
    „Su­chen Sie je­man­den?“ Ein Mann mit ei­ner wei­ßen Ja­cke und blau­en Ho­sen. Po­li­zei­mar­ke.
    „Ich bin von der Ret­tungs­bri­ga­de, ich bin neu, ge­ra­de an­ge­heu­ert wor­den. Ich möch­te ger­ne wis­sen …“ Die stum­men, pa­ni­schen Schreie, die hin­ter den ge­schlos­se­nen Tü­ren her­vor­ka­men, trock­ne­ten fast mein Ge­hirn aus. Ich mach­te ein ver­lan­gen­des Ge­sicht und deu­te­te auf die Tü­ren. Der Po­li­zei­arzt konn­te we­der hö­ren noch füh­len, was da drin­nen vor sich ging, aber er muß­te da­von wis­sen.
    „Oh. Sie sind we­gen ei­nes Bil­dungs­lehr­gangs hier? Ha­ben Sie einen Aus­weis?“
    Ich zeig­te ihm mei­ne Kar­te und den Paß, den der Arzt mir aus­ge­stellt hat­te. Ei­ner die­ser grau­en­haf­ten Schreie nahm die Ober­tö­ne kind­li­chen Freu­den­ge­plärrs an, wur­de jung und im­mer jün­ger, wi­der­spie­gel­te är­ger­li­che Kind­heits­er­in­ne­run­gen, aber auch schö­ne und feu­ri­ge, wie der Saft von Ma­ra­schi­no­kir­schen oder heißem Zimt. Das Bren­nen wur­de hei­ßer, bis ich ver­such­te, ihm rück­wärts zu ent­kom­men. Ich spür­te, daß die Frau hin­ter der Tür ih­re Er­in­ne­run­gen zu stop­pen ver­such­te, aber die Flam­men schlu­gen hö­her, wur­den hei­ßer und hel­ler und schraub­ten sich über das hin­aus, was mensch­li­che Ge­hirn­zel­len er­tra­gen kön­nen. Ei­ne sich laut­los auf­blä­hen­de Ex­plo­si­on aus

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