Der Eunuch
hellgelber Marmor bildete den Fußboden und die Pfeiler. Frei von Möbeln lud der Raum zum Tanzen ein. Nur einige Kissen lagen wie hingestreut auf den in die Wände eingelassenen Bänken.
Doch Beschir verweilte nicht. Er ging auf eine hohe und breite Doppeltür zu, die danach aussah, als seien ihre Flügel schwer zu öffnen. Er aber legte nur leicht die Hände an sie, als wollte er sie beschwören. „Dort sind Ihre Mädchen nicht“, sagte eine weibliche Stimme.
Das war ein dreister Überfall. Beschir hatte geglaubt, allein zu sein. Trotzdem antwortete er gelassen, als befinde er sich mitten in einem Gespräch. Er wandte sich nicht einmal um.
„Sahen Sie hier Mädchen?“
„Einige. Am liebsten, glaube ich, hätten sie mich hinweggefaucht. Aber Ihr Zauberschlüssel, Beschir, den zur äußeren Westpforte . . .“ „Sie bekamen ihn von mir für den Fall, daß Sie einen Zufluchtsort brauchten. Brauchen Sie einen? Und vor wem?“
Jetzt erst sah Beschir sich nach ihr um. Ein wenig beruhigte es ihn, daß sie ganz in Schwarz war. Mit Kopftuch, Gesichtsschleier und Mantel hatte sie auf der Straße nicht auffallen können.
„Vor wem sind Sie geflüchtet?“ nicht ganz ohne Besorgnis wiederholte er seine Frage.
„Vor meiner alten Feindin. Sie kennen sie doch. Vor der Langeweile! “ sie lachte laut. „Und ich bereue es gar nicht, hergekommen zu sein, so wenig gastfreundlich Sie auch sein mögen.“
Beschir aber wollte wissen ob etwas Unerwartetes geschehen sei, worauf sie ihn einen Griesgram nannte. Nichts habe sich ereignet, erklärte sie, nicht das Geringste, was beunruhigen könnte.
„Und Elena Gika?“ warf er hin. „Bedenken Sie doch, Julienne, welche Mühen es gekostet hat, eine verbrieft echte Maurocordato aus Ihnen zu machen. Eine bessere Stütze als den Fanar könnten wir nicht für Sie finden. Sie waren selbst dieser Meinung, und Ihre Freundschaft mit der Gika —“
„Lassen Sie Elena. Es ist doch nicht zu vermeiden, daß ich sie hin und wieder allein lassen muß. Zu sehr verwöhnen darf ich sie nicht, sonst gäbe es in solchen Fällen jedesmal ein Geschrei. Das könnten Sie sich doch selbst sagen.“
„Darum weiß ich aber immer noch nidit, was Sie bei einem alten Eunuchen wollen“, meinte Beschir.
„Glauben Sie, daß ich bei einem jungen Eunuchen besser aufgehoben wäre?“ fragte Julienne spitzmündig dagegen. „Ich finde es sehr ungesellig von Ihnen, daß Sie mich niemals so richtig eingeladen haben. Dieser Saal hier fordert zum Tanzen heraus. Meinen Sie, ich könnte nicht tanzen?“
„Sie verstehen sehr gut, Julienne. Ich finde, daß mein Harem nicht der passende Aufenthalt für eine Nachkommin von Königen . . .“
Sie unterbrach ihn.
„Die Hauptsache ist, daß der Nachkommin von Königen dieser Aufenthalt paßt. — Wissen Sie, Beschir, ich habe schon einige alte Tanten gekannt; aber eine wie Sie noch nicht. Woher sind Sie eigentlich?“ „Ich bin ein abessinischer Sklave und wurde für dreißig Piaster gekauft.“ Das sagte ein Mann, der viele Millionen Golddukaten sein eigen nannte. „Das weiß ich“, fuhr er fort, „aus dem Register des kaiserlichen Harems, und das ist ziemlich genau. Erinnern kann ich mich nicht. Es würde meine Eitelkeit befriedigen, Ihnen sagen zu können, ich sei zwecks Bereinigung einer amharischen Erbfolge weggegeben worden. Aber nehmen wir lieber an, daß meine Mutter midi verkauft hat, um den Hunger ihrer anderen Kinder zu stillen. Sie sehen also, meine Teure, daß Sie mit Ihrer Eigenschaft als Bastard auf mich gar keinen Eindruck machen können.“
„Bastard genügt Ihnen nicht? Sie sind schwer zu befriedigen, Beschir. Dabei habe ich außer meinem Geburtsfehler noch ein vorbildlich schlechtes Benehmen aufzuweisen. Sie sagten es selbst, und sicher finden Sie es auch wieder unpassend, wie ich Ihrem heiligen Franz -idi meine den Fürsten Rakoczy — zugesetzt habe?“ „Beunruhigen Sie sich seinetwegen nicht, Julienne. Sie haben auch einmal Politik machen wollen und gar keine schlechte. Nur daß Rakoczy der letzte ist, mit dem sie zu machen wäre.“
„Das habe ich gemerkt! Ich werde ihn bestimmt nicht mehr
sprechen.“
„Im Gegenteil! Er wird alles daransetzen, Sie wiederzusehen.“ „Mich?“ Julienne war ehrlich erstaunt. „Warum?“
„Um Sie zu bekehren. Er dürfte finden, daß es sich bei einer so großen Sünderin, wie Sie es sind, lohnt. Am liebsten würde er dazu noch sämtliche Moslemin zu Katholiken machen - natürlich zu
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