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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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ich mich um­wand­te, sah ich ei­ne hüb­sche Se­kre­tä­rin her­an­kom­men. Sie hat­te einen klin­geln­den Schlüs­sel­bund in der Hand. Ich ging wei­ter.
    Der Kor­ri­dor en­de­te in ei­ner Sack­gas­se an ei­nem großen Bild­fens­ter, durch das man über den Fluß se­hen konn­te. Ich sah hin­aus und be­müh­te mich, ir­gend­wel­che Hil­fe­ru­fe auf­zu­fan­gen. Ich war­te­te dar­auf, daß die Se­kre­tä­rin nach 106 ging und die Tür schloß. Ich kann das Aus­fül­len von For­mu­la­ren nicht lei­den. Ich kann’s auch nicht lei­den, Fra­gen zu be­ant­wor­ten.
    Warum? Ich werd’ mich hü­ten, mich das zu fra­gen. Das ist auch ei­ne Fra­ge. Und Fra­gen has­se ich.
    Ich zer­mar­ter­te mir al­so den Kopf und ver­such­te mich auf Leu­te ein­zu­stim­men, die ein­sam wa­ren, ir­gend­wo in der Fal­le sa­ßen und in Ge­fahr schweb­ten.
    Plötz­lich kam was rein, laut und vol­ler Angst, rich­tig elek­trisch. To­des­ge­fahr, ja, ei­ne große, ernst­zu­neh­men­de To­des­ge­fahr. Die Wol­ken über dem Fluß ver­wan­del­ten sich in wei­ße Uni­for­men und einen großen, wei­ßen Schä­del. Ich pack­te mit al­ler Kraft den Rand des Fens­ter­bretts und warf mich in die Angst hin­ein, ganz und gar, und kam ge­nau im Be­wußt­sein und in der Um­ge­bung des­je­ni­gen raus, der die­se Furcht hat­te. Er war Pa­ti­ent in die­sem Kran­ken­haus und stand vor ei­ner neu­ro­lo­gi­schen Ope­ra­ti­on. Ei­ne Schwes­ter gab ihm mit der Sprit­ze ein Be­ru­hi­gungs­mit­tel, und sei­ne Angst lös­te sich auf und ver­wan­del­te sich in großes Ver­trau­en zu sei­nem Chir­ur­gen.
    Ich öff­ne­te die Au­gen. Die Wol­ken wa­ren nur Wol­ken, kei­ne To­ten­schä­del. Als ich die Land­schaft be­trach­te­te, drang aus ei­nem an­de­ren Teil des Kran­ken­hau­ses ei­ne neue Wel­le der Angst auf mich ein. Die Land­schaft wur­de za­ckig; die Ge­bäu­de gli­chen de­nen ei­nes frem­den, feind­li­chen Lan­des. Ir­gend je­mand war ent­führt wor­den, saß ge­fan­gen und war um­zin­gelt von Fein­den, die lä­chelnd vor­ga­ben, Ärz­te zu sein. Pa­ra­noia, und doch fühl­te sich al­les klar und lo­gisch an, wie ein wirk­li­cher Fall von Kid­nap­ping.
    Ich re­de­te es mir aus und ging los, um einen Spe­zia­lis­ten zu fra­gen. Am Hauptein­gang hielt ich einen vor­bei­ge­hen­den Mann an.
    „Ich möch­te ger­ne wis­sen, wie man pa­ra­noi­de Ge­dan­ken von nor­ma­len Ge­dan­ken un­ter­schei­den kann“, sag­te ich. „Ich muß Hil­fe­ru­fe be­ant­wor­ten, und al­le ih­re Pa­ra­noi­den den­ken, sie wä­ren ge­kid­nappt wor­den. Ich muß aber in der La­ge sein, wirk­li­che Ent­füh­rungs­fäl­le an ih­ren Vi­bra­tio­nen zu er­ken­nen. Ich ar­bei­te für die Ret­tungs­bri­ga­de. Ich ar­bei­te mit ESP, aber ich kann sie nicht aus­sor­tie­ren.“
    Der Mann sah mich an und krieg­te Angst, weil er mit mei­nen Wor­ten nicht das ge­rings­te an­fan­gen konn­te. Er ver­stand über­haupt nichts, au­ßer viel­leicht, daß ich be­haup­te­te, ein De­tek­tiv zu sein. Der Rest ging ihm zu schnell und hör­te sich in sei­nen Oh­ren wie Un­sinn an. Wäh­rend er mich mit ei­nem ein­ge­fro­re­nen Angst­lä­cheln an­sah und ich in mei­ner Schul­ter­ta­sche nach ei­nem Aus­weis kram­te, griff er in die Ta­sche und be­tä­tig­te ein Hil­fe­rufs­i­gnal.
    Ich hat­te zwar kei­ne Dienst­mar­ke, da­für aber einen Lo­bes­brief für die ers­te Ret­tung, die ich hin­ge­kriegt hat­te, und einen klei­nen Zei­tungs­aus­schnitt, der in ei­ne Plas­tik­hül­le ein­ge­schweißt war und in der Ta­sche sein muß­te.
    „War­ten Sie“, sag­te ich. „Ich werd’s Ih­nen zei­gen.“
    Of­fen­sicht­lich hat­te er aus sei­nen Lehr­bü­chern ge­lernt, daß große Män­ner, die be­haup­ten, sie sei­en nach Pa­ra­noi­den Aus­schau hal­ten­de De­tek­ti­ve, im all­ge­mei­nen ge­mein­ge­fähr­li­che Ir­re sind. Er hat­te Angst, sich zu be­we­gen.
    Ich wühl­te mich durch Kre­dit­kar­te und Pa­pier­ta­schen­tü­cher, ein ein­ge­pack­tes Sand­wich, mei­nen No­tiz­block und den Kas­set­ten­re­kord­er, die Kas­set­ten und den Löf­fel, das Mes­ser und den Ku­gel­schrei­ber und die klei­ne Ta­schen­lam­pe, und wäh­rend

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