Der Esper und die Stadt
ich wühlte, griff ich mit dem Geist durch die Wände und stimmte mich auf die in diesem Haus lebenden Paranoiden ein. Es waren mindestens fünfzig, die eingeschlossen waren und auf Drüsenoperationen warteten, und alle waren davon überzeugt, von Feinden umringt zu sein, die sie umbringen wollten. Die meisten von ihnen waren überzeugt, entführt und in ein fremdes Land verschleppt worden zu sein, wo man sie exekutieren wollte. Sie erschienen gesund, aufs höchste alarmiert und fluchtbereit. Wenn ich ihren Gedanken noch mehr Beachtung schenkte, würde ich die Irren noch vor ihren Ärzten retten.
Ich fand die plastikumhüllten Papiere und wollte gerade die Hand aus der Tasche ziehen, als ich von beiden Seiten in den Griff starker Arme geriet. Zwei ziemlich stämmige Assistenzärzte in weißen Kitteln, die durch den Panikknopf ihres Vorgesetzten herbeigerufen worden waren, hielten mich in einem Griff, der mir die Ellbogen brechen konnte, wenn ich mich wehrte. Ich stand still.
„Mal sehen, was Sie da in der Hand haben“, sagte einer der Assistenten. Er war fast so groß wie ich, aber kein Schläger. Sein Tonfall war gelassen, sein Gesichtsausdruck beinahe freundlich. Er veränderte seinen Griff, nahm die Papiere und reichte sie dem Mann, den ich angesprochen hatte.
Der junge Arzt las sie sorgfältig durch, dann reichte er sie mir wieder hin. „Er ist in Ordnung“, sagte er zu den beiden, die mich nun losließen. „Sie hätten in der Tasche ebensogut nach einem Revolver suchen können“, erklärte der Arzt, als ich die Papiere wieder einsteckte. „Wir haben hier schon die tollsten Sachen erlebt, und von drei bis fünf ist Geisterstunde; dann fliegen die Vampire ziemlich tief.“
„Ich war müde und hatte eine schlechte Nacht“, sagte ich. „Tut mir leid.“
Er nahm mich mit zur Rezeption und besorgte mir einen Besucherausweis. „Sie kommen zwar außerhalb der Zeiten, in denen normalerweise Führungen gemacht werden, aber die Leute haben nicht zuviel zu tun. Das hier wird Ihnen einige Ihrer Fragen beantworten.“
Ich las es. „Erlaubnis für George Sanford, die Psychiatrische Abteilung der Polizei für kriminelle Gewalttäter im 18. Stock, B-Flügel, zu besuchen und zu verlassen.“
Ich nahm den Lift und fuhr aufwärts an ruhig schlafenden Patienten vorbei. Die Stockwerke waren voll von ihnen, aber als ich oben ankam, warf mich das Durcheinander der Vibrationen rückwärts gegen die Tür.
„Suchen Sie jemanden?“ Ein Mann mit einer weißen Jacke und blauen Hosen. Polizeimarke.
„Ich bin von der Rettungsbrigade, ich bin neu, gerade angeheuert worden. Ich möchte gerne wissen …“ Die stummen, panischen Schreie, die hinter den geschlossenen Türen hervorkamen, trockneten fast mein Gehirn aus. Ich machte ein verlangendes Gesicht und deutete auf die Türen. Der Polizeiarzt konnte weder hören noch fühlen, was da drinnen vor sich ging, aber er mußte davon wissen.
„Oh. Sie sind wegen eines Bildungslehrgangs hier? Haben Sie einen Ausweis?“
Ich zeigte ihm meine Karte und den Paß, den der Arzt mir ausgestellt hatte. Einer dieser grauenhaften Schreie nahm die Obertöne kindlichen Freudengeplärrs an, wurde jung und immer jünger, widerspiegelte ärgerliche Kindheitserinnerungen, aber auch schöne und feurige, wie der Saft von Maraschinokirschen oder heißem Zimt. Das Brennen wurde heißer, bis ich versuchte, ihm rückwärts zu entkommen. Ich spürte, daß die Frau hinter der Tür ihre Erinnerungen zu stoppen versuchte, aber die Flammen schlugen höher, wurden heißer und heller und schraubten sich über das hinaus, was menschliche Gehirnzellen ertragen können. Eine sich lautlos aufblähende Explosion aus
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