Der ewige Gaertner
Vorderreifen ist platt. Von Tatendrang gepackt, versucht er sich von ihr loszureißen, aber sie gibt ihn nicht frei, und plötzlich begreift er, dass es nicht die Kälte ist, die sie zittern lässt.
»Passiert so was öfter?«, fragt er.
»Regelmäßig.«
»Und rufen Sie dann eine Werkstatt an?«
»Nachts kommt sowieso keiner. Ich fahre mit dem Taxi nach Hause. Und wenn ich morgens zurückkomme, habe ich einen Strafzettel wegen falschen Parkens. Und oft noch einen zweiten, weil das Fahrzeug Sicherheitsmängel aufweist. Ab und zu wird es abgeschleppt, dann muss ich es von irgendeiner Stelle außerhalb der Stadt wieder abholen. Manchmal finde ich kein Taxi, aber heute haben wir Glück.«
Er folgt ihrem Blick und sieht zu seiner Überraschung an einer Ecke des Platzes ein Taxi stehen; die Innenbeleuchtung ist an, der Motor läuft, am Steuer hockt jemand. Lara hält noch immer Justins Arm und zieht ihn weiter. Er geht ein paar Meter mit, dann bleibt er stehen. Bei ihm läuten die Alarmglocken. »Ist es normal, dass hier so spät nachts noch Taxis herumstehen?«
»Das ist doch nicht wichtig.«
»Und ob das wichtig ist. Es ist sogar sehr wichtig.«
Er wendet den Blick von ihr ab und sieht ein zweites Taxi, das hinter dem anderen hält. Auch Lara bemerkt es.
»Machen Sie sich nicht lächerlich. Sehen Sie, jetzt haben wir zwei Taxis. Eins für jeden. Wir können aber auch zusammen fahren. Dann begleite ich Sie erst zu Ihrem Hotel. Wir werden sehen. Keine Sorge.« Entweder denkt sie nicht an seinen Zustand, oder sie verliert einfach die Geduld mit ihm, jedenfalls zerrt sie an seinem Arm – mit dem Ergebnis, dass er stolpert, sich von ihr losreißt und plötzlich vor ihr steht, ihr den Weg versperrt.
»Nein«, sagt er.
Was bedeutet: Ich weigere mich. Und: Ich habe das Unlogische dieser Situation erkannt. Eben war ich voreilig, aber jetzt bin ich es nicht, und Sie werden es auch nicht sein. Das sind zu viele Zufälle auf einmal. Ein menschenleerer Platz in einem gottverlassenen Kaff mitten in der Prärie, im eiskalten März zu nachtschlafender Zeit. Man hat Ihr Auto lahm gelegt. Wie praktisch, da steht ja ein Taxi, und jetzt sogar noch ein zweites. Auf wen die wohl warten, wenn nicht auf uns? Ist es nicht vernünftig, anzunehmen, dass es sich bei den Leuten, die Ihnen die Reifen zerstochen haben, um dieselben Leute handelt, die uns jetzt mit ihrem Wagen befördern wollen?
Aber Lara hat keinen Draht für diese wissenschaftliche Beweisführung. Sie winkt dem Fahrer im vorderen Taxi und geht darauf zu. Justin packt sie am Arm, hält sie fest, zieht sie zurück. Das macht sie ebenso wütend, wie es ihm wehtut. Sie hat genug davon, herumgestoßen zu werden.
»Lassen Sie mich los. Verschwinden Sie! Geben Sie das zurück!«
Er hat ihr die Einkaufstasche abgenommen. Das erste Taxi fährt langsam los. Das zweite setzt sich ebenfalls in Bewegung. Auf Verdacht? Zur Unterstützung? In einem zivilisierten Land kann man nie wissen.
»Gehen Sie zum Auto zurück«, befiehlt er.
»Zu welchem Auto? Das fährt doch nicht! Sie sind ja verrückt.«
Sie zerrt an ihrer Tasche, aber er wühlt schon darin herum, schiebt Papiere, Taschentücher und alles andere beiseite, was ihn beim Suchen stört. »Geben Sie mir die Autoschlüssel, Lara, bitte !«
Er hat ihre Handtasche in dem Durcheinander gefunden und macht sie auf. Er hält die Schlüssel in der Hand – einen ganz dicken Bund, genug, um ins Innerste von Fort Knox vorzudringen. Wofür zum Teufel braucht eine allein stehende, von allen verstoßene Frau so viele Schlüssel? Er nähert sich langsam ihrem Auto, geht die einzelnen Schlüssel durch, schreit: »Welcher ist es? Welcher ist es?«, zieht sie mit, hält die Einkaufstasche von ihr weg, zerrt Lara unter die Laterne, damit sie ihm den Wagenschlüssel raussuchen kann – und sie gehorcht, fluchend und schimpfend, und hält Justin höhnisch den Schlüssel hin.
»Da haben Sie ihn. Den Schlüssel für ein Auto mit platten Reifen! Fühlen Sie sich jetzt besser? Sie kommen sich bestimmt ganz großartig vor!«
Ob sie so auch mit Lorbeer geredet hat?
Die Taxis fahren dicht hintereinander langsam um den Platz herum auf Justin und Lara zu. Sie wirken eher neugierig als aggressiv. Aber auch listig. Sie haben Böses im Sinn, davon ist Justin überzeugt: Es liegt etwas Bedrohliches in der Luft.
»Zentralverriegelung?«, schreit er. »Gehen alle Türen auf einmal auf?«
Entweder weiß sie es nicht, oder sie ist zu wütend, um zu
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