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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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stapelten teure Koffer in den einzigen Aufzug. Justin reihte sich in die Schlange ein, zog den Regenmantel aus und nahm ihn so über den Arm, dass Birgits Umschlag in der Innentasche nicht zu sehen war. Als der Aufzug kam, trat er zurück und ließ die Frauen zuerst hineingehen. Er fuhr bis zur dritten Etage und stieg als einziger aus. Der abscheuliche Korridor mit der fahlen Neonbeleuchtung erinnerte ihn an das Uhuru-Krankenhaus. In jedem Zimmer plärrte ein Fernseher. Sein eigenes hatte die Nummer 311, und als Schlüssel diente ein flaches Stück Plastik mit einem schwarzen Pfeil drauf. Der Lärm rivalisierender Fernsehgeräte machte ihn rasend, und er hatte nicht übel Lust, sich bei irgendjemandem zu beschweren. Wie soll ich bei diesem Krach an Ham schreiben? Er trat in sein Zimmer, legte den Regenmantel über einen Stuhl und erkannte seinen eigenen Fernseher als den Schuldigen. Offenbar hatten die Zimmermädchen ihn angestellt, als sie hier aufräumten, und sich nicht die Mühe gemacht, ihn dann wieder auszuschalten. Er näherte sich dem Kasten. Genau die Art Sendung lief, die ihm besonders zuwider war. Ein halb bekleideter Sänger brüllte zum Entzücken eines ekstatischen jungen Publikums aus vollem Hals ins Mikrofon, und über den Bildschirm rieselte glitzernder Schnee.
    Und das war auch das Letzte, was Justin sah, bevor die Lichter ausgingen: leuchtende Schneeflocken auf seinem inneren Bildschirm. Schwärze senkte sich über ihn, und dann fühlte er nur noch, wie er geschlagen wurde. Ihm blieb die Luft weg. Jemand hielt seine Arme fest, ein Klumpen rauhen Stoffs wurde ihm in den Mund gestopft. Seine Beine wurden unter ihm weggerissen, und er kam zu dem Schluss, dass er einen Herzinfarkt hatte. Die Annahme bestätigte sich, als ihm ein zweiter Schlag in den Magen versetzt wurde, der ihm den letzten Rest Atem nahm; als er zu schreien versuchte, geschah nichts, er hatte weder Stimme noch Luft, und der Stoffklumpen würgte ihn.
    Jemand kniete auf seiner Brust. Etwas wurde ihm um den Hals gebunden, eine Schlinge, wie er annahm, man will mich hängen, dachte er. Dann sah er Bluhm vor sich, an einen Baum genagelt. Er roch Bodylotion, einen männlichen Duft, und erinnerte sich an Woodrows Körpergeruch und wie er an dessen Liebesbrief geschnüffelt hatte, um festzustellen, ob der auch danach roch. Ausnahmsweise einmal war Tessa aus seinem Gedächtnis verschwunden. Er lag auf dem Fußboden, auf der linken Seite, und was immer man ihm in den Magen gestoßen hatte, stieß man ihm jetzt mit großer Wucht in den Unterleib. Sein Kopf war von einer Art Kapuze verhüllt, aber noch wurde er nicht gehängt, er lag immer noch auf der Seite. Der Knebel würgte ihn, er erbrach sich, bekam das Zeug aber nicht aus dem Mund und musste es wieder runterschlucken. Hände wälzten ihn auf den Rücken, streckten seine Arme seitlich aus, Handflächen nach oben, Knöchel in den Teppich gedrückt. Die wollen mich kreuzigen, wie Arnold. Aber sie kreuzigten ihn nicht, noch nicht; sie hielten seine Hände unten und verdrehten sie, und der Schmerz war schlimmer als aller Schmerz, den er je erlebt hatte, zusammen: in seinen Armen, in Brust, Beinen und Unterleib. Bitte, dachte er. Nicht meine rechte Hand, sonst kann ich ja nicht mehr an Ham schreiben. Und offenbar erhörten sie sein Gebet, denn der Schmerz ließ nach, und er vernahm eine Männerstimme, norddeutsch, aus Berlin vielleicht, und ziemlich kultiviert. Die Stimme gab den Befehl, das Schwein wieder auf die Seite zu legen und ihm die Hände auf den Rücken zu binden, und der Befehl wurde befolgt.
    »Mr Quayle. Hören Sie mich?«
    Dieselbe Stimme, doch jetzt sprach sie Englisch. Justin gab keine Antwort. Aber nicht aus Mangel an Höflichkeit, sondern weil es ihm gelungen war, den Knebel auszuspucken, und er sich jetzt noch einmal erbrach, und das Zeug ihm um den Hals in die Kapuze lief. Der Ton des Fernsehers wurde leiser gestellt.
    »Das reicht, Mr Quayle. Schluss jetzt damit, okay? Oder es ergeht Ihnen wie Ihrer Frau. Hören Sie mich? Wollen Sie noch mehr Prügel, Mr Quayle?«
    Bei dem zweiten »Mr Quayle« wurde ihm noch ein fürchterlicher Tritt in den Unterleib versetzt.
    »Vielleicht hören Sie ein bisschen schwer. Wir lassen Ihnen einen Brief hier, okay? Auf Ihrem Bett. Wenn Sie aufwachen, lesen Sie den Brief und lernen ihn auswendig. Und dann gehen Sie nach England zurück, verstanden? Sie stellen keine bösen Fragen mehr. Sie gehen nach Hause und sind ein braver Junge. Das

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