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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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zurück. »Ich werde tun, was ich unter den gegebenen Umständen tun kann. Was es auch sein mag. Solange es im Rahmen bleibt. Versprochen. Und jetzt sehen Sie zu, dass Sie sich ein wenig ausruhen. Bitte.«
    Tessa denkt darüber nach. »Er verspricht zu tun, was er unter den gegebenen Umständen tun kann«, erklärt sie dem Kind. »Solange es im Rahmen bleibt. Na dann, ein Mann, ein Wort. Wie geht’s Gloria?«
    »Sie nimmt großen Anteil. Hat mir liebe Grüße aufgetragen.«
    Tessa seufzt erschöpft, lässt sich, das Kind noch an der Brust, in die Kissen sinken und schließt die Augen. »Dann gehen Sie heim zu ihr. Und schreiben Sie mir keine Briefe mehr«, sagt sie. »Und lassen Sie Ghita in Ruhe. Die spielt auch nicht mit.«
    Er erhebt sich und wendet sich zum Gehen. Aus irgendeinem Grund erwartet er, Bluhm in der Tür stehen zu sehen, und zwar in der Haltung, die er am meisten verabscheut: lässig an den Türrahmen gelehnt, die Daumen wie ein Cowboy in den handgearbeiteten Gürtel geschoben, mit diesem strahlend weißen Grinsen, umrahmt von seinem großspurigen schwarzen Bart. Aber der Eingang ist leer, der Flur fensterlos und dunkel, wie ein Luftschutzkeller nur von einer Reihe schwacher Lampen beleuchtet. Woodrow bahnt sich den Weg an kaputten, mit reglosen Körpern beladenen Betten vorbei, der Geruch von Blut und Exkrementen steigt ihm in die Nase und vermischt sich mit dem süßlichen, an Pferde erinnernden Duft Afrikas. Und er fragt sich, ob dieser Schmutz, dieses Elend nicht Teil dessen ist, was Tessa so attraktiv für ihn macht: Mein ganzes Leben lang bin ich vor der Realität davongelaufen, Tessas wegen werde ich jetzt von ihr angezogen.
    Er kommt in eine Halle voller Menschen und erblickt Bluhm, der in ein hitziges Gespräch mit einem anderen Mann vertieft ist. Zuerst hört er Bluhms Stimme – versteht allerdings nicht seine Worte –, die durchdringend und anklagend zwischen den Stahlträgern widerhallt. Dann kontert der andere Mann. Manche Menschen muss man nur einmal sehen, und sie bleiben einem ewig im Gedächtnis. Für Woodrow ist dieser andere Mann so jemand: Er ist kompakt gebaut, hat einen dicken Bauch, ein glänzendes, fleischiges Gesicht und vermittelt das Bild abgrundtiefer Verzweiflung. Sein sonnenverbrannter Schädel wird nur spärlich bedeckt von schütterem rötlichblonden Haar. Sein knospig gespitzter Mund öffnet sich zu einem Ausdruck des Flehens und der Verneinung. In seinen Augen, kugelrund vor Gekränktheit, spiegelt sich ein Grauen, das beide Männer zu teilen scheinen. Seine fleckigen Hände sind überaus kräftig, und um den Kragen seines Khakihemdes ziehen sich Schweißränder. Der Rest des Mannes ist unter einem weißen Arztkittel verborgen.
    Und wir werden Ihnen von den gierigen Zufällen in den weißen Kitteln erzählen .
    Woodrow geht verstohlen weiter. Er ist fast auf gleicher Höhe mit ihnen, doch keiner der beiden wendet den Kopf. Sie sind zu sehr in ihren Streit vertieft. Woodrow eilt mit schnellen Schritten unbemerkt an ihnen vorbei, und ihre lauten Stimmen verlieren sich im allgemeinen Lärm.
    * **
    Donohues Wagen stand wieder in der Auffahrt, ein Anblick, der Woodrow stinkwütend machte. Er stürmte nach oben, duschte sich, zog ein frisches Hemd an und war danach noch genauso wütend wie vorher. Im Haus war es ungewöhnlich still für einen Samstag, und als er einen Blick aus dem Badezimmerfenster warf, wusste er auch warum. Donohue, Justin, Gloria und die Jungen saßen um den Gartentisch und spielten Monopoly. Woodrow verachtete alle Brettspiele, aber Monopoly gegenüber empfand er einen geradezu blinden Hass, nicht unähnlich seinen Gefühlen für die »Freunde« und alle anderen Mitglieder der britischen Geheimdienstgemeinde. Was zum Teufel fällt ihm ein, hier wieder aufzukreuzen, nachdem ich ihm erst vor ein paar Minuten gesagt habe, er solle sich gefälligst fern halten? Und was ist das für ein seltsamer Ehemann, der sich hinsetzt und fröhlich ’ne Runde Monopoly spielt, nur wenige Tage, nachdem man seine Frau abgeschlachtet hat? Hausgäste, pflegten Woodrow und Gloria das alte chinesische Sprichwort zu zitieren, sind wie Fische: Sie fangen nach drei Tagen an zu stinken. Aber für Gloria schien Justin mit jedem Tag besser zu riechen.
    Woodrow ging nach unten in die Küche und blickte aus dem Fenster. Natürlich kein Personal am Samstagnachmittag. Ist doch viel schöner, wenn wir für uns sind, Darling. Nur sind wir nicht für uns, sondern du bist für dich .

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