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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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muß ohne Frankreich auskommen, Hoheit - ohne die Türkei jedoch kann ich nicht leben.“
    Ali Pascha nahm den Schlegel eines Gongs.
    „Sie sind ein gefährlicher Mensch, Graf“, sagte er, „und nur auf zweierlei Weise kann man mit Ihnen verfahren. Entweder man beseitigt Sie oder - man macht Sie zum Pascha.“
    Ali schlug den Gong, die Flügeltür öffnete sich zum großen Saal, in dem die Würdenträger und Leibwachenoffiziere des Großwesirs standen. Die Tschausche begannen im Chor den Alkisch, den Segenswunsch, und Ali zeigte auf einen Mirulaalem, einen Fahnenträger, der den Tugh, den Stab mit den Roßschweifen, hielt.
    „Komm, Bruder Pasdia“, sagte Ali, „nimm deinen Tugh.“
    Als Bonneval hinter seinem ihm vorangetragenen Tugh, umgeben von einer berittenen Ehren-Oda der großwesirlichen Leibwache den Palasthof verließ, mußte ein anderer Zug sich auf die Seite begeben und warten. Es war die Karosse des Herrn von Villeneuve mit Läufern und Kawassen.
    Grüße wurden nicht ausgetauscht. Die Herren kannten sich nicht.

25
    Ahmeds III. lange Regierung war eine ständiger Feste gewesen, die unter Sultan Mahmud eingestellt worden waren. Mit um so größerem Aufwand wurde das der Geburt des Propheten gefeiert, weil es das Fest war, in dessen Mittelpunkt der Kislar Aga stand.
    Mit einem zahlreichen Gefolge von Eunuchen und Palastwachen aller Grade eröffnete er es noch vor dem Eintreffen des Padischahs, und erst, nachdem der Monarch ohne Begleitung und ganz schlicht ins Serail zurückgekehrt war, schloß es der Kislar, um mit noch größerem Gepränge und unter feierlichem Vorantritt des Janitscharenaga sich ebenfalls ins Haus der Glückseligkeit zu begeben. Zweitausend Lampen brannten in der Moschee auf Befehl des höchsten Würdenträgers des Hofes, des Präfekten des kaiserlichen Harems und der Hareme von Mekka und Medina, und dieses Fest, dessen Gastgeber er war, war ausschließlich das seine.
    An diesem Tage mußte sogar der Kaiser, geschweige denn jeder
    andere, zugunsten des Kislars auf Auszeichnungen und Ehrengeleit verzichten. Alle ehrten ihn, und keiner wurde geehrt außer ihm. Vielerlei begab sich zwischen Eintritt und Austritt.
    Zu beiden Seiten des Altars saßen auf hohen Polstern der Großwesir und der Mufti, auf der rechten Seite des Großwesirs die Wesire der Kuppel, die Herren des Diwans und der Janitscharenaga - auf der linken des Mufti die Oberstlandrichter, die Molla, die Muderrise und Kadi. Vor ihnen und von ihnen begrenzt, mit dem Rücken zum Altar und dem Gesicht zur Empore des Sultans, befanden sich die Herren der Kammer und der Gerichtsbehörden, der Minister des Auswärtigen und der Reichsmarschall. Einen besonderen Vorzug genoß der Emir der Propheten-Abkömmlinge, der Seid. Er saß unter einem grünen Zelt in der Nähe der Kanzel, hinter ihm der Zeremonienmeister und der Leibwachenhauptmann des Großwesirs, dahinter wieder, neben der Kanzel des Freitagsredners, die Generalleutnante der Janitscharen. Zwei Reihen von Janitscharen waren es auch, die diese hohe Versammlung vom Volke trennte.
    Fast unbemerkt erfolgte der Eintritt des Padischah, der in jedem andern Fall einem Sonnenaufgang geglichen hätte. Nur daß der Festgeber selbst seinen erhabenen Gast auf die Empore geleitete. Dort reichten Schwertträger und Tschokadar Aloe und Rosenwasser, während unten die Baltadschi des Kislar die erlauchte Versammlung mit Düften besprengten.
    Dann erst begann der Hymnus auf den Propheten, ehe das eigentliche Geburtsgedicht von Sängern, die sich ablösten, gesungen wurde. Das Zuckerwerk und der Scherbet der Baltadschi erquickte indessen alle, bis sich die ganze Versammlung bei der allerheiligsten Stelle von der Geburt des Propheten erhob. Dieser Akt der Verehrung war zugleich das Zeichen für die Antwort des Scherifen von Mekka auf das großherrliche Schreiben, das der Emirol Hadsch, der Führer der jährlichen Pilgerkarawane zum Ort der Kaaba, gebracht hatte. Mit schwarzem Musselin war der Turban des Boten umwunden und mit einem Reiher geschmückt, das Schreiben selbst befand sich in einem Beutel aus grünem Atlas. Als erster erhielt ihn der Großwesir, der ihn dem Außenminister gab. Unter Vorantritt des Hofmarschalls nahte sich der Beglückte mit dem Freudenbrief der Empore und dem Kislar Aga. Der Glückseligen höchster Betreuer reichte ihn endlich dem Sultan, der ihn zurückgab, worauf ihn der Reis Efendi, der Außenminister, zur Aufbewahrung im kaiserlichen Archiv erhielt. Wahrlich ein

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