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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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langer Weg für ein Schreiben, das nicht gelesen wurde.
    Dafür legte der Kislar Aga sich selbst einen Zobelpelz an, wie ihn nicht einmal der Padischah trug, und ließ die drei Sänger mit Ehrenkaftanen bekleiden.
    Ein kurzes Gebet beschloß die Feier. Die Tassen mit Zuckerwerk wurden den Herren ins Haus gebracht.
    Beschir war keineswegs müde, obwohl er nach dem Ablegen seines Zobelpelzes von seinem Recht Gebrauch machte, sich in eine Unerreichbarkeit zurückzuziehen, in der ihn auch der Padischah und nicht einmal die Walide zu stören pflegte. Die allerhöchsten Herrschaften hatten geruht, ihm bereits vor dem Festakt Glück zu wünschen, ebenso wie einige wenige besonders ranghohe Angehörige des Serails. Die Zahl der andern, die sich begnügen mußten, ihre gute Gesinnung schriftlich und durch Geschenke zu beteuern, ging in die Tausend. Wenn der Kislar selbst es nicht anders wollte, war sein Tagewerk nunmehr vollbracht. Allerdings wäre er, wo er sich immer gezeigt hätte, Mittelpunkt und geehrter Gast gewesen.
    Aber er zeigte sich nicht. Er war einfach nicht mehr da, und es gab Leute, die sich immer noch wunderten, daß ein Mensch von der Unverkennbarkeit des Kislar jederzeit, wenn es ihm so beliebe, spurlos verschwinden könne. Und nun hatte es ihm beliebt. Bis zu den Süßen Wassern jenseits des Goldenen Horns war immerhin ein recht weiter Weg.
    Es gab Dinge, die der Kislar aus Furcht, sich zu verraten, kaum mit seinen Gedanken berührte. Ein Durchschnittsmensch mit der starken Seite einer Vergeßlichkeit für unangenehme Dinge hätte seinen Anteil an der Entfesselung des Aufstandes, die Aufopferung eines Kaisers und den Tod eines Mannes wie Ibrahim, einfach zu vergessen versucht. Beschir vergaß nicht. Aber um sich in der Form von Gewissensbissen“ zu erinnern, war er zu klar. Er drückte sich keineswegs vor dem Stuhl seines strengsten Richters, und das war er selbst; aber das Verfahren war noch im Gange, die Zeit für ein Urteil noch nicht gekommen. Kaum ein Opfer wäre zu groß gewesen, falls der unver meidliche Krieg gewonnen werden würde. Im andern Fall freilich hätte er ein unsühnbares Verbrechen auf sich geladen, und er war nicht der Mensch, sich mit seinen guten Absichten rauszureden.
    Er mußte lachen. Wie war er nur darauf gekommen? Ach so, ja! Die Süßen Wasser. Im Augenblick waren sie sein Ziel - ein etwas unheimliches Ziel für jeden, der nicht Beschir war.
    Nichts Lieberes hätten ihm Patrona Chalil und dessen Kerle antun können, als die hochherrschaftlichen Landhäuser seiner früheren Nachbarn zu zerstören. Jetzt saß er inmitten eines Ruinenfeldes ... allein. Er hatte zu beiden Seiten seines Landhauses sich billig weiter Strecken versichert. Jetzt besaß er die ganze Bucht mit den davorgelagerten fünf Inseln. Sie durch Unterwassergatter mit dem Ufer und untereinander so zu verbinden, daß nicht einmal ein Schwimmer, geschweige denn ein Boot hindurch konnte, war nicht schwergefallen und ebensowenig, davor die erdebeschwerten Flöße zu verankern, auf denen jetzt die grüne Wand der dichten Sträucher wuchs. Die kilometerlange, stachelbewehrte, hohe weiße Mauer entlang des Weges nach Kagadchane und die beiden Mauern vom Weg bis zum Fluß hatten mehr gekostet, als ihm lieb gewesen war. Aber diese Mauern umhegten nicht nur ein Trümmerfeld, das er wild überwachsen ließ, sondern sie wehrten jedem Blick vom Lande, wie es die Inseln und das Grün von der Wasserseite taten. Zwischen diesen sicheren Grenzen hatte Beschir seine Wildnis, in der er sich selbst und nur sich gehörte, und in ihr mit seinem in Gärten gebetteten Haus ein Märchenschloß in der Wüste.
    Man hätte annehmen können, das Haus sei von Stummen bewohnt. Mit über der Brust gekreuzten Armen wurde der Gebieter empfangen, mit Verbeugungen sein unscheinbarer Esel fortgeführt und sein weiter Kapuzenmantel, den er beim Betreten des Hauses abwarf, aufgefangen. Umziehen brauchte er sich nidit. Er war bereits in einer dunkelblauen Galabieh, einem Hauskleid ohne Verbrämung und Stickerei mit einem Gürtel von gleicher Farbe. So begab er sich in die hellerleuchteten Räume. Beschir liebte kein Halbdunkel, was nicht hinderte, daß die zahllosen Lampen in Farben- und Lichtwirkung sorgfältig aufeinander abgestimmt waren. Ohne jede Grelle schwammen die Gemächer im farbigen Licht.
    Jetzt betrat er einen Saal, der nur wenige Stufen über dem Garten lag. Die breiten Fenster verbargen sich hinter Vorhängen aus kirschrotem Damast,

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