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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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ehrenvoller Kondolenz in Kenntnis gesetzt. Sie wird unserer Familie unvergeßlich bleiben.“
    „Mir wird Ihr Bruder unvergeßlich bleiben. Er war nicht nur mein Oberstallmeister, er war mein Freund. Wissen Sie übrigens, daß wir verabredet hatten, sobald es der spanische Krieg zulassen würde, einige Monate auf meinen ungarischen Gütern zu verbringen? Ich ließ damals gerade das Schloß zu Bellye bauen, eine richtige Festung, mit Vorwerken, Wällen und Gräben. Es ist immer noch Krieg da unten, wenn nicht mit Ungarn und Türken, so doch mit Banditen. Wir wollten mit meinem ganzen Hofstaat und vielen Gästen hinunter, und für Sie war auch schon eine Einladung vermerkt worden.“
    Der Baron lupfte ein wenig sein Gesäß.
    „Noch jetzt, Hoheit, meinen Dank.“
    „Es wurde ja nidits daraus. Leider. Karljosef fiel vor Lille. Ich habe auch zu Reczkeve und Promontor Schlösser errichtet - glauben Sie aber, daß ich selbst nur ein einziges Mal hingekommen wäre? Karljosef war vernarrt in die Jagd, und der hätte es schon durchgesetzt, doch ich ... Und dann habe ich jetzt ja auch mein Schloßhof, mein Engelhartstätten und durch kaiserliche Gnade Siebenbrunn. Wenn ich das nächstemal aufs Land gehe, hoffe ich, Sie bei mir zu sehen. Mein Schloßhof hat an zweihundert Gastzimmer - da ist Platz genug, und in Brünn wird man sich wohl mal ein paar Wochen ohne Sie behelfen können ..."
    Der Baron erging sich in Danksagungen, bei denen ihm gar nicht so recht wohl war. Denn daß man ihn nicht nur wegen einer Jagdeinladung herbeschieden habe, war ihm klar. Er hätte nun gern gewußt, was diese verschwenderische Leutseligkeit bezwecke. Denn von einem ähnlichen Verhalten des Prinzen hatte kein Mensch jemals berichten können. Allerdings war Eugen auch noch niemals in einer derartigen Lage gewesen. Dennoch hatte er — obwohl die Verführung groß gewesen war - die unbequeme Angelegenheit nicht einmal von der Tagesordnung absetzen mögen. So gab er sich jetzt einen Ruck.
    „Natürlich habe ich Sie nicht hierher gebeten“, begann er, „um mit Ihnen über Schloßhof zu sprechen, schon eher über Ungarn. Eigentlich hätte ich diese Unterhaltung bereits 1709 mit Ihrem Herrn Vater führen müssen. Aber es hat mich vieles abgehalten. Nach den Erzählungen Ihres Bruders hatte Ihr Herr Vater etwas andere Anschauungen ... als ich sie eben von Ihnen erhoffe. Und dann war ich zwanzig Jahre jünger, und das eingetretene Ereignis war ganz und gar nicht vorauszusehen gewesen ...“
    Baron Andlaw meinte, Prinz Eugen habe nun genug herumgeredet, und kam ihm zu Hilfe.
    „Handelt es sich um meinen Bruder?“
    „Ja“, sagte der Prinz. Jetzt spürte er keine Verlegenheit mehr. „Es ist wohl am besten, ich erzähle alles der Reihe nach. - Daß Ihr Bruder bei der Erstürmung von Lille fiel, wissen Sie? Eigentlich war es die Zitadelle, in der sich Boufflers festgesetzt hatte - ein zäher Bursche. Die Stadt hatten wir bereits seit dem zweiundzwanzigsten Oktober 1708, und mein Kopfschuß über dem linken Auge war auch schon geheilt. Jedenfalls konnten wir nicht länger warten, und am neunundzwanzigsten Dezember wurde gestürmt. - Ich hatte Ihrem Bruder versprochen, mich nicht auszusetzen. Ich sei schon so oft verwundet worden, hatte er gesagt, und dieses Mal, das fühle er, würde es schiefgehen. - Wie ist es, Baron, glauben Sie an Vorahnungen?“
    „Ob sie von Gott oder dem Teufel kommen, geben muß es sie, zu viele ehrliche Leute haben sie bezeugt.“
    „Dann bin ich vielleicht auch so ein ehrlicher Mann. Aber mit dem Glauben ist es nicht getan, und die Leute, die nach uns kommen, müssen schließlich auch noch was übrigbehalten, was sie herausbekommen können. Die wissen es dann ganz genau. Jedenfalls versprach ich alles und hielt auch alles.“ Er unterbrach sich. „Jetzt denken Sie natürlich, ich lüge. Ist aber nur halb so. Versetzen Sie sich mal selbst in die Lage. Da stehen Sie und sehen die Kerle stürmen und möchten - verdammt noch einmal - jedem einzelnen einen anfeuernden Tritt in den Hintern geben. Sie sehen sie rennen. Springen. Klettern. Hören schreien. Hören schießen. Trompeten. - Sie sehen und hören nichts als das. Das Fernrohr ist Ihnen angewachsen — und da, plötzlich, sehen Sie eine schwache Stelle. Die Siebener Grenadiere werden hinuntergeworfen. Verdammte Schweinerei! Und sie lassen sich hinunterwerfen, die Hundsfötter. Dürfen aber nicht! Ich sah es, ich sah es, mein Herr, wie der ganze Sturm zusammenbrechen

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