Der Esper und die Stadt
weißem Schmerz zerfetzte sie.
Ich war noch dabei, mich von den Erfahrungen der anderen Leute zu lösen, als alles einen Höhepunkt erreichte und sich selbst vernichtete.
Der uniformierte Arzt studierte meine Ausweise.
Er beendete irgendeinen Satz und wartete. Ich stand da, wie leergefegt.
„Verpassen Sie den Leuten hier eine Gehirnwäsche?“ fragte ich. Obwohl die Frau hinter der Tür keine geistigen Vibrationen mehr ausstrahlte, war sie keinesfalls tot. Immer noch war da ein Gefühl von Leben, wie bei einem Tier.
Der Arzt wechselte unbehaglich das Standbein und sah mich an.
„Diesen Ausdruck benutzen wir hier nicht. Sie sind jetzt ein Profi. Die richtige Bezeichnung für diesen Ort lautet Elektronisches Persönlichkeitsrestrukturationslabor. Gehirnwäsche sagen die Laien, die von unseren Behandlungsmethoden keine Ahnung haben.“
Warum spüren bloß die meisten Leute keine Vibrationen? Er stand ganz friedlich da, erzählte mir etwas und spürte nicht das geringste, während ich mich bemühte, meine Gefühle zu einem harten, kleinen Knoten zusammenzuziehen und in einer kleinen Ecke vor den stummen Schreien zu verbergen, die nun aus einem anderen Raum kamen. „Wie könnt ihr das nur aushalten?“
Der Polizeiarzt verstand nicht, daß ich damit das Auffangen von Gefühlen meinte. Er sagte: „Wir sind nicht grausam. Es ist eine wirklich humane Behandlung. Wenn ein Patient verändert wurde, ist er in der Regel dazu in der Lage, ein glückliches Leben zu fuhren. Diese Behandlung ist die einzige, die verhindert, daß sie Rückfälle erleiden und wieder in den Kreislauf von Kriminalität und Bestrafung zurückkehren.“
Die Gewalt des aus dem zweiten geschlossenen Raum hervordringenden Schreckens ließ mich erschaudern. Dieser Patient war wirklich krank. In den meisten Nächten seines Lebens hatte er unter schweren Alpträumen zu leiden, aber er brachte es fertig, sie bei Tageslicht zu vergessen. Die Maschinerie zwang ihn dazu, sich an seine Alpträume zu erinnern. Sie brachte sie zurück und machte sie heller als die Wirklichkeit. Ich versuchte mich von seinem Alptraum zu lösen und mich auf das kühle Abbild des Korridors und des vor mir stehenden Arztes zu konzentrieren. „Es ist wie Sex, nicht wahr?“ sagte ich. „Es steigt hoch und brennt aus.“
Der junge Arzt sah unbehaglich aus und drehte meine Ausweise wieder und wieder herum. „Sie wissen ja schon eine Menge. Man muß Ihnen ja schon viel erzählt haben. Es scheint alles in Ordnung zu sein, aber da Sie keinen Standardausweis der Polizeischule haben, ist es wohl besser, wenn ich Sie hier herumführe.“
„Ich will die armen Schweine, die man hier einer Gehirnwäsche unterzieht, gar nicht sehen“, sagte ich hastig. „Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Ich möchte nur wissen, warum … Ich meine, woher kommt diese Mischung? Ich meine, wenn die Leute so ängstlich sind, daß sie ihren Verstand nicht mehr gebrauchen können, woher kommt dann dieses andere gute Gefühl in sie rein?“ Die Furcht und Konfusion, die aus dem zweiten Raum kam, verwandelte sich in eine unverständliche Freude. Ich wollte hier raus, bevor es wieder anfing zu brennen. „Zeigen Sie mir den Weg zu dem Lift, der nach unten geht?“
„Hier entlang.“ Der junge Mann mit der weißen Jacke begleitete mich, als ich den angegebenen Weg ging. Er erklärte es mir. „Mit dem Glücksgefühl fingen die Behandlungen in den frühen Fünfzigern an. Elektroden da und dort.“ Er zeigte auf seine Schläfen. „Und hier hinten.“ Er berührte seinen Nacken. „Ein bißchen Saft – zu wenig, um das Gehirn zu schädigen – erzeugt eine Glückserfahrung mit natürlicher Rückkopplung. Daraus werden
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