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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Majestät nieder. Der Kaiser, dieser Liebling der Frauen, der Kinder und der Tiere, verleugnete seinen kleinen gefiederten Freund keineswegs. Er, der sonst nur Ehren auszuteilen hatte, fühlte sich durch einen kleinen Vogel geehrt, und am liebsten hätte er den entsetzt herbeieilenden Oberpapageienwärter unverrichteterdinge wieder fortgeschickt, wenn er sich nicht rechtzeitig des mit seinen engsten Beratern zu führenden Gespräches erinnert und deswegen seine langen, schmalen Hände auf eine Weise bewegt hätte, die alle Würden des Serails wie Kaffeeköche, Tabak- und Papageienbewahrer plötzlich wie weggeblasener Staub verschwinden ließ. Denn Stoff zur Unrechten Stunde am Unrechten Platz war eben Staub, den ein Padischah gegebenen Falles mit seinen Fingern fortschnippte.
    Ob freilich die Männer des höchsten Vertrauens den kleinen, frechen Sittich würden verschmerzen lassen — dessen war sich Sultan Ahmed durchaus nicht gewiß. Aber dieser liebenswürdige Lebenskünstler in den Fünfzigern war höflich genug, derartige Befürchtungen nur mit leichten Seufzern anzudeuten, die allein sein Kislar ganz richtig einzuschätzen vermochte. Beschir war dem Sultan bereits in dessen Prinzenzeit zugeteilt und dann nach erfolgreicher Laufbahn abgesetzt worden, um schließlich nach vierjähriger ehrenvoller Verbannung in höherer Gunst als zuvor an die Spitze des Hauses der Glückseligkeit berufen zu werden. Er war der einzige Bartlose unter den vieren, aber insgeheim empfand er den dadurch angedeuteten Mangel als Ursache einer Stärke gegenüber den ihren Trieben ausgelieferten unverkürzten Männchen. In diesem Augenblick sah er weder seines Gebieters schwarzrötlichen Bart, der nichts von den nahenden Sechzig verriet, noch den langwallenden weißen, auf den Abdullah so stolz war.
    Abdullahs Bart war eben ein Muftibart, wie der andere der eines Kaisers. Aber keinen der beiden anderen, sondern den goldblonden des Wesirs brachte gerade ein Sonnenstrahl zum Leuchten. Plötzlich empfand Beschir aus seiner stets wachen Ironie heraus eine kleine Genugtuung darüber, daß er sich in richtiger Erwägung der Machtverhältnisse dem Günstling nie versagt habe und von ihm dabei nicht nur dessen Klugheit und gewinnendes Wesen, sondern sogar der Goldbart, den Fatime Sultana so liebte, als ein wesentlicher Machtfaktor zugunsten Ibrahim Paschas einbezogen worden sei. Dieser Gedanke war wie der Abschluß einer Rechnung, ohne daß über die Eröffnung der neuen schon eine Entschließung erfolgt wäre.
    „Nie könnte ich so vermessen sein“, hörte er den Großwesir sagen, „mich der erhabenen Weisheit meines Padischahs zu verschließen. Das Reich braucht Frieden ..."
    Dieser Meinung war der Kislar auch einmal gewesen — allerdings vor dreizehn Jahren und noch eine Weile später. Immer halte er es ehrlich anerkannt, daß Ibrahim Pascha nach der damaligen Katastrophe sich der einzig möglichen Politik zugewandt und sie unter Ausnutzung der vielen außenpolitischen Schwierigkeiten Österreichs überlegen durchgeführt habe. Inzwischen freilich hätte Ibrahim sie längst überprüfen müssen, und es sei klar, warum er es nicht getan habe. Der Sultan wolle nun einmal den Frieden, nichts als den Frieden, ohne zu begreifen, daß eine Politik, wie die Türkei sie jetzt immer noch führe, zum Krieg geradezu herausfordere, und daß ein neuer Angriff, der die Pforte ungerüstet träfe, sie zu Ungarn und Serbien noch den ganzen Balkan verlieren ließe. Die Türkei würde weggefegt werden, und was von ihr etwa noch übrigbleiben sollte, könnte von Asien aus zusehen, wie sich der Kaiser in Wien mit dem Zaren in Petersburg um Konstantinopel raufen würde.
    Klar und ohne Beschönigung sah der Kislar die Lage.
    Ibrahim sah sie ebenso. Aber er wußte auch, daß ihm die Ungnade gewiß sei, wenn er seinem kaiserlichen Schwiegervater nur von der ganz entfernten Möglichkeit eines Krieges spräche. Sei es nicht beinahe schon so weit gewesen, als er dem Heer mit der heiligen Fahne zugezogen war? Und der Umstand, daß die Antwort der Janitscharen ihm recht gegeben habe, stärke seine Stellung keineswegs. Sobald werde es der Padischah nicht verwinden, daß er habe nachgeben müssen. Infolge seiner Unfähigkeit, in die Verzahnungen der Politik einzudringen, geschweige denn die politische Maschine zu überschauen und neuen Bedürfnissen anzupassen, war bei dem Erben der höchsten Macht der an sich richtige Friedensgedanke zu einer gefährlichen Marotte

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