Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
praktische Erfahrung, zwei oder drei Fremdsprachen, sehr verlässlich, absolut loyal gegenüber den Vorgaben aus London. Und – hier das bittere Ende, Rob – ohne eigenes Verschulden im Beförderungsstau stecken geblieben.
    »Und er pflegt keinen fragwürdigen Umgang oder dergleichen?«, fragte Lesley mit einem Blick in ihr Notizbuch. »Sie können sich nicht vorstellen, dass er in zwielichtigen Nachtclubs verkehrt, während Tessa auf Exkursion ist?« Die Frage konnte kaum ernst gemeint sein. »Das wäre wohl nicht sein Ding, wenn ich richtig verstanden habe?«
    » Nachtclubs? Justin? Was für eine köstliche Vorstellung! Das Annabel’s vielleicht, vor fünfundzwanzig Jahren. Wie kommen Sie bloß auf die Idee?« Woodrow lachte so herzhaft wie seit Tagen nicht mehr.
    Rob klärte ihn bereitwillig auf. »Durch unseren Vorgesetzten, Mr Gridley, der für eine Weile als Verbindungsoffizier in Nairobi war. Er sagt, ein Nachtclub sei der geeignetste Ort, wenn man einen Killer anheuern wolle. Es gibt einen an der River Road, nur einen Block von der New Stanley entfernt, also ganz günstig gelegen, wenn man dort wohnt. Für fünfhundert Dollar pusten sie weg, wen man will. Hälfte auf die Hand, Hälfte hinterher. In einigen Clubs sogar weniger, meint er, aber da stimmt dann die Qualität oft nicht.«
    »Hat Justin Tessa geliebt?«, fragte Lesley, während Woodrow noch lächelte.
    Der entspannten Atmosphäre gemäß, die sich zwischen ihnen entwickelte, warf Woodrow die Arme hoch und schickte einen unterdrückten Schrei gen Himmel. »Ach, du meine Güte! Wer liebt schon wen in dieser Welt und warum?« Und als Lesley ihn nicht unverzüglich von dieser Frage entband: »Sie war schön. Geistreich. Jung. Er war in den Vierzigern, als er sie kennen lernte. Steuerte unaufhaltsam auf die Midlife-Crisis zu, war einsam, dann verknallt, der Wunsch nach Häuslichkeit wuchs. Liebe? Wenn Sie es so nennen wollen, bitte.«
    Aber wenn das eine Einladung an Lesley sein sollte, ihre eigenen Ansichten kundzutun, so wurde sie ausgeschlagen. Lesley schien sich, ebenso wie Rob neben ihr, mehr für die subtile Veränderung von Woodrows Gesichtszügen zu interessieren: die Vertiefung der Hautfalten im oberen Wangenbereich, die blassroten Flecken, die in der Halsgegend auftauchten, das leichte, unwillkürliche Mahlen des Unterkiefers.
    »Und Justin war nicht wütend auf Tessa – wegen ihres Engagements zum Beispiel?«
    »Warum sollte er?«
    »Ist es ihm nicht auf die Nerven gegangen, wenn sie sich lautstark darüber ausließ, dass gewisse westliche Firmen, britische eingeschlossen, die Afrikaner übers Ohr hauen – zu hohe Preise für technische Dienste verlangen, ihre veralteten Medikamente hier teuer verscheuern? Afrikaner als Versuchskaninchen missbrauchen, um neue Medikamente zu testen – die alte Geschichte, oft gehört, aber selten bewiesen?«
    »Ich bin mir sicher, dass Justin sehr stolz auf ihre Arbeit war. Viele von unseren Ehefrauen legen die Hände in den Schoß. Tessas Engagement machte vieles wett.«
    »Er war also nicht wütend auf sie«, drängte Rob.
    »Justin ist einfach nicht der Typ , der wütend wird. Nicht im landläufigen Sinn. Wenn überhaupt, war es ihm peinlich.«
    »War es Ihnen peinlich? Hier im Hochkommissariat, meine ich?«
    »Was denn, um Himmels willen?«
    »Tessas Engagement. Ihre speziellen Interessen. Standen die je im Widerspruch zu britischen Interessen?«
    Woodrow nahm Zuflucht zu seinem verwirrtesten und entwaffnendsten Stirnrunzeln. »Die britische Regierung kann durch humanitäres Handeln nicht in Verlegenheit gebracht werden, Rob. Das sollten Sie wissen.«
    »Wir lassen uns gerne darüber belehren, Mr Woodrow«, warf Lesley ruhig ein. »Wir sind noch neu hier.« Und nachdem sie ihn eine Weile gemustert hatte, packte sie, ohne dass ihr freundliches Lächeln auch nur für eine Sekunde nachließ, ihre Notizbücher und das Aufnahmegerät zurück in ihre Tasche. Mit Hinweis auf andere Verpflichtungen in der Stadt machte sie den Vorschlag, ihre Unterredung am nächsten Tag um die gleiche Zeit fortzusetzen.
    »Wissen Sie, ob Tessa sich irgendjemandem anvertraut hat?«, fragte sie in beiläufigem Ton, als sie sich zu dritt zur Tür begaben.
    »Außer Bluhm, meinen Sie?«
    »Ich dachte eigentlich an Freundinnen.«
    Demonstrativ schien Woodrow in seiner Erinnerung zu stöbern. »Nein. Nein, ich glaube nicht. Niemand, der sich mir aufdrängen würde. Aber ich nehme an, das könnte ich auch nicht wissen,

Weitere Kostenlose Bücher