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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Ausdruck benutzt hatte, aber vielleicht hatte Sandy ja Recht. »Hast du Ghita gestreichelt – sie betatscht – dich an ihr gerieben – sag es mir!«, schrie sie und brach in Tränen aus.
    »Nein«, wiederholte Woodrow und machte einen Schritt auf sie zu, aber sie schob ihn fort.
    »Fass mich nicht an! Lass mich in Ruhe! Hast du dir gewünscht , eine Affäre mit ihr zu haben?«
    »Mit Ghita oder mit Tessa?«
    »Mit einer von beiden! Mit beiden! Das spielt doch keine Rolle!«
    »Sollen wir zuerst über Tessa reden?«
    »Tu was du willst!«
    »Wenn du unter ›Affäre‹ verstehst, mit ihr ins Bett zu gehen – ja, der Gedanke ist mir bestimmt gekommen, aber das wäre ja wohl den meisten heterosexuellen Männern so gegangen. Ghita finde ich weniger anziehend, doch auch die Jugend hat ihre Reize, also tun wir sie noch dazu. Jimmy Carter hat einmal gesagt: ›Ich habe Ehebruch im Herzen begangen.‹ Also bitte. Ich habe gestanden. Willst du die Scheidung, oder kann ich jetzt meinen Scotch haben?«
    Aber nun brach sie zusammen und flehte Sandy unter Tränen um Vergebung an, hilflos vor Scham und Selbstverachtung, denn auf einmal war ihr entsetzlich klar geworden, was sie da angestellt hatte. Sie hatte ihm all die Dinge vorgeworfen, die sie sich selbst die ganze Zeit vorwarf, seit Justin mit seinen Koffern in die Nacht entschwunden war. Sie hatte ihre Schuldgefühle an ihm ausgelassen. Gedemütigt schlang sie die Arme um sich, stammelte »Es tut mir so Leid , Sandy« und »Oh, Sandy, bitte« und »Sandy, verzeih mir, ich bin furchtbar«, und versuchte, sich seinem Griff zu entwinden. Aber inzwischen hatte er ihr einen Arm um die Schultern gelegt und half ihr wie der gute Arzt, der er hätte sein sollen, die Treppe hinauf. Und als sie in den Salon kamen, gab sie ihm den Schlüssel zur Hausbar, und er schenkte ihnen beiden ein ordentliches Glas Whisky ein.
    Dennoch brauchte der Heilungsprozess seine Zeit. Solch ein ungeheuerlicher Verdacht lässt sich nicht von einem Tag auf den anderen aus der Welt schaffen, besonders, wenn er an einen anderen Verdacht aus der Vergangenheit anknüpft. Gloria dachte ein wenig zurück, dann noch ein Stück weiter. Ihr Gedächtnis, das gern seine eigenen Wege ging, förderte alle möglichen Vorfälle zu Tage, die sie längst abgetan hatte. Immerhin war Sandy ein attraktiver Mann. Natürlich waren die Frauen hinter ihm her. Er war in jeder Versammlung die vornehmste Erscheinung. Und ein harmloser kleiner Flirt hat noch keinem geschadet. Aber dann setzte wieder die Erinnerung ein, und sie stutzte. Frauen von früheren Posten kamen ihr in den Sinn – Tennispartnerinnen, Babysitter, junge Ehefrauen, deren Männer zur Beförderung anstanden. Noch einmal durchlebte sie Picknicks und Poolpartys, darunter eine in Amman – sie schauderte unwillkürlich –, bei der die feuchtfröhliche Gesellschaft nackt im Pool des französischen Botschafters gebadet hatte: Da hat zwar niemand richtig hingesehen, und wir waren ja auch alle unter Wasser und sind kreischend zu unseren Handtüchern gerannt, aber trotzdem …
    Gloria brauchte mehrere Tage, um Elena zu verzeihen, doch so wie vorher würde es zwischen ihnen natürlich nie mehr werden. Andererseits, dachte sie großmütig, ist Elena ja derart unglücklich . Kein Wunder, wenn man mit so einem abscheulichen kleinen Griechen verheiratet ist und sich mit einer schäbigen Affäre nach der anderen dafür entschädigen muss.
    ***
    Im Übrigen beschäftigte Gloria nur die Frage, was genau sie denn nun eigentlich feiern sollten. Natürlich musste die Sache an irgendeinem Feiertag stattfinden – am Unabhängigkeitstag, Ersten Mai oder dergleichen. Und natürlich musste es möglichst bald geschehen, sonst wären womöglich die Porters wieder da, und das wollte Gloria auf gar keinen Fall. Sandy sollte schließlich im Rampenlicht stehen. Der Commonwealth-Tag rückte näher, stand aber noch nicht unmittelbar bevor. Mit einigem Nachhelfen könnten sie die Feier vielleicht ein wenig vorverlegen, allen anderen damit zuvorkommen. Das würde Initiative beweisen. Der britische Commonwealth-Tag wäre ihr lieber gewesen, aber heutzutage muss man sich immer nach der Decke strecken, so sind nun mal die Zeiten. Auch den Tag des heiligen Georg hätte sie bevorzugt, noch einmal und endgültig den bösen Drachen töten! Oder den Dünkirchen-Tag, noch einmal die Schlacht an den Stränden schlagen! Oder den Waterloo-Tag, den Trafalgar-Tag, den Agincourt-Tag – alle diese großen

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