Der ewige Gaertner
Alles Liebe, Tess
Die Angeklagte ist unschuldig im Sinne der Anklage, teilte Justin ihr mit. Und ich darf mich mal wieder ordentlich schämen, wie immer.
***
Wunderbar besänftigt, fuhr Justin mit seinem Puzzlespiel fort.
Auszug aus Rob und Lesleys gemeinsamem Bericht an Inspektor Frank Gridley, Abteilung für Überseeverbrechen, Scotland Yard, über ihre dritte Unterredung mit Woodrow, Alexander Henry, Leiter der Kanzlei im Britischen Hochkommissariat, Nairobi.
Der Befragte gibt mit Nachdruck wieder, was er als Meinung von Sir Bernard Pellegrin, dem Afrika-Experten des Außenministeriums, bezeichnet und wonach weitere Nachforschungen im Sinne von Tessa Quayles Memorandum die Beziehungen der britischen Regierung zur Republik Kenia unnötig gefährden und britischen Handelsinteressen schaden würden … Unter Berufung auf Sicherheitsinteressen weigert sich der Befragte, den Inhalt des besagten Memorandums zu enthüllen … Der Befragte bestreitet jegliche Kenntnis eines neuartigen Medikaments, das derzeit von der Firma ThreeBees in Afrika auf den Markt gebracht wird … Der Befragte weist uns darauf hin, dass Bitten um Einsichtnahme in Tessa Quayles Memorandum direkt an Sir Bernard zu richten seien, vorausgesetzt, dass es noch existiert, was der Befragte geneigt ist zu bezweifeln. Der Befragte schildert Tessa Quayle als eine lästige, hysterische Frau und als psychisch labil in Angelegenheiten, die mit ihrem sozialen Engagement zusammenhängen. Wir verstehen dies als bequemen Vorwand, um die Bedeutung ihres Memorandums herunterzuspielen. Wir stellen hiermit den Antrag, so schnell wie möglich ein formelles Gesuch an das Außenministerium zu richten und darin um Herausgabe von Kopien aller Unterlagen zu ersuchen, die dem Befragten von der verstorbenen Tessa Quayle übergeben wurden.
Randnotiz in Rot, unterzeichnet von F. Gridley, Inspektor: MIT SIR B. PELLEGRIN GESPROCHEN. GESUCH IM INTERESSE DER NATIONALEN SICHERHEIT ABGELEHNT.
Auszüge aus medizinischen Fachzeitschriften unterschiedlichster Herkunft, die in angemessen unverständlicher Ausdrucksweise die sensationellen Vorzüge des neuartigen Medikaments Dypraxa priesen, seine »fehlende Mutagenität« und seine »lange Halbwertzeit im Organismus von Ratten«.
Auszug aus dem Haiti Journal of Health Sciences , worin vorsichtige Bedenken gegen Dypraxa angemeldet werden, geschrieben von einem pakistanischen Arzt, der klinische Studien in einer haitianischen Forschungsklinik durchgeführt hat. Die Wendung »potenzielle Toxizität« hat Tessa rot unterstrichen; als Schreckgespenster werden Leberversagen, innere Blutungen, Schwindelgefühle, die Schädigung des Sehnervs beschworen.
Auszug aus der folgenden Ausgabe desselben Blattes, in der ein starkes Aufgebot medizinischer Eminenzen mit eindrucksvollen Professuren und Titeln den vernichtenden Gegenschlag führt und sich dabei auf dreihundert Testfälle beruft. Der Artikel bezichtigt den armen Pakistani der »Voreingenommenheit« und »Verantwortungslosigkeit gegenüber seinen Patienten« und lässt Beschimpfungen auf ihn herabregnen.
(Handschriftliche Bemerkung von Tessa: Diese unvoreingenommenen Meinungsführer sind durch die Bank als »freie Mitarbeiter« mit KVH verbunden und dürfen auf der Suche nach viel versprechenden Forschungsprojekten im Biotech-Bereich nach Lust und Laune um die Welt reisen.)
Von Tessa handschriftlich erstellte Auszüge aus einem Buch mit dem Titel Klinische Studien von Stuart Pocock – ihre Lieblingsmethode, um sich Sachverhalte einzuprägen. Einige Passagen im Kontrast zum nüchternen Stil des Autors durch rote Unterstreichungen hervorgehoben:
Nicht nur Studenten, sondern auch viele Klinikärzte neigen dazu, der medizinischen Fachliteratur mit allzu großem Respekt zu begegnen . Bekannte Zeitschriften wie Lancet oder New England Journal of Medicine stehen in dem Ruf, neue medizinische Fakten zu präsentieren, die hieb- und stichfest sind. Vielleicht wird dieser naive Glaube an das »klinische Evangelium« durch den dogmatischen Stil gefördert, dessen sich viele Autoren befleißigen, sodass die jedem Forschungsprojekt innewohnenden Unschärfen häufig unangemessen gewichtet sind …
(Tessas Anmerkung: Selbst in den angeblich seriösen Zeitschriften erscheinen ständig Artikel, die von der Pharmaindustrie lanciert werden.)
Was die Vorträge bei wissenschaftlichen Tagungen und die Werbeanzeigen der Pharmafirmen betrifft, so ist noch
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