Der Eunuch
und besaß einige hundert mehr oder weniger kostbare Uhren. Es war überhaupt die Frage, ob die Türen nicht deswegen so schwer gehalten waren, um einer Mechanik zu bedürfen.
Julienne sah hinter der weiten Öffnung eine spiegelnde Bodenfläche. Es kam ihr vor, als schwebe sie. Sie trat näher.
„Aber das ist ja ein Bad“, sagte sie erstaunt, „ein richtiges, großes Schwimmbad. Ich gestehe: bei Ihnen ist es nicht langweilig. Jedenfalls nicht für mich, während ich durch meinen Überfall eine Enttäuschung verursacht habe, und zwar Ihnen, mein Freund. Geben Sie es zu, Beschir, daß Sie den Lärm vermißten, als Sie bei Ihrem Eintreten sogleich die Türen öffnen wollten. Sie erwarteten Ihre Mädchen hier anzutreffen. Offenbar habe ich liebgewordene Gewohnheiten durchbrochen; aber reden Sie mir nicht von Ihrem Alter. Ich glaube es Ihnen nicht. Jetzt schon gar nicht!“
„Dann verschließen Sie sich den Tatsachen.“
„Tatsachen? Iich zähle Ihre Jahre nicht. Ich weiß, daß Sie leben, und wenn Sie etwa glauben, daß ich nun wenigstens so taktvoll sein werde, um schleunigst zu verschwinden — dann irren Sie sich gewaltig. Sie tun mir leid, Beschir; aber ich habe auch meine Gepflogenheiten, und mit denen dürften Sie, wie ich vermute, ein wenig vertraut sein. Sie Armer! Von den Süßen Wassern bis zum Fanar ist ein weiter Weg, und den bei Nacht zurück . . .? Schlagen Sie sich das nur aus dem Kopf. Daraus wird nidits.“
Leicht fiel es dem Kislar gar nicht, sich in diesem Augenblick so steif zu verneigen, wie er das für notwendig hielt.
„Mein Haus gehört Ihnen, solange Sie darin zu verweilen geruhen.“ Inzwischen waren Juliennes Augen nicht müßig gewesen. Mit Andacht hatte sie das Bad betrachtet. Es war auch sehenswert. Die Abmessungen waren weit größer, als die des Saales, und nach der Verfärbung der rosa Kacheln mit zunehmender Tiefe zu urteilen, konnten sich nur Leute, die der Kunst des Schwimmens vollständig mächtig waren, dem Becken anvertrauen. Beschir könne also schwimmen, dachte Julienne. Doch was könne er nicht? Die Wände waren von jenem hauchzart getönten, grünlichen Marmor Lakoniens, in den venezianische Spiegel eingelassen waren... Schön! sagte Julienne und die Wirkung der Spiegel könne sie sich recht hübsch denken. „Was ich von Ihren Mädchen sah, war nicht häßlich, Beschir. Aber wie wäre das auch möglich - ein Ästhet wie Sie!“ Immer ausgelassener wurde Julienne. „Und das gehört mir, solange ich darin zu verweilen geruhe? Oh, ich geruhe, Beschir, ich geruhe sehr. Sie sind leichtsinnig, Beschir. Denn besonders in diesem Bade gedenke ich zu verweilen. Daß ich Tanzen könne, bemerkte ich schon. Aber ich kann auch Schwimmen. Sie haben Pech, Beschir, ich kann. Ich habe es in der Donau gelernt, und die hat bei Ofen herum noch ein ganz tüchtiges Gefälle.“
„Sie wollen also wirklich, Julienne?“ fragte Beschir mit beflissener Höflichkeit.
„Sie hätten Grund zu fragen, wenn ich nicht wollte.“
„Dann gestatten Sie wohl, daß ich mich zurückziehe, Julienne, und Ihnen statt meiner einige Mädchen zu Ihrer Gesellschaft sende?“ „Beschir!!“
Schon nach dem Bettgespräch mit Elena hatte sie sich vorgenommen, das Geschlechtswesen Beschir zu ergründen. Bestärkt wurde sie in dieser Absicht noch durch eins jener Ereignisse, die ebenso häufig Vorkommen, wie sie selten bekannt werden. - Vor wenigen Tagen hatte die junge und schöne Frau eines großen Paschas durch dessen Eifersucht ihr Leben verloren. Der eigentliche Mörder aber war — und deswegen vor allem ging die Begebenheit Julienne an - ein eben-falls junger, intriganter Eunuch, der mit seinen Liebesanträgen von der Herrin abgewiesen worden war. —
Es gab also Eunuchen als Liebhaber, und eine Haremsdame ihrer Bekanntschaft hatte über die Frage nur ihr Erstaunen ausdrücken können und zugleich Treue und Zuverlässigkeit der Unfruchtbaren zu rühmen gewußt. Jetzt aber, da alles - Schwimmbecken, Einsamkeit und völlige Losgelöstheit von der übrigen Welt - sich anbot, wollte dieser Beschir sich ihr entziehen? Also doch ein Mann! dachte Julienne, und das sollte beileibe kein Lob sein.
Sie stand gerade hinter einem Wandschirm, der aus Platten in kostbarer Emailarbeit zusammengesetzt war und sah, wie er mit einer Beschwingtheit, die sie empörte, dem Gong zustrebte, um seine Drohung wahrzumachen. „Sie Feigling!“ rief Julienne ihm nach.
Er blieb stehen.
„ Iich scheine das Unglück zu haben,
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