Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
zugedachten Anteil am künftigen Geschehen gern etwas Näheres erführe. Wozu haben Hochwürden und Ihre Freunde midi vorgesehen? Die Tatarenmacht ist zwar nicht klein - bis Stambul käme ich aber nicht damit.“
    „Es genügen dreißigtausend Reiter“, erwiderte Sulali, eine Antwort, deren Trockenheit Kaplangirai vermuten ließ, daß Sulali der Kopf der Bewegung sei.
    „Nur dreißigtausend?“
    „Sie genügen. Aber Sie können natürlich auch mehr nehmen - das steht ganz bei Hoheit.“
    „Und was tu’ ich mit den Dreißigtausend?“
    „Damit fallen Hoheit, wenn die Truppen wieder auf den Fleischmarkt ziehen, gleichzeitig in Bessarabien ein.“
    Allerhand! dachte Kaplan, und gar nicht so dumm. Dazu freilich würden die Herren Mengligirai nie vermögen — er tat bedenklich. „Unmöglich!“ sagte er. „Ich werde dann in der Krim sein. Bis ich Tag und Stunde des neuen Aufstandes erführe, dauert es seine Zeit. Es würde aber genügen, zu gleicher Zeit mit dem neuen Aufstand meine Dreißigtausend bereits an der Grenze zu haben. Es wäre dann Ihre Sache, das Gerücht eines Einfalls und damit die Unruhe in Stambul zu vergrößern. - Die Geistlichkeit ist doch auch dieses Mal wieder für den Fleischmarkt?“
    „Wäre ich sonst hier?“ fragte Sulali.
    „Ich wollte keinen Zweifel ausdrücken“, beruhigte Kaplan den andern. „Aber ohne unsere verehrten Ulema hätte ich mich kaum entschlossen ... nicht nur Patrona ist fromm“, fügte er lachend hinzu. „Hätten wir sonst noch etwas zu besprechen, Hochwürden?“
    Sulali verstand den Wink und erhob sich. Nun standen beide Herren. „Ihr Besuch war mir eine große Freude“, sagte Kaplangirai; „aber wir sehen uns ja bald in Stambul.“
    Nachdem der Khan durch das Fenster beobachtet hatte, wie der Kadiasker, unter Vortritt seines Stabträgers, mit zwei Kawassen hinter sich, die Straße hinuntergegangen war, wandte er sich der Persönlichkeit zu, die ins Zimmer getreten war, nachdem Sulali es verlassen hatte. Seiner äußeren Erscheinung nach konnte der Mann als armenischer Priester mit seinem Kreuz auf der Brust wohl nichts mit dem Kislar zu tun haben — seinen Geschäften nach schien er jedoch dem Serail nicht ganz fern zu stehen.
    „Die Ulema sind also immer nodi auf seiten der Truppen?“ fragte Kaplan obenhin.
    „Wenn Sulali das gesagt hat, so ist er zu bedauern“, war die Antwort. „Die Ulema wollen es sich nicht mehr gefallen lassen, daß die Janitscharen ihre Mufti absetzen. Und Sulalis Amtsbruder von Rumili - Hoheit kennen ja Paschmakdschisade - hat seinen Leuten Stockschläge versprochen, wenn sie sich mit Patrona einlassen.“
    „Ich weiß es“, lachte Kaplan gutgelaunt, „und so wollen wir uns vor dem Stock hüten, der uns bedroht.“

11
    Die Arme hinter dem Nacken verschränkt, das linke Bein über dem aufgestützten rechten, lag Julienne rücklings auf dem Diwan, also gerade recht, den linken Fuß so wippen zu lassen, um die Knöchelringe zum Klirren zu bringen.
    „Ganz gescheit“, meinte sie, „die Frauenzimmer hier wissen, wie man es macht. Auf so was fliegen die Männer.“
    Da alle anderen Damen beim Empfang der englischen Gesandtin waren und die beiden kleinen Mädchen, die ihr hatten Gesellschaft leisten sollen, von ihr weggeschickt worden waren, so gab es niemand außer ihr im Raum, und an sie selbst richteten sich darum ihre Worte. An Selbstgespräche hatte sie sich seit langem gewöhnt.
    „Was sind sie eigentlich, diese Fußreifen? Zeichen der Sklaverei?“ fuhr sie fort. „Wenn ich diesen hageren, alten Mann wiedertreffe, werde ich ihn fragen. Er jedenfalls wird sich nicht wundern, wenn ich es tue. Aber wenn auch Sklavenringe! Diese Hosenfrauen haben aus Sklavenringen auch nur wieder ein Mittel zu ihrer eigenen Vergötterung gemacht, eine nette kleine Aufforderung mit Klirremusik haben sie daraus gemacht, ihnen die Füße zu küssen. Die nackten Füße natürlich. Schuhe und Knöchelringe passen nicht zusammen. Weg mit den Schuhen!“
    Und ohne daß sie ihre Hände bemühte, befreite sie sich mit den Fußspitzen derart, daß die weit ausgeschnittenen Schuhe davonflogen. „Die Batthany, die Frau Gräfin“, erregte sie sich über ihre Erzfeindin, die ihr, so fern sie sein mochte, immer nahe war, „die und Knöchel-reifen! Eine Watschelgans auf Stöckelschuhen — jawohl, das ist sie! Und wahrscheinlich hat sie Hühneraugen.“
    Julienne blinzelte die eigenen Füße kritisch an, einen nach dem andern und sehr sorgfältig.

Weitere Kostenlose Bücher