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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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al­les über­flu­ten­de, syn­chro­ne Wel­len, ein epi­lep­ti­sches Zu­cken, wie bei ei­nem Or­gas­mus. Es war ei­ne harm­lo­se Sa­che, und die Ex­pe­ri­men­ta­to­ren be­trie­ben sie mit der Be­grün­dung, sie gä­be Auf­schlüs­se über Epi­lep­sie. Man be­zeich­ne­te es als groß­ar­ti­ge Er­fah­rung. Die Be­hör­den hat­ten Angst, es könn­te zu ei­ner Art Sucht füh­ren.“
    Er hielt vor dem Auf­zug an und drück­te den Knopf. „Aber dann fiel ih­nen auf, daß kei­ne der Test­per­so­nen einen zwei­ten Ver­such un­ter­neh­men woll­te. Sie sag­ten zwar, es sei wun­der­voll ge­we­sen, aber der Ge­dan­ke an ei­ne Wie­der­ho­lung schi­en sie zu lang­wei­len. Dräng­te man sie, einen neu­en Ver­such zu ma­chen, oder wur­de man hart­nä­ckig, ga­ben sie sich geis­tes­ab­we­send und un­kon­zen­triert.“
    Wäh­rend wir auf den Lift war­te­ten, gab ich mir al­le Mü­he, sei­nen Wor­ten zu lau­schen, aber das war nicht ein­fach, denn zwi­schen uns war ei­ne Wand aus Grau­en, die in dem zwei­ten Raum er­zeugt wur­de und sich plötz­lich in einen freu­di­gen Hö­he­punkt um­wan­del­te. Dann kam ei­ne al­les über­flu­ten­de, blin­de, sorg­lo­se Ek­sta­se, die in ei­nem Blitz ver­brann­te. Der Arzt re­de­te wei­ter. „For­scher fan­den her­aus, daß die­se Er­fah­rung das ge­sam­te Lust­zen­trum aus­ge­brannt hat­te und die Ver­suchs­per­so­nen kei­nen Drang mehr ver­spür­ten, die­sem Ziel wei­ter­hin nach­zu­ge­hen. Man ver­such­te die Elek­tro­den mit an­de­ren Ide­en zu kom­bi­nie­ren. Man gab ei­ner Test­per­son ei­ne Zi­ga­ret­te und er­zähl­te ihr, sie wür­de den Him­mel auf Er­den er­le­ben, wenn sie sie rauch­te. Das ge­sch­ah auch, und die Test­per­son gab das Rau­chen auf. Ei­ne Zeit lang be­han­del­te man die Leu­te auf die­se Wei­se, um ih­nen das Rau­chen ab­zu­ge­wöh­nen. Dann be­han­del­te man sie so ge­gen Klep­to­ma­nie, und auch das wirk­te. Die Leu­te hör­ten mit dem Steh­len auf. So ra­diert man Ob­ses­sio­nen, Am­bi­tio­nen und die do­mi­nie­ren­den Zie­le aus und stärkt und ver­grö­ßert die nächst grö­ße­ren. Der neue Bur­sche ist der al­te, nur mit ei­ner Hül­le ver­se­hen.“
    Ich sah in sein erns­tes und über­zeug­tes Ge­sicht und er­in­ner­te mich an einen Hau­fen Ge­re­de das gar nicht da­zu paß­te. „Aber al­le sa­gen, daß ein Bur­sche, der ei­ne Ge­hirn­wä­sche hin­ter sich hat, weg­ge­tre­ten, aus­ra­diert und ver­nich­tet ist“, sag­te ich. „Sie ver­ges­sen ih­ren Na­men, mei­den den Um­gang mit al­ten Freun­den und ver­ges­sen ih­re Fa­mi­li­en. Und was die­se Kri­mi­nel­len da hin­ten an­geht: Sie schrei­en. Sie wer­den zwar nicht ge­fol­tert, aber sie schrei­en auch nicht ge­ra­de vor Freu­de.“
    Der Arzt sah miß­ge­stimmt aus und sah sich um, als su­che er auf dem Bo­den nach Ide­en. „Wir wis­sen nicht, ob sie schrei­en. Die Wän­de sind schall­dicht. Aber wir ha­ben auch nicht vor, ih­nen den Auf­ent­halt hier an­ge­nehm zu ma­chen. Wir ver­än­dern ver­ur­teil­te Kri­mi­nel­le, die wü­tend auf uns sind und Angst vor Be­stra­fung ha­ben. Der Strom sta­chelt ih­ren Haß an und baut ihn auf, bis er eli­mi­niert wird. Viel­leicht wa­ren Be­stra­fun­gen die Ur­sa­chen ih­rer Kri­mi­na­li­tät. Die meis­ten Kri­mi­nel­len sind zu oft oder zur falschen Zeit be­straft wor­den; sie bre­chen Ge­set­ze, weil sie von Haß er­füllt sind. Der Strom bringt ih­re Angst und Wut zum Über­ko­chen und löscht sie dann aus. Manch­mal ra­diert er so­gar sämt­li­che Er­in­ne­run­gen aus, wenn Furcht und Angst den Kern ei­ner Per­sön­lich­keit aus­ma­chen.“
    „Viel­leicht soll­te man die Leu­te, die da­für ver­ant­wort­lich sind, auch die­ser Be­hand­lung un­ter­zie­hen.“
    „Viel­leicht; aber schließ­lich ist der Kri­mi­nel­le kri­mi­nell, nicht sei­ne El­tern. Das Ge­setz be­straft einen für das, was man tut; nicht für das, was ei­nem an­ge­tan wur­de.“
    Der Lift kam lang­sam hoch und be­weg­te sich an den vie­len Stock­wer­ken vor­bei.
    „Hört sich nicht schlecht an“, sag­te ich. „Warum er­zäh­len die Leu­te dann sol­che Ge­schich­ten? Ich mei­ne, warum ha­ben sie so

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