Der ewige Gaertner
für Sie«, sagte sie. »Es ist furchtbar. Sie müssen sehr traurig sein.«
»Ich danke Ihnen.«
»Dypraxa hat sie getötet.«
»Das glaube ich auch. Indirekt, aber dennoch.«
»Dypraxa hat viele Menschen getötet.«
»Aber nicht alle sind von Markus Lorbeer verraten worden.«
Eine Etage über ihnen brandete Fernsehapplaus auf.
»Amy ist eine Freundin von mir«, sagte Lara, als wäre Freundschaft ein Übel. »Noch arbeitet sie als Ärztin in der Universitätsklinik. Aber leider hat sie eine Petition unterschrieben, in der meine Wiedereinstellung verlangt wird, außerdem ist sie Gründungsmitglied der Ärzte mit Moral hier in Saskatchewan. Deshalb wird man einen Vorwand suchen, um sie rauszuwerfen.«
Justin wollte gerade fragen, unter welchem Namen er Amy bekannt sei, Quayle oder Atkinson, als oben an der Treppe ein Paar flauschige Pantoffeln auftauchten und eine kräftige Frauenstimme zu ihnen hinunterrief: »Bring ihn rauf, Lara. Der Mann braucht einen Drink.«
Amy, eine dicke Frau mittleren Alters, war eine dieser ernsten Personen, die sich selbst als komische Gestalt inszenieren. Sie trug einen karmesinroten Seidenkimono und Piratenohrringe. Ihre Pantoffeln hatten Glasaugen. Aber unter ihren eigenen Augen lagen dunkle Schatten, und in den Mundwinkeln hatte sie tiefe Kummerfalten.
»Die Leute, die Ihre Frau umgebracht haben, sollte man aufhängen«, sagte sie. »Scotch, Bourbon oder Wein? Das ist Ralph.«
Ein großes Mansardenzimmer mit hohen Schrägen, vollständig mit Kiefernholz ausgekleidet. Am anderen Ende eine Bar. Ein riesiger Fernseher, in dem Eishockey lief. Ralph, ein älterer Mann mit schütterem Haar, saß im Morgenmantel in einem Kunstledersessel und hatte seine Füße, die in Pantoffeln steckten, auf den zugehörigen Hocker gelegt. Als er seinen Namen hörte, hob er eine leberfleckige Hand, ließ aber den Bildschirm nicht aus den Augen.
»Willkommen in Saskatchewan. Holen Sie sich was zu trinken«, rief er mit mitteleuropäischem Akzent.
»Wer führt?«, fragte Justin, um freundlich zu sein.
»Die Canucks.«
»Ralph ist Anwalt«, sagte Amy. »Stimmt’s, Schätzchen?«
»Bin eigentlich gar nichts mehr. Der verdammte Parkinson bringt mich noch ins Grab. Riesenschweinerei, was die von der Uni sich geleistet haben. Sind Sie deswegen hier?«
»Mehr oder weniger.«
»Unterdrücken die freie Meinungsäußerung, drängen sich zwischen Arzt und Patient. Wird Zeit, dass endlich mal ein paar gebildete Männer und Frauen den Mut aufbringen, für die Wahrheit einzutreten, statt wie ein Haufen erbärmlicher Feiglinge vor diesen Arschlöchern im Staub zu kriechen.«
»Da haben Sie Recht«, sagte Justin höflich und nahm ein Glas Weißwein von Amy entgegen.
»Karel Vita, die haben das Sagen, und Dawes tanzt nach ihrer Pfeife. Fünfundzwanzig Millionen Dollar geben sie als Startgeld für ein neues biotechnisches Zentrum, fünfzig weitere sind zugesagt. Das sind keine Peanuts, nicht mal für reiche Hirnamputierte wie die von Karel Vita. Und wenn alle schön kuschen, kommt noch viel mehr. Wie zum Teufel soll man solchem Druck standhalten?«
»Man muss es versuchen «, sagte Amy. »Wenn man es nicht versucht, kann man einpacken.«
»Einpacken kann man immer, ob man’s versucht oder nicht. Sagst du deine Meinung, streichen sie dir das Gehalt, schmeißen dich raus und jagen dich aus der Stadt. Freie Meinungsäußerung ist in dieser Stadt sehr kostspielig, Mr Quayle – kostspieliger, als die meisten von uns sich leisten können. Wie heißen Sie mit Vornamen?«
»Justin.«
»In dieser Stadt herrscht Monokultur, Justin, jedenfalls wenn’s um freie Meinungsäußerung geht. Alles bestens, solange sich nicht irgendein verrücktes russisches Miststück in den Kopf setzt, in medizinischen Fachzeitschriften haarsträubende Artikel zu veröffentlichen, in denen sie über eine raffinierte kleine Pille herzieht, die sie entwickelt hat und die der Firma Karel Vita, Allah beschütze sie, zufällig ein paar Milliarden im Jahr einbringt. Wo sollen die beiden hin, Amy?«
»Ins Arbeitszimmer.«
»Denk dran, das Telefon rüberzuschalten, damit sie nicht gestört werden. Amy ist für die Technik zuständig, Justin. Ich bin der alte Knacker. Wenn Sie was brauchen, Lara bringt es Ihnen. Kennt das Haus besser als wir, reine Verschwendung, wenn man bedenkt, dass wir in ein paar Monaten sowieso rausgeschmissen werden.«
Und damit wandte er sich wieder den siegreichen Canucks zu.
***
Sie sieht ihn nicht mehr, dabei
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