Der Esper und die Stadt
ich mich umwandte, sah ich eine hübsche Sekretärin herankommen. Sie hatte einen klingelnden Schlüsselbund in der Hand. Ich ging weiter.
Der Korridor endete in einer Sackgasse an einem großen Bildfenster, durch das man über den Fluß sehen konnte. Ich sah hinaus und bemühte mich, irgendwelche Hilferufe aufzufangen. Ich wartete darauf, daß die Sekretärin nach 106 ging und die Tür schloß. Ich kann das Ausfüllen von Formularen nicht leiden. Ich kann’s auch nicht leiden, Fragen zu beantworten.
Warum? Ich werd’ mich hüten, mich das zu fragen. Das ist auch eine Frage. Und Fragen hasse ich.
Ich zermarterte mir also den Kopf und versuchte mich auf Leute einzustimmen, die einsam waren, irgendwo in der Falle saßen und in Gefahr schwebten.
Plötzlich kam was rein, laut und voller Angst, richtig elektrisch. Todesgefahr, ja, eine große, ernstzunehmende Todesgefahr. Die Wolken über dem Fluß verwandelten sich in weiße Uniformen und einen großen, weißen Schädel. Ich packte mit aller Kraft den Rand des Fensterbretts und warf mich in die Angst hinein, ganz und gar, und kam genau im Bewußtsein und in der Umgebung desjenigen raus, der diese Furcht hatte. Er war Patient in diesem Krankenhaus und stand vor einer neurologischen Operation. Eine Schwester gab ihm mit der Spritze ein Beruhigungsmittel, und seine Angst löste sich auf und verwandelte sich in großes Vertrauen zu seinem Chirurgen.
Ich öffnete die Augen. Die Wolken waren nur Wolken, keine Totenschädel. Als ich die Landschaft betrachtete, drang aus einem anderen Teil des Krankenhauses eine neue Welle der Angst auf mich ein. Die Landschaft wurde zackig; die Gebäude glichen denen eines fremden, feindlichen Landes. Irgend jemand war entführt worden, saß gefangen und war umzingelt von Feinden, die lächelnd vorgaben, Ärzte zu sein. Paranoia, und doch fühlte sich alles klar und logisch an, wie ein wirklicher Fall von Kidnapping.
Ich redete es mir aus und ging los, um einen Spezialisten zu fragen. Am Haupteingang hielt ich einen vorbeigehenden Mann an.
„Ich möchte gerne wissen, wie man paranoide Gedanken von normalen Gedanken unterscheiden kann“, sagte ich. „Ich muß Hilferufe beantworten, und alle ihre Paranoiden denken, sie wären gekidnappt worden. Ich muß aber in der Lage sein, wirkliche Entführungsfälle an ihren Vibrationen zu erkennen. Ich arbeite für die Rettungsbrigade. Ich arbeite mit ESP, aber ich kann sie nicht aussortieren.“
Der Mann sah mich an und kriegte Angst, weil er mit meinen Worten nicht das geringste anfangen konnte. Er verstand überhaupt nichts, außer vielleicht, daß ich behauptete, ein Detektiv zu sein. Der Rest ging ihm zu schnell und hörte sich in seinen Ohren wie Unsinn an. Während er mich mit einem eingefrorenen Angstlächeln ansah und ich in meiner Schultertasche nach einem Ausweis kramte, griff er in die Tasche und betätigte ein Hilferufsignal.
Ich hatte zwar keine Dienstmarke, dafür aber einen Lobesbrief für die erste Rettung, die ich hingekriegt hatte, und einen kleinen Zeitungsausschnitt, der in eine Plastikhülle eingeschweißt war und in der Tasche sein mußte.
„Warten Sie“, sagte ich. „Ich werd’s Ihnen zeigen.“
Offensichtlich hatte er aus seinen Lehrbüchern gelernt, daß große Männer, die behaupten, sie seien nach Paranoiden Ausschau haltende Detektive, im allgemeinen gemeingefährliche Irre sind. Er hatte Angst, sich zu bewegen.
Ich wühlte mich durch Kreditkarte und Papiertaschentücher, ein eingepacktes Sandwich, meinen Notizblock und den Kassettenrekorder, die Kassetten und den Löffel, das Messer und den Kugelschreiber und die kleine Taschenlampe, und während
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