Der Eunuch
Stellen gehabt habe. Also keine Emporgekommene.
Mußli hatte seine Augen auf Julienne geworfen. Bei der Plünderung des Woiwodenpalastes hatte er sich ihrer bemächtigt und folgerte nun daraus, daß sie ihm gehöre. Als man ihm dennoch den Zutritt zu ihr verwehrte, erklärte er, mit einer Verstärkung zurückkehren zu wollen, die genügen würde, das ganze Kastratengesindel, das ihm sein Eigentum vorenthalten wolle, zum Teufel zu jagen. Er kam auch zurück. Und dieses Mal wurde ihm und seinen Kameraden mit aller Höflichkeit aufgetan. Sie fanden vieles, was nach ihrem Abzug nicht mehr da war, nur eins fanden sie nicht: Julienne. Dafür stieß Mußli schließlich auf Beschir.
Der Kislar war taktvoll genug, nicht daran zu erinnern, daß Mußli sich mit der begehrten Hanum ursprünglich nur eines Dienstmädchens für Rakije habe versichern wollen. Er äußerte vielmehr ein tiefes Bedauern, daß die Erwählte, offenbar in völliger Unkenntnis der ihr zugedachten Ehre, sich entfernt habe und ihr gegenwärtiger Aufenthalt leider nicht bekannt sei. Der Kiaja habe allerdings sofort Nachforschungen befohlen, für die er Mußlis Unterstützung erbitte. Wozu er, der Kislar, jedoch vor allem den Bräutigam beglückwünsche, sei die Einwilligung des Padischah zu der beabsichtigten Heirat. Seine Majestät habe sogar eine Mitgift gewährt, die dem Rang der Dame und den Verdiensten ihres künftigen Gatten entspreche. Einstweilen möge Mußli für die Auslagen bei der Suche freundlichst diesen Beutel entgegennehmen.
Mußli hatte die Freundlichkeit. So unbefriedigend erschien ihm die Lage gar nicht. Erstlich erwies es sich, daß der Beutel statt mit den erwarteten Piastern mit richtigen Dukaten gefüllt war, dann aber bestätigte ihm das prompte Eingreifen von allerhöchster Seite das Ansehen, in dem er stand, und die Macht, die er besaß. Er nahm, was man ihm gab, nicht ohne dabei verlauten zu lassen, daß er, falls man des Mädchens nicht habhaft werde, auf eine kaiserliche Prinzessin als Gattin rechne.
Es bedeutete viel, daß Beschir sich selbst bemüht hatte. An dringenden Aufgaben fehlte es ihm nicht, und so mußte die Geschichte mit Mußli wohl eine besonders dringliche gewesen sein. Außerdem mußten noch alle Geschöpfe Ibrahims aus ihren Ämtern entfernt und verbannt werden — alle bei der Absetzung Mustafas II. Verbannten waren zurückzurufen. Zahlreiche Ämter wurden neu besetzt. Dazu gehörten die Fürstenstühle in der Moldau, der Walachei und der
Krim. Patrona Chalil betrachtete sie allerdings mehr als ihm sehr willkommene Verkaufsobjekte.
Die Hospodare der Moldau und der Walachei waren dem Herkommen nach Griechen, und der griechische Fleischer Janaki hatte während des Aufruhrs dem Patrona Fleisch auf Borg und Geld als Darlehen gegeben. Nun hielt er sich zu ebenso unmäßigen Forderungen berechtigt wie sein Janitscharenfreund und verlangte die Fürstenwürde der Moldau. Es machte Patrona nichts aus, daß Sultan Mahmud sie gerade vor vier Tagen dem Fürsten Gregor Gika bestätigt hatte, dem Angehörigen einer berühmten Familie vom Fanar, vom griechischen Leuchtturmviertel in Konstantinopel, wo immer noch das alt-byzantinische Patriziat saß. Für fünfhundert Beutel sagte er den Fußschemel der Herrschaft' dem Fleischer zu.
Nicht einmal selbst bemühte er sich deswegen zum Großwesir, sondern er sandte an seiner Stelle Mußli. Der kaiserliche Schwertträger Mohamed Pascha, den nach Ibrahims Tod Sultan Ahmed noch ernannt hatte, war Großwesir geblieben. Er verwies auf die erst vier Tage alte kaiserliche Bestätigung des Fürsten Gika. Mußli erblickte darin kein Hindernis. Gika und Janaki seien Ungläubige, meinte er, und er könne zwischen zwei Giauren keinen Unterschied bemerken. Um so klarer war sich seine Hoheit darüber, daß Leute wie dieser Mußli und nun gar Patrona Chalil ihm mit seinem Amt auch den Kopf zu nehmen vermochten. So glaubte er viel mit Mußlis Einwilligung erreicht zu haben, in dieser Angelegenheit einen kaiserlichen Befehl einholen zu dürfen. Keinen Augenblick zweifelte er, der im Hofdienst Ergraute, daß die freche Zumutung der Janitscharen zurückgewiesen werden würde. Mußli freilich war anderer Meinung. „So geht denn zum Sultan“, sagte er, „aber seid vor allem darauf bedacht, Patronas Willen zu tun.“
Und das Unfaßbare geschah. Gika wurde abgesetzt und der Fleischer als Fürst eingekleidet.
Dem Großwesir gab das Veranlassung, über Beschir nachzusinnen. Ein Mann wie der
Weitere Kostenlose Bücher