Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
Vom Netzwerk:
weißem Schmerz zer­fetz­te sie.
    Ich war noch da­bei, mich von den Er­fah­run­gen der an­de­ren Leu­te zu lö­sen, als al­les einen Hö­he­punkt er­reich­te und sich selbst ver­nich­te­te.
    Der uni­for­mier­te Arzt stu­dier­te mei­ne Aus­wei­se.
    Er be­en­de­te ir­gend­ei­nen Satz und war­te­te. Ich stand da, wie leer­ge­fegt.
    „Ver­pas­sen Sie den Leu­ten hier ei­ne Ge­hirn­wä­sche?“ frag­te ich. Ob­wohl die Frau hin­ter der Tür kei­ne geis­ti­gen Vi­bra­tio­nen mehr aus­strahl­te, war sie kei­nes­falls tot. Im­mer noch war da ein Ge­fühl von Le­ben, wie bei ei­nem Tier.
    Der Arzt wech­sel­te un­be­hag­lich das Stand­bein und sah mich an.
    „Die­sen Aus­druck be­nut­zen wir hier nicht. Sie sind jetzt ein Pro­fi. Die rich­ti­ge Be­zeich­nung für die­sen Ort lau­tet Elek­tro­ni­sches Per­sön­lich­keits­re­struk­tu­ra­ti­ons­la­bor. Ge­hirn­wä­sche sa­gen die Lai­en, die von un­se­ren Be­hand­lungs­me­tho­den kei­ne Ah­nung ha­ben.“
    Warum spü­ren bloß die meis­ten Leu­te kei­ne Vi­bra­tio­nen? Er stand ganz fried­lich da, er­zähl­te mir et­was und spür­te nicht das ge­rings­te, wäh­rend ich mich be­müh­te, mei­ne Ge­füh­le zu ei­nem har­ten, klei­nen Kno­ten zu­sam­men­zu­zie­hen und in ei­ner klei­nen Ecke vor den stum­men Schrei­en zu ver­ber­gen, die nun aus ei­nem an­de­ren Raum ka­men. „Wie könnt ihr das nur aus­hal­ten?“
    Der Po­li­zei­arzt ver­stand nicht, daß ich da­mit das Auf­fan­gen von Ge­füh­len mein­te. Er sag­te: „Wir sind nicht grau­sam. Es ist ei­ne wirk­lich hu­ma­ne Be­hand­lung. Wenn ein Pa­ti­ent ver­än­dert wur­de, ist er in der Re­gel da­zu in der La­ge, ein glück­li­ches Le­ben zu fuh­ren. Die­se Be­hand­lung ist die ein­zi­ge, die ver­hin­dert, daß sie Rück­fäl­le er­lei­den und wie­der in den Kreis­lauf von Kri­mi­na­li­tät und Be­stra­fung zu­rück­keh­ren.“
    Die Ge­walt des aus dem zwei­ten ge­schlos­se­nen Raum her­vor­drin­gen­den Schre­ckens ließ mich er­schau­dern. Die­ser Pa­ti­ent war wirk­lich krank. In den meis­ten Näch­ten sei­nes Le­bens hat­te er un­ter schwe­ren Alp­träu­men zu lei­den, aber er brach­te es fer­tig, sie bei Ta­ges­licht zu ver­ges­sen. Die Ma­schi­ne­rie zwang ihn da­zu, sich an sei­ne Alp­träu­me zu er­in­nern. Sie brach­te sie zu­rück und mach­te sie hel­ler als die Wirk­lich­keit. Ich ver­such­te mich von sei­nem Alp­traum zu lö­sen und mich auf das küh­le Ab­bild des Kor­ri­dors und des vor mir ste­hen­den Arz­tes zu kon­zen­trie­ren. „Es ist wie Sex, nicht wahr?“ sag­te ich. „Es steigt hoch und brennt aus.“
    Der jun­ge Arzt sah un­be­hag­lich aus und dreh­te mei­ne Aus­wei­se wie­der und wie­der her­um. „Sie wis­sen ja schon ei­ne Men­ge. Man muß Ih­nen ja schon viel er­zählt ha­ben. Es scheint al­les in Ord­nung zu sein, aber da Sie kei­nen Stan­dard­aus­weis der Po­li­zei­schu­le ha­ben, ist es wohl bes­ser, wenn ich Sie hier her­um­füh­re.“
    „Ich will die ar­men Schwei­ne, die man hier ei­ner Ge­hirn­wä­sche un­ter­zieht, gar nicht se­hen“, sag­te ich has­tig. „Ma­chen Sie sich des­we­gen kei­ne Ge­dan­ken. Ich möch­te nur wis­sen, warum … Ich mei­ne, wo­her kommt die­se Mi­schung? Ich mei­ne, wenn die Leu­te so ängst­lich sind, daß sie ih­ren Ver­stand nicht mehr ge­brau­chen kön­nen, wo­her kommt dann die­ses an­de­re gu­te Ge­fühl in sie rein?“ Die Furcht und Kon­fu­si­on, die aus dem zwei­ten Raum kam, ver­wan­del­te sich in ei­ne un­ver­ständ­li­che Freu­de. Ich woll­te hier raus, be­vor es wie­der an­fing zu bren­nen. „Zei­gen Sie mir den Weg zu dem Lift, der nach un­ten geht?“
    „Hier ent­lang.“ Der jun­ge Mann mit der wei­ßen Ja­cke be­glei­te­te mich, als ich den an­ge­ge­be­nen Weg ging. Er er­klär­te es mir. „Mit dem Glücks­ge­fühl fin­gen die Be­hand­lun­gen in den frü­hen Fünf­zi­gern an. Elek­tro­den da und dort.“ Er zeig­te auf sei­ne Schlä­fen. „Und hier hin­ten.“ Er be­rühr­te sei­nen Nacken. „Ein biß­chen Saft – zu we­nig, um das Ge­hirn zu schä­di­gen – er­zeugt ei­ne Glück­ser­fah­rung mit na­tür­li­cher Rück­kopp­lung. Dar­aus wer­den

Weitere Kostenlose Bücher