Der Eunuch
Würdenträger auf diese Weise. Das gleiche galt von den weiblichen Gästen seiner Mutter oder anderer Sultaninnen und Herrinnen des Serails. Mahmud konnte also unbedenklich eindringen, obwohl Beschirs Landhaus dessen Harem enthielt. Was verschlug es, einem schleierlosen Mädchen zu begegnen, wenn der Fremde der Kalif war? Bei profanen Männern hätte es die Mädchen und deren Herren verletzen können.
So durchschritt denn Mahmud allein die Pforte und saß erst hinter ihr wieder auf.
Er ritt im Schritt.
In einen Traum ritt er. Kein menschlicher Laut störte. Die Ruinen schienen in ihrer Überwucherung Überbleibsel einer vergangenen Menschheit zu sein. Nichts verrieten sie darüber, daß die brennenden Farben hier und da auftauchender Blumenbüsche von menschlicher Hand in die Wirre gepflanzt waren. Zur Linken begleitete ihn das aufblitzende Gewässer, zur Rechten die Mauer, deren Weiß zuweilen das dichte Gerank durchbrach. Wasser und Mauer waren zu fern, um noch Grenzen zu sein. Längst war Mahmud vom Wege abgewichen, nie hatte er sich so allein gefühlt.
Offenbar träumte sein Pferd weniger als der Reiter. Jedenfalls schnaubte es, und als Mahmud, ohne sich dessen bewußt zu sein, die Zügel straffte, bemerkte er ein Buntes, an dem vorbeizureiten er eben im Begriff gewesen war. Der arabische Hengst hatte einen anderen Grund für sein Schnauben. Ihm war Menschengeruch in die Nüstern gestiegen. Und nun sah es auch Mahmud. Er hielt vor abgelegten Kleidern, vor weiblichen Kleidern.
Der Araber hatte weniger Bedenken als sein Herr. Wenn ihm etwas auffiel, spitzte er die Ohren und beschnupperte es. Vorausgesetzt allerdings, daß die Zügel es ihm erlaubten, und in diesem Fall erlaubten sie es ihm. Mahmud hatte eine Schicklichkeit zu berücksichtigen, die er zu übertreten einige Lust verspürte. Erst sah er sich daher nach allen Seiten um, ob nicht etwa jemand in der Nähe sei, der ihn beobachten könne, bevor er, die Zügel in der Beuge seines Ellenbogens, den Sattel verließ. Richtig! Das Bunte bestand aus Frauenkleidern, Hosen und Hemden, Schuhen und Schmuck. Mahmud schien alles ganz klar: Die nackte Haut völlig dem Licht und der Luft hingegeben, schweife das Damenvolk nun in dem ebenso einsamen wie umfangreichen Gefilde umher. Wer von der holden Horde habe seine Ankunft voraussehen können?
Mahmud gefiel sich in dieser Vorstellung, die bei den Damen seines eigenen Serails wahrscheinlich wenig Begeisterung erweckt hätte. Die Haut unverhüllt der Sonne auszusetzen? Wie schamlos! Wie schrecklich! Mahmud dachte nicht so. Leere Hosenpfeifen in Händen, war ihm die daraus entsprungene Weiblichkeit auf eine Weise phantasiebereichert, wie es die geschmückten Glückseligen seines Harems niemals gewesen waren und kaum jemals sein würden.
Doch er wollte zum Kislar, und sein unkaiserliches Eindringen in die Geheimnisse von Frauen, die ihn nichts angingen, hatte nun lange genug gedauert. Das empfand er selbst, und er hätte sich mit einem Lächeln zurückgezogen, wenn sein Blick nicht auf einen Fußreifen gefallen wäre, den er zu kennen glaubte. Und er kannte ihn auch! Am Knöchel jenes Mädchens, dem er im mütterlichen Harem die Schuhe übergestreift hatte, waren dessen Reifen ihm wegen ihrer Schlangenform aufgefallen. Dieser hier hatte die gleiche Form und in den Augen dieselben Smaragde. Kein Zweifel schien ihm möglich: er gehöre dem Mädchen aus dem Alten Serail, dem Mädchen aus der Druckerei.
Alles war ihm wie heute. Nichts hatte er vergessen, nichts vergessen können. Dieses Mal aber werde er sich nicht von der Fährte abbringen lassen, schwor er sich und besiegelte seinen Schwur dadurch, daß er bedenkenlos stahl. Denn es war unleugbar Diebstahl, daß er den
Fußreifen eines fremden Mädchens an seiner Brust verbarg, wo der Schmuck seiner Bestimmung nach auf keinen Fall hingehörte. Nachdem die Majestät sich auf diese Weise betätigt hatte, ritt sie zurück, und so erfuhr niemand im Landhaus des Kislars von dem hohen Besuch.
Der hochwürdigste Bischof Antonius von Belgrad Graf von Thurn-Valsassina an Seine durchlauchtigste Hoheit, den Prinzen Eugen von Savoyen-Carignan, Reichsfeldmarschall und Generalleutnant kaiserlicher Majestät.
,Gnädiger Herr!
Euer Hoheit wollen verzeihen, wenn dieses Schreiben Hochsie unnötig bemühen sollte. Lieber will ich jedoch diese Möglichkeit, als etwa eine nicht wieder gutzumachende Unterlassung auf mich nehmen.
Es handelt sich um eine griechisch-orthodoxe
Weitere Kostenlose Bücher