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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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meiner Freundin zu mißfallen?“ „Sie haben das Unglück.“
    „Doch nicht etwa, weil ich mich bemühe, eine Unziemlichkeit von Ihnen abzuwenden?“
    „Wenden Sie nicht ab. Passen Sie lieber auf, daß die Damen Ihres Harems, die Sie offenbar herbeizulärmen gedenken, midi nicht bei einer so schönen Gelegenheit ganz aus Versehen ersäufen. Tief genug ist das Becken.“
    Beschir änderte den Ton.
    „Julienne“, sagte er, „ist Ihnen niemals der Gedanke gekommen, daß zwischen Dewlet Bey und mir ein Unterschied bestehen könnte?“ „Doch!“ schmetterte sie ihm ins Gesicht. „Ein sehr großer Unterschied besteht zwischen euch beiden. Wenn Dewlet Bey betrunken ist, hat er so erfolglose Einfälle wie den, mich nackt zu sich zu entbieten. Mir wäre lieber, Sie betränken sich hin und wieder, dann würden Sie sich Ihrer störenden Vorurteile ebenso gründlich entledigen wie ich mich meiner Kleider.“
    Damit warf sie mit Krach den Wandschirm um und stand nun da, ihre Füße vom herabgeglittenen Hemd weiß überbauscht. Steil hob sie ein Bein nach dem andern, und so entstieg sie dem Kreis ihrer Gewänder, um mit einem Kopfsprung im Becken zu verschatten.
    Mit keinem Gedanken dachte Beschir mehr an den Gong. Sein Hauskleid war abgeworfen, und unmittelbar darauf spritze das Wasser zum zweitenmal. Einige wenige Blasen und ein glucksender Laut waren alles, was es zu sehen und zu hören gab. So formgerecht erfolgte der Sprung des pfeilschlanken, bronzefarbenen Körpers, daß er mehr einem Gleiten als einem Sprung glich.
    Und dann begann im Widerschein der angestrahlten rosigen Kacheln ein Jagen mit dem weißhäutigen Frauenleib, ein Schweben über dem Grund, ein Steigen und Tauchen, kaum daß einmal ein Kopf - der des Mannes, des Mädchens - sekundenlang luftschöpfend die Oberfläche durchbrach. Beide flohen und beide verfolgten; aber keine Hand griff nach dem andern wie nach einem zu erhaschenden Besitz. Um sich zu nähern, flohen sich die Leiber und streiften sich in einer aufreizend feinen Berührung.

Wie der Hochzeitstanz silbriger Lachse im Bach war dieses Spiel der lichtdunklen Schatten im marmorumrandeten Becken.

DRITTES BUCH

26
    Es wäre einem Padischah nie möglich gewesen, sich von dem mit kaiserlichen Polstern verbundenen Glanz zu befreien. Ihn mit Würde zu tragen, dazu war er geboren, das war ein keineswegs unwesentlicher Teil der Aufgaben, die jedes Prinzen auf der obersten Stufe harrten, wenn er sie zu erreichen vermochte. Im türkischen Padischah verbanden sich byzantinisches Gottkaisertum mit der geistlichen und weltlichen Despotie der Kalifen, der einzigen Regierungsform, die einst den eigenbrötlerischen, streitlüsternen Arabern ihre Weltrolle hatte aufnötigen können.
    Der abgesetzte Ahmed III. war in den siebenundzwanzig Jahren seiner Regierung nicht unglücklich gewesen. Wenn auch nicht in der Rolle des Staatsmannes, war er doch in der andern, das Reich und die Macht durch Prunk zu verkörpern, völlig und mit Freuden aufgegangen.
    Sein Neffe hatte es nicht so gut. Mahmud fühlte die Verantwortung für das Reich in ihrer ganzen Schwere, während er den Glanz nur als eine Last und nicht die geringste Genugtuung darüber empfand, daß er nicht ohne die vorgeschriebenen Hymnen an- und ausgekleidet werden durfte und jedes seiner Hemden bei ähnlicher Musik gewaschen wurde. Am erträglichsten dünkte ihm noch die Hemdenwäsche, weil er nicht dabei zu sein brauchte.
    In seinem Drang, dem Zeremonial zu entrinnen, hatte er viel von einem Jungen, dem nichts lieber war, als die Schule zu schwänzen. Und darin hatte er es zu einer meisterlichen Geschicklichkeit gebracht. Wenn der Padischah einmal wieder unauffindbar war, tauchte für Stunden oder Tage an einem Ort, an dem es nicht zu vermuten war, ein jüngerer Mann auf, der sich ganz der Kleidung gemäß verhielt, die er trug. Dann wußte nur der Kislar Aga, wo die Majestät
    persönlichen Schutz, doch schon nicht mehr die Unversehrtheit seiner hohen Würde verbürgen können. Und mit ihm vor das Landhaus seines höchsten Eunuchen zu preschen, war das Gefolge aber wieder entschieden zu groß - ein einziger Begleiter war in diesem Falle schon zuviel.
    Mahmud war Kalif und dem Brauch nach berechtigt, das unverhüllte Antlitz einer Moslim zu erblicken. Keine Schande wurde ihr oder ihrem Gatten dadurch erweckt. Es gab Empfänge im kaiserlichen Serail, zu denen auch Damen geladen waren, und dann sah der Padischah die Gemahlinnen und Töchter seiner

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