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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Patrona Chalil. Da aber der Großwesir diese Gunst gewiß nicht teilt . . . oder irre ich mich?“
    „Durchaus nicht, Hoheit.“
    „... so muß es also noch einen zweiten Mann geben, der auch noch am Bosporus etwas zu sagen hat. Wer es unter Sultan Ahmed war, wissen wir. Es war Ibrahim Pascha.“
    „Er war es nicht allein, Hoheit“, entfuhr es Sulali.
    „Ganz recht. Er stützte sich auf den Mufti und den Kislar. Aber Ibrahim wurde erdrosselt, der Mufti verbannt - geblieben ist Beschir. Das Gerücht mag ja übertreiben. Gerüchte tun das gern. Daß sein Verhältnis zur Walide ungetrübt ist und er der eigentliche Erzieher unseres Padischahs war - das jedoch dürfte stimmen. Jedenfalls steht er schon als Kislar den Allerhöchsten um vieles näher als irgendeiner von uns. Auch dem gegenwärtigen Großwesir, der, wie Ibrahim, eine Tochter Sultan Ahmeds zur Frau hat, steht er schon dadurch nahe, daß er die Prinzessin persönlich kennt. Haben Hochwürden nie daran gedacht, daß Beschir ein zweiter Mann sein könnte, der am Bosporus herrscht ? “ „Patrona wird schon mit ihm fertig werden“, meinte Sulali zögernd und nicht gerade entzückt über Kaplans unanfechtbare Ausführungen. „Das bezweifle ich durchaus nicht. Mir gilt es - Sie verstehen mich, nicht wahr? - als bester Beweis, daß Patrona Euer Hochwürden zu mir entsandte“, pflichtete Kaplan mit einem leichten Lächeln und einer kleinen Verneigung ihm bei - wobei er freilich zu erwähnen vergaß, daß des Kislars Bote ebenfalls schon bei ihm war.
    Zum Glück wußte Sulali das nicht, und so erhellten sich seine Züge. „Sie halten also zu uns?“ rief er mehr, als daß er fragte.
    „Ich werde mich doch nicht gegen meinen Wohltäter wenden, der mir die Khanschaft zurückgibt, die man mir nahm! Ich sehe ein, daß von zwei Herrschern am Bosporus einer zu viel ist.“
    „Patrona hat die Truppen“, sagte Sulali, als sei damit das letzte Wort gesprochen.
    ,Auch das Geld?' hätte Kaplan gern erwidert. Aber da er die Antwort kannte, unterdrückte er die Frage.
    „Der Ausgang kann gar nicht zweifelhaft sein“, fuhr der Efendi fort. „Nicht einen Augenblick!“ beteuerte Kaplan. „Das Ziel ist ebenso klar. Nur müßte ich - falls meine Mitwirkung in Anspruch genommen werden sollte - wissen, auf welche Weise man es zu erreichen gedenkt.“
    Sulali hielt zuerst mit der Antwort zurück. Unter dem Zwang von Kaplangirais Augen gab er sich dann einen Ruck.
    „Hoheit haben richtig erkannt, daß der Kislar zu fürchten ist. Nach meiner persönlichen Meinung würde er übrigens mit der Zeit nicht schwächer, sondern nur stärker werden.“
    „Zweifellos! Nämlich mit zunehmender Beruhigung der Zustände am Goldenen Horn.“
    „Es wird vorerst keine Beruhigung geben. Beim letzten Vergleich mit Sultan Ahmed wurde im kaiserlichen Handschreiben nicht nur allen Beteiligten am Aufstand Straflosigkeit zugesichert, es wurden ihnen auch drei Fahnen zugestanden, unter denen sie sich, falls sie sich bedroht fühlen sollten, auf dem Fleischmarkt gesetzmäßig versammeln dürfen. Sie werden sich versammeln.“
    „Und der Grund?“
    „Wird sich finden.“
    „Selbstverständlich. Nichts ist leichter zu finden als ein Grund.“ Kaplan lächelte. „Also zuerst der Kislar?“
    „Mit ihm natürlich der Großwesir, der Mufti und der Kapudan . . .“ „Wieder einmal Dschanüm Hodscha? Sieben Jahre als Rudersklave auf christlichen Schiffen - nicht jeder hält das aus. Für hundert Dukaten losgekauft, erobert er Tine. Wegen Meinungsverschiedenheiten bei Korfu abgesetzt und in die sieben Türme gesperrt - alles in allem ein tapferer und fähiger Mann.“
    „Wir werden ihn durch einen Besseren ersetzen, und für diesen brauchen wir sein Amt.“
    „Darf ich fragen: für wen?“
    „Für Patrona Chalil. Janitscharen Aga soll Mußli werden ..." „Ausgezeichnet! Damit hat Patrona Heer und Flotte. Und der jetzige Janitscharen Aga . ..?“ wird Großwesir.“
    „Euer Hochwürden und Ihre Freunde hätten nicht besser wählen können.“
    „Hoheit sind einverstanden?“
    „Vollkommen.“
    So ganz zufrieden war Sulali dennoch nicht. Die Anwerbung ging ihm zu reibungslos vor sich. „Ich freue mich, Hoheit“, sagte er. „Ich hatte mit Einwendungen gerechnet.“
    „Einwendungen habe ich nicht“, meinte Kaplan weniger stürmisch, dafür um so nachdenklicher als bisher, „das könnte ich eigentlich nicht sagen . .. Aber Hochwürden werden wohl selbst erwarten, daß ich über den mir

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