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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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gewandt habe, lieber Baron, ist es einzig und allein für den Fall meines Todes. Ich war immer schwächlich und kränklich und habe jetzt meine siebenundsechzig Jahre. Wenn es mit mir vorbei und das Mädchen noch nicht wiedergefunden ist, muß jemand da sein, der die Nachforschungen fortsetzt und ihr, falls sie auftauchen sollte, den Platz gibt, den sie beanspruchen kann. Sie würden übrigens nicht viel zu tun bekommen. Der Hofreferendar von Koch ist genau informiert, und er ist sehr genau. Geradezu beängstigend, kann ich Ihnen sagen.“
    Der Baron hatte sich erhoben und dankte Seiner durchlauchtigsten Hoheit für die große, einem Mitglied der Familie Andlaw bewiesene Huld. Die Feierlichkeit seiner Worte sollte seine Bemerkung über den Namen vergessen machen. Bei aller Leutseligkeit hatte Eugen den Unterschied zwischen einer Fürstlichkeit und einem einfachen Adeligen fühlen lassen. Besonders das, was er über das Königtum seines Großonkels Mazarin gesagt hatte, war von Andlaw verstanden worden. Ob er alles, was er noch wissen müsse, vom Herrn
    Hofreferendar erfahren werde? erkundigte er sich ganz bescheiden. -Doch allzu viel Übergewicht wollte der Prinz dem Herrn von Koch auch nicht einräumen. Darum erfuhr Herr von Andlaw das Wichtigste von ihm selbst.
    Das Kind - damals noch ein Säugling - war bei einer Bauersfrau Hartmann im schwäbischen Dorf Neuffen gewesen. Diese Frau gehörte zu einer Gruppe von Katholiken, die sich in ihrer überwiegend protestantischen Umgebung nicht mehr wohlgefühlt und später auf Eugens ungarischen Besitzungen Land zu Pacht genommen hatten. Von den drei befestigten Schlössern, die vom Prinzen dort erbaut worden waren, hatte er Promontor auf dem Landstrich vor dem Ofener Gebirge für das Kind bestimmt.
    „In dieser Hinsicht habe ich mir keine Vorwürfe zu machen“, verteidigte er sich mehr vor sich selbst als vor seinem Besucher. „Es wurde allen erdenklichen Bedürfnissen Rechnung getragen und dabei auch die Zukunft nicht vergessen. Frau von Stuntz, die ich als Gouvernante in meinen Dienst nahm, lebt heute noch dort.“
    „An ein Kloster haben Hoheit nie gedacht?“ stellte Herr von Andlaw weltklug vor. „Es wäre für Hoheit doch wesentlich einfacher gewesen.“
    Bei näherer Bekanntschaft mit dem Prinzen hätte der Baron dessen Zusammenzucken als eine Bewegung des Unmuts erkannt. Allein der Umstand, daß Eugen sich verteidigte, wo niemand außer einem Toten und einem jungen Mädchen anklagen durfte, hätte Herrn von Andlaw beweisen können, wie ernst es der berühmte Mann in diesem Fall mit seinen Verpflichtungen genommen hatte. Hätte er sonst dem Onkel, dem vor einer Viertelstunde noch nichts von der jungen Dame bekannt gewesen war, fast so etwas wie Rechenschaft abgelegt?
    „Mein lieber Baron“, sagte Eugen, „ich selbst habe mich nicht kirchlich machen lassen, wozu mein Vetter Ludwig nicht übel Lust bezeigte, und sollte Ihres Bruders Tochter, durch dessen Aufopferung ich allein noch lebe, in ein Kloster stecken? Dabei ist eine Nonne noch lange kein Kardinal. Von ihr erwartet man vieles, was einem Kardinal nie einfallen würde zu tun. Ich hatte an ihres Vaters Stelle zu handeln, und dessen Intentionen hätte eine derartige Lösung, wie ich ihn kannte, kaum entsprochen. Lieber einen Hofstaat für das Kind, als mit ihm in die Klosterschule. Nichts als blinden Gehorsam wollen die Schulnonnen, und ich weiß, wie sie ihn erzwingen. Korporalstock und Klosterruten sind ein und dasselbe. Besonders stolz sind die frommen Schwestern darauf, daß sie sich der Birken ohne Ansehen des Ranges oder des Alters ihrer Schülerinnen bedienen, und auf ihr eigenes Vorbild. Wie sie es mit sich selbst halten und was sie ihrem Gelübde schuldig zu sein glauben, sollten sie aber lieber erst zwischen ihrer Schamhaftigkeit und ihren Beichtvätern aushandeln. Doch sie sollen ja ihre Scham besiegen. Schamlos und keusch sollen sie sein, und das Ende ist eine besondere Art von Unbefangenheit, vor der ich jedes Mädchen, das meinem Schutz anvertraut wäre, bewahren möchte. Wir haben genug vom Mittelalter. Wenigstens unsere Mädchen sollten wir diesen Roheiten entziehen.“
    Herrn von Andlaw war höfisches Parkett nicht fremd; aber was er soeben gehört hatte, schien ihm das erlaubte Maß zu überschreiten. „Aber so“, rief er, „können Euer Durchlaucht sich doch unmöglich über klösterliche Kasteiungen äußern, mit denen die reinen Jungfrauen durch das Opfer ihres Leibes sich und

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