Der Esper und die Stadt
alles überflutende, synchrone Wellen, ein epileptisches Zucken, wie bei einem Orgasmus. Es war eine harmlose Sache, und die Experimentatoren betrieben sie mit der Begründung, sie gäbe Aufschlüsse über Epilepsie. Man bezeichnete es als großartige Erfahrung. Die Behörden hatten Angst, es könnte zu einer Art Sucht führen.“
Er hielt vor dem Aufzug an und drückte den Knopf. „Aber dann fiel ihnen auf, daß keine der Testpersonen einen zweiten Versuch unternehmen wollte. Sie sagten zwar, es sei wundervoll gewesen, aber der Gedanke an eine Wiederholung schien sie zu langweilen. Drängte man sie, einen neuen Versuch zu machen, oder wurde man hartnäckig, gaben sie sich geistesabwesend und unkonzentriert.“
Während wir auf den Lift warteten, gab ich mir alle Mühe, seinen Worten zu lauschen, aber das war nicht einfach, denn zwischen uns war eine Wand aus Grauen, die in dem zweiten Raum erzeugt wurde und sich plötzlich in einen freudigen Höhepunkt umwandelte. Dann kam eine alles überflutende, blinde, sorglose Ekstase, die in einem Blitz verbrannte. Der Arzt redete weiter. „Forscher fanden heraus, daß diese Erfahrung das gesamte Lustzentrum ausgebrannt hatte und die Versuchspersonen keinen Drang mehr verspürten, diesem Ziel weiterhin nachzugehen. Man versuchte die Elektroden mit anderen Ideen zu kombinieren. Man gab einer Testperson eine Zigarette und erzählte ihr, sie würde den Himmel auf Erden erleben, wenn sie sie rauchte. Das geschah auch, und die Testperson gab das Rauchen auf. Eine Zeit lang behandelte man die Leute auf diese Weise, um ihnen das Rauchen abzugewöhnen. Dann behandelte man sie so gegen Kleptomanie, und auch das wirkte. Die Leute hörten mit dem Stehlen auf. So radiert man Obsessionen, Ambitionen und die dominierenden Ziele aus und stärkt und vergrößert die nächst größeren. Der neue Bursche ist der alte, nur mit einer Hülle versehen.“
Ich sah in sein ernstes und überzeugtes Gesicht und erinnerte mich an einen Haufen Gerede das gar nicht dazu paßte. „Aber alle sagen, daß ein Bursche, der eine Gehirnwäsche hinter sich hat, weggetreten, ausradiert und vernichtet ist“, sagte ich. „Sie vergessen ihren Namen, meiden den Umgang mit alten Freunden und vergessen ihre Familien. Und was diese Kriminellen da hinten angeht: Sie schreien. Sie werden zwar nicht gefoltert, aber sie schreien auch nicht gerade vor Freude.“
Der Arzt sah mißgestimmt aus und sah sich um, als suche er auf dem Boden nach Ideen. „Wir wissen nicht, ob sie schreien. Die Wände sind schalldicht. Aber wir haben auch nicht vor, ihnen den Aufenthalt hier angenehm zu machen. Wir verändern verurteilte Kriminelle, die wütend auf uns sind und Angst vor Bestrafung haben. Der Strom stachelt ihren Haß an und baut ihn auf, bis er eliminiert wird. Vielleicht waren Bestrafungen die Ursachen ihrer Kriminalität. Die meisten Kriminellen sind zu oft oder zur falschen Zeit bestraft worden; sie brechen Gesetze, weil sie von Haß erfüllt sind. Der Strom bringt ihre Angst und Wut zum Überkochen und löscht sie dann aus. Manchmal radiert er sogar sämtliche Erinnerungen aus, wenn Furcht und Angst den Kern einer Persönlichkeit ausmachen.“
„Vielleicht sollte man die Leute, die dafür verantwortlich sind, auch dieser Behandlung unterziehen.“
„Vielleicht; aber schließlich ist der Kriminelle kriminell, nicht seine Eltern. Das Gesetz bestraft einen für das, was man tut; nicht für das, was einem angetan wurde.“
Der Lift kam langsam hoch und bewegte sich an den vielen Stockwerken vorbei.
„Hört sich nicht schlecht an“, sagte ich. „Warum erzählen die Leute dann solche Geschichten? Ich meine, warum haben sie so
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