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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Tessa sogar eine Todesdrohung geschickt. Das habe ich erst vor ein paar Tagen herausgefunden. Sie hat mir nie davon erzählt.«
    »Das war mutig von ihr«, sagte Birgit.
    Dann fielen ihr die Baguettes ein. Sie setzten sich wieder auf eine Bank, und während sie aßen, knabberte Carl an einem Zwieback und sang vor sich hin. Die zwei alten Wachposten marschierten, ohne sie zu beachten, an ihnen vorbei den Hügel hinunter.
    »War ein System dabei – bei dem, was sie geklaut haben? Oder haben sie einfach wahllos alles mitgenommen?«
    »Wahllos, aber auch mit System. Roland sagt, da gab’s kein System, aber Roland ist ein lockerer Typ. Er regt sich nicht so schnell auf. Er ist wie ein Sportler, dessen Herz halb so schnell schlägt wie das von normalen Menschen und der deshalb schneller laufen kann als alle anderen. Aber nur, wenn er will. Wenn es nützlich ist, schnell zu laufen, läuft er schnell. Wenn man nichts tun kann, bleibt er im Bett.«
    »Was war das für ein System?«, fragte Justin.
    Birgit runzelt die Stirn genau wie Tessa, dachte er. Ein Zeichen von professioneller Besonnenheit. Wie bei Tessa unternahm er keinen Versuch, ihr Schweigen zu stören.
    »Wie haben Sie Tessa das Wort waghalsig übersetzt?«, fragte sie schließlich.
    »Mit leichtsinnig, glaube ich. Oder tollkühn. Warum?«
    »In diesem Sinne war auch ich waghalsig «, sagte Birgit.
    Carl wollte getragen werden; das verlange er sonst nie, sagte sie. Justin konnte gefahrlos darauf bestehen, die Last zu schultern. Sie schnallte sich umständlich den Rucksack vom Rücken, holte den Tragegurt heraus und stellte die Riemen weiter, und erst, als sie mit dem Sitz zufrieden war, hob sie Carl hinein und ermahnte ihn, lieb zu seinem neuen Onkel zu sein.
    »Ich war mehr als waghalsig . Ich war ein kompletter Idiot.« Sie biss sich auf die Lippe, so peinlich war ihr, was sie zu sagen hatte. »Bei uns wurde ein Brief abgegeben. Vorige Woche. Donnerstag. Per Kurier aus Nairobi. Kein Brief, ein Dokument. Siebzig Seiten. Über Dypraxa. Geschichte, möglicher Nutzen, Nebenwirkungen. Positiv und negativ, aber hauptsächlich negativ, wegen der Todesfälle und Nebenwirkungen. Der Name des Autors fehlte. In wissenschaftlicher Hinsicht war das Ganze absolut objektiv, in anderer Hinsicht allerdings ziemlich verrückt. Adressiert an Hippo, nicht an einen namentlich genannten Empfänger. Nur Hippo. An die Damen und Herren von Hippo.«
    »Auf Englisch?«
    »Ja, aber nicht von einem Engländer geschrieben, glaube ich. Getippt, also kein Hinweis auf die Handschrift. Es ist darin viel von Gott die Rede. Sind Sie religiös?«
    »Nein.«
    »Aber Lorbeer ist religiös.«
    ***
    Der Nieselregen verstärkte sich gelegentlich zu kurzen Schauern.
    Birgit saß auf einer Bank. Sie hatten eine Schaukel entdeckt, mit Querstangen rundherum, damit die Kinder nicht herausfallen konnten. Carl musste in eine hineingehoben und angeschubst werden. Er kämpfte mit dem Schlaf. Eine katzenhafte Mattigkeit hatte sich seiner bemächtigt. Er hatte die Augen halb geschlossen und lächelte, während Justin ihn übertrieben vorsichtig anstieß. Ein weißer Mercedes mit Hamburger Kennzeichen fuhr langsam den Hügel hinauf an ihnen vorbei, umrundete einmal den überschwemmten Parkplatz und kam wieder zurück. Am Steuer ein Mann, neben ihm ein zweiter. Justin dachte an die beiden Frauen in dem geparkten Audi am Morgen gegenüber dem Büro von Hippo. Der Mercedes entschwand den Hügel hinunter.
    »Tessa hat gesagt, Sie beherrschen alle Sprachen«, sagte Birgit.
    »Das heißt aber nicht, dass ich in allen etwas zu sagen habe. Inwiefern waren Sie waghalsig? «
    » Dumm wäre ein passenderer Ausdruck.«
    »Also, inwiefern waren Sie dumm?«
    »Es war eine Dummheit von mir, dass ich in meiner Aufregung, als der Kurier das Dokument aus Nairobi abgegeben hatte, gleich bei Lara Emrich in Saskatchewan angerufen habe. ›Lara‹, habe ich zu ihr gesagt, ›wir haben hier einen ausführlichen, anonymen, überaus rätselhaften, überaus verrückten, absolut authentischen Aufsatz über Dypraxa erhalten, ohne Absender, ohne Datum, aber ich glaube, er stammt von Markus Lorbeer. Es geht um Todesfälle bei der Verabreichung des Medikaments zusammen mit anderen Medikamenten und wird dir bestimmt sehr weiterhelfen.‹ Ich war so glücklich, weil schon im Titel des Dokuments ihr Name erwähnt wurde. Er lautete nämlich: ›Doktor Emrich hat Recht.‹ ›Der Aufsatz ist verrückt‹, sagte ich zu ihr, aber leidenschaftlich wie

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