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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Fest­ge­nom­men wer­den kann man schließ­lich nur, wenn man et­was ver­bro­chen hat. Die Ret­tungs­bri­ga­de konn­te die Ver­bre­chens- und Un­fall­ra­te durch ab­weh­ren­de Maß­nah­men zwar sen­ken, in­dem sie Un­ru­he­stif­tern zu­vor­kam. Aber auf­grund wel­cher Ge­set­ze? Wer fest­ge­nom­men wird, oh­ne ein Ver­bre­chen be­gan­gen zu ha­ben, ist un­schul­dig. Ich hol­te tief Luft – und fing zu­fäl­lig die Vi­bra­tio­nen des Ir­ren auf: Er stell­te sich vor, die Hand ei­nes an­de­ren in einen Toas­ter zu schie­ben. Ich fühl­te Schmerz und Macht. Viel­leicht hat­te der Mann nur ei­ne Schei­be Brot aus dem Mit­tel­teil ei­nes har­ten Pum­per­ni­ckel-Laibs ge­schnit­ten, statt ei­ne Keh­le durch­zu­sä­beln, und schob jetzt die di­cke Schei­be in den Toas­ter und kei­ne Hand. Aber sei­ne Vor­stel­lung, dies mit ei­ner Hand zu tun, und die Freu­de, die er da­bei emp­fand, ließ mich frös­teln. Sa­dis­mus geht tief: Er hat star­ke, pri­mi­ti­ve Wur­zeln. Ich mag nicht ein­mal wis­sen, daß so was einen er­freu­en kann. Es könn­te an­ste­ckend sein und ir­gend­ei­nes Ta­ges je­man­dem Schmer­zen be­rei­ten. Ich bin zu stark. Ich wer­de dar­auf ach­ten müs­sen.
    Ei­ne Zeit­lang war der Ex­pe­dient mit Schal­tun­gen und Funk­sprü­chen be­schäf­tigt. Dann kam er ans Te­le­fon zu­rück. „Buch­sta­bie­ren Sie Ih­ren Na­men Ge­or­ge Sand­ford?“
    „San­ford, mit nur ei­nem d“, sag­te ich und wech­sel­te von ei­nem Bein auf das an­de­re. In der Hit­ze fing ich in mei­nen San­da­len an zu schwit­zen. Wenn man geht, sind sie kühl, aber nicht beim Ste­hen. Auch der Ste­reo­kopf­hö­rer drück­te heiß auf mei­ne Oh­ren und ließ mich schwit­zen. Er war zu eng und für klei­ne­re Köp­fe ge­macht als mei­nen. Mit ei­nem lei­sen Sum­men fuhr lang­sam ein Rent­ner­bus an mir vor­bei, aber er er­zeug­te nur ei­ne klei­ne Bri­se.
    „Dienst­mar­ken­num­mer?“ frag­te das Te­le­fon.
    „Ich ha­be kei­ne. Ich bin Spe­zia­list, Ka­te­go­rie J.“ Das hör­te sich gut an, auch wenn es nur be­deu­te­te, daß ich die Prü­fun­gen nicht schaff­te, die man brauch­te, um fest an­ge­stellt zu wer­den. Ein Spe­zia­list braucht nicht mehr zu ken­nen als das Ge­biet, auf dem er Ex­per­te ist, aber al­le Ex­per­ten wer­den mit Re­spekt be­han­delt. „Spe­zia­list, Ka­te­go­rie J“, sag­te ich noch ein­mal und sonn­te mich in dem Re­spekt, den die Leu­te mir ent­ge­gen­brach­ten, wenn ich das sag­te. Ex­per­te zu sein ge­fiel mir.
    Ei­ne Mi­nu­te lang war der Ex­pe­dient da­mit be­schäf­tigt, die ein- und aus­ge­hen­den Funk­sprü­che der Arm­band­sen­der und Po­li­zei­hub­schrau­ber auf­zu­neh­men, dann sag­te er: „San­ford? Sind Sie noch dran? Ich ha­be ei­ne An­wei­sung von Chief Oslow von der Ret­tungs­bri­ga­de für Sie. Die Grup­pe, die Ih­ren Ver­däch­ti­gen fest­nimmt, wird gleich zur Neu­ro­lo­gie wei­ter­flie­gen. Ge­hen Sie mit an Bord und su­chen Sie im glei­chen Ge­bäu­de das Zim­mer 106 auf. Dort ist ein Mäd­chen, das Ih­nen hel­fen wird, die Ein­satz­re­ports aus­zu­fül­len, die in sol­chen Fäl­len er­for­der­lich sind. Sie wird Ih­nen hel­fen. Ih­re Dienst­stel­le möch­te wis­sen, was Sie in den letz­ten vier Ta­gen ge­macht ha­ben.“
    Als ich den Kopf­hö­rer auf­hing, kam der Po­li­zei­hub­schrau­ber aus dem Him­mel her­un­ter, lan­de­te auf dem Gras­strei­fen, und zwei Po­li­zis­ten rann­ten in das Ge­bäu­de auf der ge­gen­über­lie­gen­den Stra­ßen­sei­te. Das Don­nern ih­rer Schrit­te auf den Trep­pen­stu­fen kam mir vor wie ein Trom­mel­wir­bel, denn ich hör­te nur die Leu­te in den an­de­ren Häu­sern, die sich in Fens­ter­nä­he auf­hiel­ten und übers Früh­stück­ma­chen re­de­ten. „Wir ha­ben kei­ne Mar­ga­ri­ne mehr!“ – „Heu­te steht’s mir wie­der un­ge­heu­er im Hals.“ – „Wirf mal ’n Blick auf die Ei­er.“
    Und dann kam er, der Schrei, auf den ich ge­war­tet hat­te. Er be­gann als Aus­ruf, dann wur­de er im­mer hö­her und wil­der.
    „Le­bend kriegt ihr mich nicht. Zu­erst seid ihr dran. Ich krieg sie. Ich brin­ge euch um. Ich brin­ge euch um!“ Der Schrei wur­de zu ei­nem

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