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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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den Aufsatz aber per Kurier aus Nairobi«, gab er skeptisch zu bedenken.
    »Die Anschrift war getippt, der Begleitschein mit der Hand ausgefüllt. Das Päckchen wurde vom Hotel Norfolk in Nairobi aus abgeschickt. Der Absender war schwer zu entziffern, aber ich glaube, er hieß McKenzie. Vielleicht ein Schotte? Falls es nicht möglich gewesen wäre, das Päckchen abzuliefern, hätte es nicht nach Kenia zurückgeschickt, sondern vernichtet werden sollen.«
    »Der Begleitschein hatte vermutlich eine Nummer.«
    »Der Begleitschein klebte auf dem Umschlag. Als ich den Aufsatz über Nacht in den Safe gelegt habe, habe ich ihn in den Umschlag gesteckt. Und so ist der natürlich auch verschwunden.«
    »Wenden Sie sich an den Kurierdienst. Da gibt’s bestimmt eine Kopie.«
    »Der Kurierdienst hat keinerlei Unterlagen zu diesem Päckchen. Weder in Nairobi noch in Hannover.«
    »Wo finde ich sie?«
    »Lara?«
    Der Regen prasselte auf das Blechdach, die orangefarbenen Lichter der Stadt verschwammen im Dunst. Birgit riss ein Blatt Papier aus ihrem Kalender und schrieb eine lange Telefonnummer darauf.
    »Sie hat ein Haus, jedoch nicht mehr lange. Sie können auch bei der Universität nachfragen, aber Sie müssen vorsichtig sein, denn dort hasst man sie.«
    »Hat Lorbeer mit beiden geschlafen, mit Kovacs und mit Emrich?«
    »Für Lorbeer wäre das nicht ungewöhnlich. Aber ich glaube, bei dem Streit zwischen den beiden Frauen ging es nicht um Sex, sondern um das Molekül.« Sie verstummte, folgte seinem Blick. Er starrte in die Ferne, doch da war nichts zu sehen außer den Hügeln, die aus dem Nebel ragten. »Tessa hat mir oft geschrieben, wie sehr sie Sie liebt«, sagte sie leise zu seinem abgewandten Gesicht. »Nicht direkt, das war nicht nötig. Sie sagte, Sie seien ein Ehrenmann, und im Fall des Falles würden Sie sich ehrenhaft verhalten.«
    Birgit schickte sich an zu gehen. Er reichte ihr den Rucksack, und dann schnallten sie Carl in seinen Kindersitz und zupften das Cape so zurecht, dass sein schläfriger Kopf aus dem Loch schaute. Sie stand leicht gebückt vor ihm.
    »Also dann«, sagte sie. »Sie gehen zu Fuß?«
    »Ich gehe zu Fuß.«
    Sie zog einen Umschlag aus ihrer Jacke.
    »Das ist alles, was ich von Lorbeers Roman in Erinnerung behalten habe. Ich habe es für Sie aufgeschrieben. Meine Handschrift ist schrecklich, aber Sie werden es schon entziffern können.«
    »Ich danke Ihnen sehr.« Er stopfte den Umschlag in seinen Regenmantel.
    »Dann wünsche ich Ihnen einen guten Heimweg«, sagte sie.
    Sie wollte ihm die Hand reichen, überlegte es sich dann aber anders und gab ihm einen Kuss auf den Mund: einen ernsten, bedächtigen Kuss – aus Sympathie, zum Abschied –, der zwangsläufig unbeholfen ausfiel, weil sie gleichzeitig das Fahrrad festhalten musste. Dann hielt Justin das Fahrrad, während sie den Helm unterm Kinn festschnallte. Und schließlich schwang sie sich auf den Sattel und radelte den Hügel hinunter davon.
    * **
    Ich gehe zu Fuß.
    Er ging in der Mitte des Wegs und behielt die dunklen Rhododendronbüsche auf beiden Seiten im Blick. Alle fünfzig Meter stand eine Bogenlampe. Er suchte die schwarzen Bereiche dazwischen mit den Augen ab. Die Abendluft roch nach Äpfeln. Er gelangte an den Fuß des Hügels, schritt auf den geparkten Mercedes zu und passierte die Motorhaube im Abstand von zehn Metern. Kein Licht im Wagen. Vorne saßen zwei Männer, aber soweit er an ihren reglosen Silhouetten erkennen konnte, waren es nicht dieselben zwei, die vorhin den Hügel hinauf und wieder hinunter gefahren waren. Als er weiterging, überholte ihn das Auto. Er ignorierte es bewusst, stellte sich aber vor, dass die zwei Männer ihn beobachteten. Der Mercedes kam an eine Kreuzung und bog links ab. Justin wandte sich nach rechts, in Richtung Stadt. Ein Taxi fuhr vorbei, der Fahrer rief ihm etwas zu.
    »Danke, vielen Dank«, rief Justin freundlich zurück, »aber ich gehe lieber zu Fuß.«
    Keine Antwort. Er ging jetzt auf dem Bürgersteig, immer am äußeren Rand. An der nächsten Kreuzung gelangte er in eine hell erleuchtete Nebenstraße. In Hauseingängen kauerten junge Männer und Frauen mit erloschenen Augen. An den Ecken standen Männer in Lederjacken und sprachen, den Ellbogen abgewinkelt, in Handys. Er überquerte noch zwei Straßen, dann erblickte er vor sich sein Hotel.
    Im Foyer herrschte der übliche, unvermeidliche Abendrummel. Gerade war eine japanische Delegation eingetroffen, Kameras blitzten, Pagen

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