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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Pforte vorgeladen worden und befand sich bereits auf der Reise nach Stambul, als er den Befehl erhielt, in Janboli zu verharren.“
    Mengligirai war Kaplans Bruder und gegenwärtiger Khan - Janboli eine Art von giraischen Ganerbentum, das der ganzen Familie gehörte. Der Herr Bruder könne dort lange harren, dachte Kaplan ohne besondere Abneigung, aber auch ohne große Teilnahme. Daß ein Mitglied der Familie nach Janboli verwiesen wurde, war auch gar nicht aufregend. Es war ein beliebtes Aushilfsmittel der Pforte, wenn es Unruhen im Khanat zu beseitigen oder ihnen vorzubeugen galt. Nur erkläre das nicht Sulalis Kommen. Lediglich um Stunden vor einer Pfortenbotschaft zu erscheinen, sei er gewiß nicht da, dachte Kaplan, und war zugleich davon überzeugt, daß er um so mehr erfahren werde, je weniger er zu wissen vorgebe. Und wenn es auch nur Bestätigungen sein sollten, so könnten auch die von Wert sein. „Sie sagten, Efendi“, begann er, „mein Bruder wurde vorgeladen, und er erhielt einen Befehl. Wer lud vor und wer befahl?“
    „In beiden Fällen befahl der Großwesir — allerdings mit einem Unterschied: die Vorladung nach Stambul erfolgte, damit sich Mengligirai in Person der Umtriebe gegen ihn erwehren möge. Das war des Großwesirs wirkliche Absicht. Der Befehl, in Janboli zu bleiben, wurde der Hoheit hingegen abgerungen . ..“
    „Vom Kislar?“
    „Haben Hoheit nie etwas von Patrona Chalil gehört?“
    „Ich erinnere mich“, sagte Kaplan und verleugnete damit jede genauere Kenntnis von den Vorgängen in Stambul. „Ist das nicht der Name eines Janitscharen, der während des Aufstandes viel genannt wurde?“
    „Es ist der Name des Mannes, der jetzt am Bosporus herrscht“, war Sulalis Antwort.
    Sie wog schwer genug, um eine Pause zu hinterlassen. Dann erst ergänzte sie Kaplan.
    „Also des Mannes, der mich auf den Thron meiner Familie zurückführen will.“
    „Zurückgeführt hat.“
    „Und Sie glauben, das sei endgültig?“
    „Es stünde schlimm um uns, wenn es nicht so wäre.“
    „Demnach verdanken auch Sie ihm Ihre Ernennung?“
    „Ich verdanke sie den Truppen, obwohl ich sie von Sultan Ahmed hätte erlangen können. Aber die Truppen erschienen mir sicherer.“ „Und jetzt sind Sie dessen nicht mehr so gewiß? Denn irgendeinen Grund muß es doch haben, daß Sie diese Unterredung mit mir suchen. Nur um mir mit der Wiedereinsetzung als Khan ein hübsches Geschenk zu überbringen, sind Sie gewiß nicht gekommen.“
    „Als Hoheits Verbündeter bin ich hier. Warum Patrona auf Hoheit verfallen ist . ..“
    „Oder Sulali auf midi verfiel . . .“
    „Audi das . .. scheint mir klar. Mengligirai ist im Besitz. Das macht ihn hochmütig und eher dem Serail geneigt als dem Fleischmarkt und den Kasernen.“
    „Wohingegen ich . . .?“
    „Wer einmal, wie Hoheit, mit seinen Reitern, ein Pferd unter sich, den Säbel an der Seite, die Russen gejagt hat, der kehrt, wenn er kann, in die Steppe zurück und wird alles tun, um nicht wieder die Beschaulichkeit Brusas oder eines anderen angenehmen Ortes aufsuchen zu müssen.“
    „Stimmt“, sagte Kaplan, wobei es ihm weniger auf eine genaue Festlegung gegenüber der etwas phrasenhaften Unterstellung als darauf ankam, Sulali weiterzutreiben. „Aber Klatsch und Neugier gedeihen nirgends so gut wie in einem der beschaulichen Orte, von denen Hochwürden sprachen. Ich bekenne mich zur Neugier. Würden Sie mir eine Frage beantworten?“
    „Gern.“
    „Ihnen erschienen die Truppen sicherer als Sultan Ahmed. Nun ist jedoch der von Ahmed ernannte Großwesir immer noch im Amt. Die Frage, wer in den entscheidenden Stunden mehr Kaiser war: Ahmed oder Patrona, ist also nodi nicht beantwortet?“ „Nein“, gab der Kadiasker zu, „erst wenn es feststeht, wer länger im Amt bleibt: der Großwesir oder . . . Sulali, wird man es wissen. Vielleicht ist es aber nicht unwichtig, daß Patrona und ich Landsleute sind.“
    „Was für welche?“
    „Albaner, Hoheit.“
    „So, so - Albaner. Dann allerdings!“ Kaplan lächelte. Das Zusammenkletten aller Albaner war bekannt. „Und dann ist Patrona wohl auch fromm?“
    „Sehr fromm, Hoheit.“ Nun lächelte auch Sulali. „Allah sei Dank!“ „Ihm sei Dank. Hochwürden werden aber verzeihen, daß ein Mann, der wie ich wieder in die große Welt zurück soll, gern seinen Weg sehen möchte. Nun weiß ich wohl, daß Sie von einem Ihrer Landsleute gehalten werden, der, wie Sie selbst sagten, am Bosporus herrscht, also von

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