Der Eunuch
je fände ..“
„Beschir“, sagte Aigische, und ihre Stimme wurde dringender. „ Iich weiß so wenig wie Sie. Aber wenn sie sich nun finden würde? Iich habe zu viel Achtung vor Ihren Fähigkeiten und Ihren Verdiensten um das Reich und um uns. Mich werden Sie jederzeit an Ihrer Seite sehen. Iich weiß auch, wie sehr Sie um der Ziele willen Ihrer Macht versichert sein müssen, die ja die Macht des Padischahs ist. Und dann etwa einen neuen Menschen, eine neue Macht in seiner Nähe? Eine unberechenbare Macht? Ein Dutzend Frauen sind wenig zu fürchten, aber eine? Und das bei einem Mann, der alle andern ablehnt? Ich könnte es verstehen, wenn Sie sich dagegen schützten. Und doch bitte ich Sie, es nicht zu tun. In keinem Augenblick seines Lebens bedurfte mein Sohn so sehr Ihrer Hilfe wie jetzt.“
Ihr Flehen - und es war ein Flehen! - gab Beschir fast die Gewißheit, daß jenes unbekannte Mädchen, das bisher nur in den Wünschen der Kaisermutter gelebt habe, ganz wirklich aufgetaucht sei.
Was er vernahm, war mehr, als er zu hören gedacht hatte: Mahmuds Zusammentreffen mit dem Mädchen im Alten Serail und beim Drucker Ibrahim sowie der Fund auf den ausgezogenen Mädchenkleidern. Der Unmut darüber, daß seiner Organisation die beiden Begegnungen mit Mahmud entgangen seien, bedeutete nichts gegen die Angst, in dem unbekannten Mädchen seine Geliebte zu entdecken. Er wußte, wo Mahmud gejagt hatte.
„Und wo fanden Seine Majestät die Kleider und den Fußreifen?“ fragte er mit einer Stimme, die ihm selbst blechern vorkam.
„Oh, Beschir“, sagte die Walide, ohne ihres Kislars Erregung zu beachten, „ich bin so zuversichtlich, so überzeugt, daß Sie ihm helfen können. Mein Sohn fand den Reifen an den Süßen Wassern. Auf Ihrem Gelände, Beschir, fand er ihn!“
„Darf ich ihn sehen, ich meine den Fußreifen?“
Er bekam ihn und wurde grau im Gesicht.
Das Gespenst, das er an sich heranschleichen gefühlt hatte, stand vor ihm. Welches andere Mädchen als Julienne komme denn überhaupt in Frage? Er hatte mit einem weiblichen Wesen gerechnet, das ihm vielleicht Schwierigkeiten bereiten könnte; aber nun sah er sich seiner Geliebten beraubt. Schon bevor er es erkannt hatte, war sie ihm nahe gewesen. Doch wie tief sie ihre Wurzeln in ihn geschlagen hatte, wußte er erst jetzt.
Auch dem Padischah konnte er sie nicht im ersten Augenblick einfach hingeben. Er -konnte es nidit. Und dann suchte er Ausreden über Ausreden für sich selbst. Wer solle sie fragen? Sie sei ja gar nicht erreichbar. Und vielleicht handele es sich wirklich um ein anderes Mädchen, und er selbst sei die Beute eines tückischen Zufalls. Einen Fußreifen könne die eine ab-, die andere überstreifen. Auch sei es immer noch möglich, daß Julienne Sultan Mahmud ablehne . ..
Doch nein! Ein gutaussehender junger Mann, ein Kaiser, und dann er selbst, er, Beschir? Beinahe hätte er laut gelacht. Außerdem würde er Julienne auch in einem so unausdenkbaren Fall verlieren. Wenn sich Julienne dem Padischah versagte, könnten sie - er und Julienne - ihre Beziehungen dennoch nicht aufrecht erhalten. Möge es um seinen alten Kopf, selbst um Julienne sein; aber es gehe um eine Welt, die er zu verteidigen habe.
„Nun, Beschir“, hörte er Aigisches bangende Stimme, „haben Sie eine Hoffnung oder auch nur eine Vermutung?“
„ Iich habe eine Vermutung, Hoheit, und sie ist nicht unbegründet. Aber wenn ich die Dame finden sollte, so ist das kein Ende, sondern ein Anfang, ein sehr schwieriger Anfang. Wir sind nicht allein auf dieser Welt.“
27
„Das war ganz gescheit“, sagte Herr von Talmann, als er Juliennes verwehendem Reifrock mit dem Gedanken nachsann, ob nicht sie ,es‘ sein könne, „durch weibliche Oberhoheit über deinen Junggesellenhaushalt ein wenig Glanz zu verbreiten.“
Nidit ohne Mißtrauen warf Christian von Andlaw dem Gast einen Blick zu, mitten hinein in dessen Lächeln.
„ Iich freue mich“, sagte er etwas steif, „einer Verwandten Heim und Tätigkeit bieten zu können.“
„Das natürlich auch“, gab Talmann bereitwillig zu. „In jedem Fall ist sie ein großartiges Mädchen. Deine Nichte.“
Ja, das sei sie wohl, meinte nun auch Andlaw ganz ehrlich.
Talmann fand freilich im stillen, sie sei etwas zu großartig und darum vielleicht nicht ungefährlich. Zugleich glaubte er durch die Unterhaltung zu einer entscheidenden Frage das Recht erworben zu haben und hielt nicht lange mit ihr zurück.
„Von einer Nichte des
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