Der ewige Gaertner
eisig.
»Sagen wir einfach, sie hat schamlos geflirtet«, schlug Lesley vor. »Mit jedem.«
»Wenn Sie darauf bestehen.« Niemand hätte unbeteiligter klingen können. »So etwas ist schwer zu beurteilen, nicht wahr? Schöne junge Frau, unumstrittene Ballkönigin, älterer Ehemann – ist es Flirten, was sie macht? Oder ist sie einfach nur sie selbst und hat ihren Spaß? Trägt sie ein tief ausgeschnittenes Kleid und flaniert herum, sagen die Leute, sie sei leichtlebig. Trägt sie was anderes, sagt man, sie sei langweilig. So ist das weiße Nairobi nun mal. Vielleicht ist es überall so. Ich bin da kein Experte.«
»Hat sie mit Ihnen geflirtet?«, fragte Rob, nachdem er seine Zähne ein weiteres Mal mit dem Bleistift bearbeitet hatte.
»Ich hab’s Ihnen doch schon gesagt. Es war unmöglich festzustellen, ob sie geflirtet oder nur ihrer guten Laune freien Lauf gelassen hat«, zeigte Woodrow sich ungeheuer gewandt.
»Haben Sie denn, äh, möglicherweise ein ganz klein bisschen zurückgeflirtet?«, wollte Rob wissen. »Sehen Sie mich nicht so an, Mr Woodrow. Sie sind in den Vierzigern, steuern unaufhaltsam auf die Midlife-Crisis zu, genau wie Justin. Sie waren scharf auf sie, warum auch nicht? Ich wette, ich wär’s gewesen.«
Woodrow erholte sich so schnell, dass er es selbst kaum mitbekam. »Oh, ach ja, mein Lieber. Hab an nichts anderes gedacht. Tessa, Tessa, Tag und Nacht. War von ihr besessen. Da können Sie jeden fragen.«
»Das haben wir bereits getan«, sagte Rob.
***
Am nächsten Morgen wollte es dem heimgesuchten Woodrow scheinen, als zeigten die Vernehmungsbeamten eine geradezu unanständige Eile, ihm auf die Pelle zu rücken. Rob stellte das Aufnahmegerät auf den Tisch, Lesley schlug ein großes rotes Notizbuch bei einer durch ein Gummiband markierten Doppelseite auf und eröffnete die Befragung.
»Wir haben Grund zu der Annahme, dass Sie Tessa im Krankenhaus besucht haben, kurz nachdem sie ihr Baby verlor. Ist das korrekt, Sir?«
Woodrows Welt geriet ins Wanken. Wer in Gottes Namen hat ihnen das erzählt? Justin? Das kann nicht sein, sie haben noch nicht mit ihm gesprochen, ich würde es wissen.
»Moment mal«, forderte er in scharfem Ton.
Lesleys Kopf fuhr hoch. Rob, der dabei war, seine langen Gliedmaßen zu ordnen, hielt sich die Hand flach vor die Nase, als wollte er sein Gesicht glatt streichen, und beobachtete Woodrow über die Fingerspitzen hinweg.
»Soll das heute Morgen das Thema sein?«, verlangte Woodrow zu wissen.
»Unter anderem«, räumte Lesley ein.
»Könnten Sie mir dann bitte erklären – und bedenken Sie, dass unser aller Zeit kostbar ist –, was um alles in der Welt ein Krankenbesuch bei Tessa mit der Suche nach ihrem Mörder zu tun hat? Um Letzteres geht es Ihnen doch.«
»Wir suchen nach einem Motiv«, sagte Lesley.
»Sie sagten mir, Sie hätten eins. Vergewaltigung.«
»Vergewaltigung passt nicht mehr. Nicht als Motiv. Die Vergewaltigung war ein Nebeneffekt. Vielleicht ein Ablenkungsmanöver, damit wir denken, wir hätten es mit einem zufälligen Totschlag zu tun, keinem geplanten Mord.«
»Eine vorsätzliche Tat«, erläuterte Rob, und seine großen braunen Augen fixierten Woodrow mit leerem Blick. »Ein Anschlag, ein Mordunternehmen sozusagen.«
Woodrows Gehirn setzte einen kurzen, erschreckenden Moment aus. Dann aber schoss es ihm durch den Kopf: Unternehmen . Warum sagt er Unternehmen?
Unternehmen im Sinne von Unternehmer? Eine Ungeheuerlichkeit! Zu weit hergeholt, als dass ein seriöser Diplomat auch nur einen Gedanken daran verschwenden würde!
Danach war sein Kopf absolut leer. Nicht einmal die banalsten und bedeutungslosesten Worte fielen ihm mehr ein, die ihn hätten retten können. Er kam sich vor wie eine Art Computer, der eine Kette von stark verschlüsselten Daten aus einem abgesperrten Bereich seines Gehirns abruft, sichtet und dann verwirft.
Von wegen Unternehmen. Es war Zufall. Ungeplant. Im Blutrausch begangen nach afrikanischer Art.
»Was hat Sie also ins Krankenhaus geführt?«, hörte er Lesley auf einmal fragen. »Warum haben Sie Tessa dort besucht, nachdem ihr Baby gestorben war?«
»Weil sie mich darum gebeten hatte. Über ihren Mann. In meiner Eigenschaft als Justins Vorgesetzter.«
»War sonst noch jemand zu der Party eingeladen?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Vielleicht Ghita?«
»Sie meinen Ghita Pearson?«
»Kennen Sie noch eine andere Ghita?«
»Ghita Pearson war nicht anwesend.«
»Also nur Sie und Tessa«, sprach
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