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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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sich in anderthalb Jahrhunderten nicht mehr erholen konnte. Heute muß eine Armee so geschmeidig sein, daß sie sich allen örtlichen Verhältnissen anpassen kann, die sie beim Zusammenstoß mit dem Feind antrifft.“
    „Sie sind sich klar über das, was Sie sagen?“
    „Vollkommen klar, Hoheit.“
    „Was auch der Kriegsschauplatz sein sollte: Serbien oder die Donaumündung - in jedem Fall brauchten wir eine grundlegende Umgestaltung unserer Heeresverfassung. Das meinen Sie doch?“
    „Nichts anderes.“ „Sie haben die Janitscharen nicht vergessen?“
    „Ich bin mir der Schwierigkeiten bewußt, die sie bereiten werden. Aber vielleicht ist es gut zu wissen, daß sich nodi vor meiner Bekehrung in Serajewo stets etwa dreißig Janitscharen ohne Befehl aus eigener Entschließung zusammenfanden, um midi bei meinen Gängen zum Pascha und zurück in mein Quartier zu beschützen und zugleich dem Pascha zu zeigen, daß sie es nicht ruhig mit ansehen würden, wenn mir, dem Gast ihres Padischahs, etwas zustieße.“
    „Also regelrechte Empörung.“
    „ Iich habe diese Begleitung auf eine Order zurückgeführt und die Zusammenhänge erst später erfahren.“
    „Und jetzt möchten Sie andeuten, daß man auch bei den Janitscharen mit einigen Ihrer Reformen durchdringen würde. Ich verstehe Sie sehr gut, Aga. Zu gut vielleicht. Wenn Ihnen aber alles so klar ist, so wissen Sie sicher auch, wieviel Zeit diese Umgestaltung in Anspruch nehmen würde.“
    „Mehrere Jahre.“
    „Und das sagen Sie so ruhig? Sie jedenfalls sollten doch wissen, daß wir anläßlich der polnischen Königswahl nächstes Jahr Krieg zu erwarten haben.“
    „Die christlichen Mächte haben ihn zu erwarten. Was uns betrifft, so brauchen wir uns nodi nicht zu schlagen.“
    „Auch nicht, wenn es Seile an Seite mit Frankreich geschähe?“
    „Audi dann nicht, Hoheit. Ich glaube sogar an Frankreichs Sieg; aber der würde uns Belgrad kaum wiedergewinnen. Frankreich versteht sich auf Friedensschlüsse, die ihm nützen, während es sich um uns bei solchen Gelegenheiten kaum verdient gemacht hat. Übrigens ist es auch weit wichtiger als jeder Gebietsgewinn, den wir fremden Waffen verdanken, daß wir selbst keine weiteren militärischen Schlappen erleiden. Sie könnten das Selbstvertrauen unserer Truppen schwächen. Dem Krieg brauchen wir nicht nachzulaufen. Er kommt ganz von selbst zu uns.“
    „Das wäre dann ein Krieg, in dem wir allein ständen“, sagte der Großwesir.
    „Ein Krieg, für den wir uns geschont haben und gerüstet sind, wenn er da ist, ein Krieg mit einer österreichischen Armee, die von den Franzosen am Rhein geschlagen wurde, und für die der Kriegsfaktor Oppenheimer kaum das Notwendigste an Proviant, Munition, Pferden und vor allem an Sold wird auftreiben können.“
    Der Großwesir erhob sich, und so stand auch Bonneval.
    „Graf Bonneval“, sagte Ali mit einem Ernst, der einer Drohung nicht fern war, „Sie haben sich auch nach Ihrer Bekehrung, wie Sie Ihren Übertritt zu nennen belieben, zu oft und zu laut als Franzose bezeichnet, als daß ich Ihnen glauben kann. In allen Ihren Vorträgen und Vorschlägen haben Sie sich für den Krieg in Gemeinschaft mit Frankreich eingesetzt, und nun, da sein Ausbruch unmittelbar bevorsteht, sagen Sie nein?“
    Bonneval mußte an jene junge Dame denken, deren Legitimation seine von ihr vorausgesagte Ernennung zum Chef der Bombardiere gewesen war. Er kannte die Quelle ihrer Ratschläge nicht; aber er war zu eigenwillig und zu unerschrocken, um nicht ganz anders zu handeln, wenn er zu einer entgegengesetzten Überzeugung gekommen wäre. Den letzten Zweifel aber hatte dieses Gespräch mit dem Großwesir beseitigt. Es gebe also jemand, fragte er sich, der weiter vorausschaue als er selbst? Ihm jedenfalls danke er es, daß er jetzt Ali Pascha eine Antwort geben könne.
    „Darf ich Hoheit darauf aufmerksam machen“, sagte er, „daß ich stets einem Bündnis mit Frankreich das Wort geredet habe und das auch jetzt noch tue, einem schriftlichen Vertrag, in dem die Krone Frankreichs der Pforte als Mindestgrenze Belgrad, Serbien, die kleine Walachei garantiert und sich verpflichtet, nicht vor der Erfüllung dieser Garantie die Waffen niederzulegen. Frankreich will aber etwas ganz anderes.“
    „Sollten Sie auf so kleine Unterschiede so großen Wert legen? Ihr Vaterland braucht uns, Graf Bonneval.“
    „Hilfsheere, die nidits kosten, werden immer gebraucht. Frankreich macht keine Ausnahme. Iich aber

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