Der Eunuch
denen, für die sie beten, unsterbliche Anrechte auf den Himmel erwerben!“
Um jetzt nicht lieber einzulenken, war Eugen ein zu guter Politiker. „Ich bin Christ genug, Baron“, meinte er, „um beileibe kein Ärgernis geben zu wollen. Durchaus nicht. Aber ich habe mehrere Male mit I.B. darüber gesprochen - mit Rousseau, verstehen Sie? —er hielt inne. Wehmütig gedachte er seiner früheren Freundschaft mit dem Dichter, dem er das Versprechen einer Staatsstellung nicht hatte halten können. Nun saß Jean Baptiste Rousseau grollend in den Niederlanden und war vieler Menschen Freund, nur nicht mehr der von Eugen. „Natürlich ging ich nie so weit wie er“, fuhr Eugen fort, „wenn eine Dienstbotin, eine Leibeigene gar vom Büttel den Hintern ausgehauen kriegt - was will das schon sagen? Bei solchen Selbstverständlichkeiten kann ich nichts Unziemliches finden, weil dabei jedes Gefühl für Unziemlichkeit fehlt. Das schüttelt sich, wenn alles vorbei ist, und damit basta. Aber zwischen Mädchen von Stand und denen aus dem gemeinen Volk sollte, so meine ich, denn doch ein Unterschied sein.“
„Und ich würde, mit Euer Durchlaucht Erlaubnis“, erwiderte Andlaw tapfer, „nie in meinem Leben ein Fräulein ehelichen, das nicht von der Mutter, von Verwandten oder Gouvernanten tüchtig die Rute bekommen hätte. Und möglichst lange!“
Andlaw stand da, wie Luther in Worms; aber damit erzielte er bei Eugen nur eine so anstechende Heiterkeit, daß sich die Meinungsverschiedenheit beider schließlich in einem gemeinsamen Gelächter löste. „Mein sehr lieber Baron“, lachte Eugen, „es ist doch kein Mangel an Mädchen mit dem von Ihnen geforderten Nachweis - warum heiraten Sie keine von den Köstlichen?“
Ein wenig verlegen war Andlaw nun doch, aber auch wieder beglückt über die Huld, mit der Hoheit die kleine Revolte aufgenommen hatten.
„Daß Julienne für Sie nicht in Frage kommt“, schloß Eugen, „wissen wir nun.“
„Julienne —?“
„Ihre Nichte. Eigentlich Juliana Freiin vom Vorberg. In der Matrikel: Juliana de Promontor. Nach dem Schloß Promontor, das ich für sie erbauen ließ. Ich nenne sie Julienne. Und nun denken Sie sich ein Mädchen, wie man mir Julienne schilderte, als Klosterschülerin oder gar als Nonne. Es wäre nie zum Profeß gekommen, höchstens zu einem Riesenskandal —“ Er unterbrach sich. „Halt! Ich weiß, was Sie jetzt denken, Baron. Wir sind übereingekommen, daß jeder auf seiner eigenen Meinung beharren darf Sie hätten eine andere Erziehung für Julienne vorzuschlagen gehabt. Jetzt ist es ohnehin zu spät. Mittlerweile ist sie zweiundzwanzig Jahre alt geworden.“
„Ist sie - hm - unbildsam - ?“ Fast ängstlich fragte es Andlaw. „Meinen Sie: beschränkt? Leider nein. Für ein Frauenzimmer viel zu gescheit.“
„Aber dann, Hoheit, wäre, wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf. .
„Wien! Selbstverständlich wäre Wien das einzig Richtige gewesen. Platz genug hätte ich gehabt. Selbst hier in der Himmelpfortsgasse und nun gar in meinem Belvedere. Eine ganze Klosterschule hätte ich unterbringen können. - Ja, Sie, mein Teurer! Wenn ich Sie so anschau. Baron. Ihnen trau ich schon zu, daß Sie mit den Weiberleuten fertig werden. Wenn ich auch nicht glaube, daß es immer das Richtige wäre . . . doch ich! Ich sage es gerade heraus: ich habe es verschoben und immer wieder verschoben, Julienne nach Wien kommen zu lassen. Und dann kam zum Glück auch meist ein Feldzug, hinter dem ich meine - hm - meine Feigheit verstecken konnte. Dann habe ich auch wieder gedacht, daß da neben meinen ungarischen Gütern die Mercys und die Batthanys ihre Besitzungen haben, und wenn die gerade drunten waren, hat man die Julienne eingeladen und hat sie besucht . .. Ließ sich auch alles ganz gut an; aber halten ließ sich das nicht lange.“
„Gab es Unerfreuliches?“
„Nidits weiß ich - nur das eine: als ich mit der Batthany, die doch seit Jahren eine Freundin von mir ist, über das Mädel sprechen wollte, machte sie ein Gesicht, daß man das schönste Piket darüber verlieren konnte. Und dann muß ganz zuletzt noch etwas anderes passiert sein. Ganz plötzlich ist Julienne mit nur wenigen Leuten und ohne ordnungsmäßige Militäreskorte nach Promontor aufgebrochen. Seitdem weiß man nur, daß sie abgeritten, aber nicht angekommen ist. Auch keiner von ihren Leuten.“
„Doch nicht. .. etwa ausgerissen ...?“
„Nein dodi! Auf die Dauer könnte man sie vor mir nicht
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