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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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der alten Hexe Elena, noch Ghita, dieser hinterhältigen kleinen Puritanerin. Ich bin ein Mann des Status quo, wie Tessa zutreffend bemerkt hat.
    Aus den Augenwinkeln erspäht er Ghita, die sich an einen prächtigen Afrikaner schmiegt, den sie bis zu diesem Abend wahrscheinlich noch nie gesehen hat. Schönheit wie die deine ist eine Sünde, sagt er in Gedanken zu ihr. Bei Tessa war es eine Sünde, bei dir ist es auch eine. Wie kann eine Frau in einem solchen Körper leben und nicht das gleiche Verlangen empfinden wie der Mann, dessen Leidenschaft sie entfacht? Aber wenn ich dir das zu erklären versuche – und es mit einer kleinen, völlig harmlosen Berührung unterstreiche –, funkelst du mich an und fauchst theatralisch, ich solle die Finger von dir lassen. Und dann stolzierst du eingeschnappt von dannen, alles unter den Augen der alten Hexe Elena … Ein blasser, fast kahlköpfiger Mann in Begleitung einer baumlangen Amazone mit Ponyfrisur unterbrach Woodrows Träumereien.
    »Herr Botschafter, wie schön, dass Sie kommen konnten!« Name vergessen, fiel bei dieser grauenhaften Musik aber nicht weiter auf. Er rief Gloria zu, sie solle mal kommen – »Darling, ich möchte dir den neuen Schweizer Botschafter vorstellen. Vorige Woche eingetroffen. Der gute Mann wollte eigentlich Porter seine Aufwartung machen. Stattdessen gerät der Ärmste an mich! Ihre Frau kommt in ein paar Wochen nach, Botschafter? Also ist er heute Abend zu haben, haha! Bin entzückt, Sie hier zu sehen! Verzeihen Sie, aber ich muss mich um die anderen Gäste kümmern. Ciao !«
    Der Bandleader sang, falls man das Gejaule als solches bezeichnen wollte. Er hielt das Mikrofon in einer Hand, streichelte es mit der anderen und ließ ekstatisch die Hüften kreisen.
    »Darling, amüsierst du dich denn nicht wenigstens ein kleines bisschen?«, flüsterte Gloria, als sie im Arm des indischen Botschafters an ihm vorbeitanzte. »Ich schon!«
    Ein Tablett mit Drinks schwebte vorbei. Woodrow stellte geschickt sein leeres Glas darauf ab und nahm sich ein volles. Gloria ließ sich von dem jovialen, schamlos korrupten Morrison M’Gumbo, auch bekannt als Lunch-Minister, auf die Tanzfläche zurückführen. Woodrow sah sich düster nach irgendeiner hinreichend gut aussehenden Frau um, mit der er tanzen könnte. Es regte ihn auf, dass die Leute im Grunde gar nicht tanzten . Dass sie nur affektierte Bewegungen vollführten, um ihre Körper zur Schau zu stellen. Er kam sich dabei vor wie der tollpatschigste, unbrauchbarste Liebhaber, an den eine Frau überhaupt nur geraten konnte. Es erinnerte ihn an das ewige Tu-dies-und-lass-das und Herrgott-noch-mal-Woodrow , das ihm seit seinem fünften Lebensjahr in den Ohren klang.
    »Ich sagte, ich bin mein ganzes Leben lang vor mir selbst davongelaufen!«, schrie er ins verwirrte Gesicht seiner Tanzpartnerin, einer vollbusigen dänischen Entwicklungshelferin namens Fitt oder Flitt. »Immer gewusst, wovor ich davonlaufe, aber nie die leiseste Ahnung, wohin . Und wie ist das bei Ihnen? Ich sagte , wie ist das bei Ihnen? « Sie schüttelte lachend den Kopf. »Sie halten mich für wahnsinnig oder betrunken, stimmt’s?«, brüllte er. Sie nickte. »Aber da irren Sie sich. Ich bin beides!« Freundin von Arnold Bluhm, das wusste er noch. Gott, was für eine Geschichte. Kann nicht endlich mal Schluss damit sein? Aber offenbar hatte er das so laut gedacht, dass sie ihn trotz des fürchterlichen Lärms gehört hatte, denn jetzt senkte sie den Blick und sagte: »Nein, wahrscheinlich nie.« Sie sprach diese Worte mit einer Frömmigkeit, die gute Katholiken sich sonst für den Papst aufsparen. Wieder allein, schob Woodrow sich gegen den Strom auf Tische zu, an denen ertaubte Flüchtlinge sich in verstörten Gruppen zusammengeschart hatten. Wird Zeit, dass ich was esse. Er band seine Frackschleife auf und ließ sie lose herabhängen.
    »Das macht einen Gentleman aus, wie mein Vater zu sagen pflegte«, erklärte er einer verständnislosen schwarzen Venus. »Dass er sich die Frackschleife selbst binden kann!«
    Ghita hatte sich eine Ecke der Tanzfläche erobert, wo sie mit zwei ausgelassenen Afrikanerinnen vom British Council die Hüften kreisen ließ. Andere Mädchen kamen dazu, sie bildeten einen Kreis, und die komplette Band stand vorne am Bühnenrand und sang ihnen zu: Yeah, yeah, yeah . Die Mädchen klatschten sich gegenseitig in die Hände, wirbelten herum und stupsten sich mit den Hinterteilen an, und nur der Himmel wusste, was die

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