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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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die Füße, um dort eine kleine Zusammenraffung zu erfahren. Darüber das hauchdünne Hemd, bei dem es darauf ankam, daß die von ihm mehr geschmückten als verhüllten Rundungen sehenswert waren. Bei Julienne war das ebenso wie mit ihren Haaren der Fall, die einen perlendurchflochtenen bewunderten Zopf ergeben hatten. Der Kaftan, fest in die Hüfte geschmiegt, war fast so lang wie die Hosen, und der Talpotsch, die Tellerkappe mit herunterhängender Goldquaste - bei Julienne eine juwelenübersäte Goldquaste kam schräg auf den Kopf. Das alles war von Schmuck beherrscht worden. Juliennes Erstaunen war groß gewesen, welch Vielerlei man herangeschleppt hatte, um unter dem Mannigfaltigen gerade das Richtige zu finden.
    Daß eine einfache Oda, so groß deren Autorität in ihrem Rahmen auch sein mochte, damit allein hätte fertig werden können - daran hatte natürlich niemand gedacht, sie selbst am allerwenigsten. Nein, Julienne war gewissermaßen von einer Hand in die andere gewandert. Höchstbewährte Fachleute: Bader, Masseure, Salber, Schminker, Ankleider und Ankleiderinnen, Schmücker und Schmückerinnen hatten sich von der ersten Grundierung bis zur Vollendung an dem Meisterwerk beteiligt, in dem Julienne, deren mancherlei Widerstände nur durch Berufung auf ihre weibliche Eitelkeit zu überwinden gewesen waren, sich selbst zuletzt nicht mehr wiedererkannt hatte. Doch dann hatte sie sich plötzlich sputen müssen. Ein Edler Befehl war nämlich gekommen, daß die erhabene Walide geruhe, die fränkische Dame gerade jetzt in Audienz empfangen zu wollen.
    Eine leichte Betäubung hatte sich Juliennes schon bemächtigt; aber ihr schwer zu erschütterndes Selbstbewußtsein und ein Hofknicks hoher Grade, der ihr wie angeboren aus den Gelenken gerollt war, hatten bei der Audienz um so größeren Eindruck hinterlassen, je geringere Erwartungen man gehegt hatte. Für die Walide war dieser Empfang nur ein Staatsakt gewesen - die Erfüllung eines Wunsches des Kislars, dem es infolge der sich überstürzenden Ereignisse nicht einmal möglich gewesen war, diesen Wunsch persönlich vorzubringen und ihn zu begründen. Und das hatte für Julienne eine recht ungewisse Lage ergeben. Wohl hatte sie vom ersten Augenblick an für Aigische Sultana eine Sympathie wie für eine mütterliche Freundin empfunden, und diese Gefühle waren von der hohen Dame erwidert worden; aber das alles hatte Aigisches Wissen auch nicht vermehren können - in Wahrheit war die Sultana eigentlich erst durch Julienne ein wenig unterrichtet worden. In dem „hageren Herrn“, den Julienne so stürmisch zu sprechen begehrt hatte, Beschir zu erkennen, war für die Walide nicht schwer gewesen. Aber durch ein ganzes Leben war Aigische zur Vorsicht erzogen worden, und schon deswegen war kein
    Wort über ihre Lippen gekommen, das die Kreise ihres Kislars hätte stören können. Und welches Wort hätte das nicht vermocht?
    Jetzt wartete Julienne in diesem Raum auf die Rückkehr der Walide, die ihr eine Unterredung unter vier Augen versprochen hatte. Ihre Mädchen hatte Julienne fortgeschickt, um sich vorher zu sammeln. Betrachtungen über weibliche Fußreifen gehörten mit dazu und alles, was ihr noch durch den Kopf schießen würde. Aber es gab genug Leute, die es erfahren und meist höchst unliebsam erfahren hatten, daß sie sehr wohl fähig war, die ganze Kraft ihrer Gedanken auf ein und denselben Gegenstand zu vereinigen. Leicht entging ihr da nichts. So hatte sie gehört, daß ein Mädchen, einmal in die Register des Harems eingetragen, ihm für die Zeit ihres Lebens verhaftet sei. Hartnäckig verfolgte sie diesen Einfall bis zu der Vorstellung, daß sie zur Zeit in unendlich verfeinerter Form dem gleichen Vorgang wie damals beim Überfall der Banditen ausgeliefert sei, damals, als sie, ihrer Freiheit beraubt, fortgeschleppt worden war. Überdies seien die Banditen weit weniger Banditen gewesen. Denen sei es doch wohl nur auf ein Lösegeld angekommen, während jetzt ihre Freiheit für Lebenszeit bedroht sei. Sie entwickelte einen ganz echten Zorn. Man denke: lebenslänglich! Bis sie in ein lautes Lachen über sich selbst ausbrach.
    „Der Harem“, sagte sie laut und lachte noch immer, „würde sich durch mich entehrt glauben. Reihenweise würden die Leute in diesem wunderbaren Haus, in diesen Häusern, in dieser Stadt von Häusern der Glückseligkeit bei dem Gedanken in Ohnmacht fallen, daß ein so wenig schönes Mädchen wie ich hierbleiben könnte. Weißt du,

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