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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Klosterfrau, die sich laut Zeugnis mit dem Siegel der Igumena vom Kloster der allerheiligsten Panagia von Fanar als Mutter Theodota und Kanonissin gleichen Klosters auswies. Die Genannte befindet sich dem Anschein nach in einem Alter Mitte der zwanziger Jahre und kam in geziemender Begleitung einer älteren Laienschwester mit der Post aus Konstantinopel nach Belgrad, um bei mir eine Audienz nachzusuchen, die ich gewährte. Was die Kanonissin mir eröffnete, scheint eine Nachprüfung zu recht-fertigen, die ohne Zustimmung Eurer Hoheit allerdings nicht eingeleitet werden kann, und die auch kein anderer durchführen lassen könnte, als Euer Hoheit selbst. Mutter Theodota behauptet nämlich nichts Geringeres, als die illegitime Tochter von Euer Hoheit Schwester, der hochfürstlichen Dame von Soissons, zu sein und, mit dem Namen Juliana de Promontor zur Baronin des Römischen Reiches erhoben, unter Euer Hoheit erlauchtem Schutz im Schloß Promontor gelebt zu haben, bis sie von dort durch Banditen in die Türkei verschleppt worden sei.
    Natürlich ermangelte ich nicht, weitere Fragen an die geistliche Frau zu richten, in der Euer Hoheit Nichte zu sehen ich mir notgedrungen Vorbehalten mußte. Iich erhielt jedoch jedesmal die Antwort, daß sie sich nur Euer Hoheit selbst anvertrauen wolle . . .'
    Aus vielen großen und kleinen Teilen setzte sich das Mosaik von Beschirs Macht zusammen, und er vernachlässigte selbst den kleinsten nicht, weil er zum Erreichen seiner Ziele einer stets lückenlosen Macht bedurfte. Ihre wichtigste Grundlage war die Zustimmung Mahmuds und der Kaisermutter zu seiner Politik. Er besaß sie und war sich dessen bewußt, hätte es aber für unverzeihlich gehalten, wenn er mit den allerhöchsten Herrschaften, sobald sie dazu geneigt waren, nicht ständig die jeweilige Lage mit ihren Fortschritten und Rückschlägen besprochen hätte. Da er sich auf Gespräche mit Damen verstand und vor trockenen Vorträgen hütete, ergaben sich unterhaltsame Plaudereien, die zu Fragen anregten, auf die er antworten konnte, und stets hielt er heitere Geschichten bereit, kleine unpolitische Begebenheiten, die er zum Ergötzen von Mutter und Sohn einflechten konnte. Keinen von den Großwesiren gab es, der eine Walide zu sehen bekam, höchstens einmal als Angeheirateter der kaiserlichen Familie. Selbst ein Vortrag bei Seiner Majestät war für Großwesire ein Unternehmen mit Prunkentfaltung, das der Reichsgeschichtsschreiber in seinen Annalen erwähnte. Niemand hatte einen so leichten und selbstverständlichen Zugang zum Ohr der Herrscher wie Beschir. Das war die Möglichkeit eines jeden Kislar Aga, auch dann, wenn er nicht einen so souveränen Gebrauch davon zu machen verstand wie der gegenwärtige, der mehr zu den allerhöchsten Herrschaften gehörte als alle Prinzen und Prinzessinnen des kaiserlichen Hauses. Sogar eine Tasse Kaffee wurde ihm aufgenötigt, wenn er mit Aigische Sultana allein war.
    Jetzt war er mit ihr allein. Aigische hatte sich mit dem Freund vieler Jahre in einen kleinen Raum zurückgezogen, den sie mit Vorliebe für vertrauliche Gespräche aufsuchte. Ihr Gefolge wußte dann, daß sie nicht gestört werden wolle.
    Beschir hatte von der neuen Pariser Haarmode berichtet. Sie lege den Damen statt der zurückgekämmten Frisur eine Löckchenfülle auf, die aus dem Eigenwuchs nicht immer leicht zu beschaffen sei.
    Die arme Marquise Villeneuve! hatte Aigische gesagt, und sie sei neugierig, wie sich die Dame wohl aus der Verlegenheit ziehen werde.
    Ergiebiger noch war Beschirs Neuigkeit gewesen, daß Ludwig XV. von Frankreich, dieser schöne junge Mann, nun schließlich doch seine Unschuld verloren habe. Die frömmelnde Leszcinska, seine Frau, habe es zu sehr mit der Keuschheit gehalten und darüber ihren Mann verloren. Jetzt sei durch Vermittlung des Herzogs von Richelieu eine Gräfin Mailly Ludwigs erste Mätresse geworden, eine Frau, gerade in dem richtigen, reiferen Alter, um einen Unerfahrenen wie Ludwig in die Liebeskunst einzuführen.
    Als Beschir das sagte, war er auch schon überzeugt, einen Fehler begangen zu haben. Er wisse es und hätte es berücksichtigen sollen, daß eine besorgte Mutter alles auf ihre Kinder beziehe, in diesem Fall auf ihren Sohn, und das sei der Padischah. Aber alle seine Bemühungen, die Walide von dem Thema abzulenken, schlugen fehl. Beharrlich steuerte sie ihr Ziel an. Denn sie hatte eins.
    Indem sie auf die Leszcinska zurückkam, verwunderte sie sich zuerst über die

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