Der ewige Gaertner
ich’s?«, sagte er. »Was haben wir angenommen, was sie gemacht hat, Les?«, reichte er die Frage weiter an seine Kollegin. »Flohhüpfen sicher nicht. Sie liegt also im Bett. Was aber macht sie im Bett, fragen wir uns?«
»Sie stillt ein schwarzes Baby, könnte ich mir vorstellen«, sagte Lesley. »Ein Baby, dessen Mutter im Sterben liegt.«
Für eine Weile hörte man im Zimmer nur die Schritte vom Flur und die aufheulenden Motoren der Autos, die sich auf der anderen Seite des Tals durch die Stadt kämpften. Rob streckte seinen schlaksigen Arm aus und schaltete das Aufnahmegerät ab.
»Wie Sie sehr richtig bemerkten, Sir, ist unser aller Zeit kostbar«, begann er höflich. »Vergeuden Sie sie also gefälligst nicht, indem Sie unseren Fragen ausweichen und uns wie den letzten Dreck behandeln.« Er schaltete das Aufnahmegerät wieder ein. »Seien Sie so gut, uns mit Ihren eigenen Worten von der sterbenden Frau im Krankenzimmer und von ihrem kleinen Baby zu erzählen, Mr Woodrow, Sir«, fuhr er fort. »Bitte. Und woran sie gestorben ist, wer versucht hat, sie zu heilen, und auf welche Weise, und auch alles andere, was Sie darüber zufällig noch wissen.«
In die Ecke getrieben und wütend über seine Isoliertheit, verlangte es Woodrow instinktiv nach der Unterstützung seines Gesandschaftsleiters, doch wurde er augenblicklich daran erinnert, dass Coleridge im Moment den Unabkömmlichen spielte. So hatte Mildren ihm am Vorabend bedeutet, als Woodrow um ein Gespräch unter vier Augen gebeten hatte, dass sein Herr und Meister sich mit dem amerikanischen Botschafter in Klausur begeben habe und nur in Notfällen erreichbar sei. Und an diesem Morgen führte Coleridge »die Geschäfte von der Residenz aus«, wie es hieß.
FÜNFTES KAPITEL
W oodrow ließ sich nicht so leicht entmutigen. In seiner Laufbahn als Diplomat hatte er schon so manche erniedrigende Situation durchzustehen gehabt, und die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass man in solchen Fällen am besten fuhr, wenn man sich weigerte, zur Kenntnis zu nehmen, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Diese Lektion beherzigte er auch jetzt, indem er in kurzen Sätzen eine denkbar knappe Darstellung der Szene im Krankenzimmer gab. Ja, gestand er – ein wenig überrascht, dass sie sich so sehr für die Details von Tessas Krankenhausaufenthalt interessierten –, er erinnere sich dunkel, dass eine von Tessas Mitpatientinnen geschlafen oder im Koma gelegen habe. Und dass Tessa deren Baby als Amme gedient habe, da die Frau selbst nicht in der Lage gewesen sei, es zu stillen. Tessas Leid habe dem Kind zur Freude gereicht.
»Hatte die kranke Frau einen Namen?«, fragte Lesley.
»Ich kann mich an keinen erinnern.«
»War jemand bei der kranken Frau – ein Verwandter oder Freund?«
»Ihr Bruder. Ein Junge im Teenageralter, der aus ihrem Dorf gekommen war. So hat Tessa es erzählt, aber angesichts ihres Zustands würde ich sie nicht als verlässliche Quelle ansehen.«
»Ist Ihnen der Name des Bruders bekannt?«
»Nein.«
»Oder der Name des Dorfes?«
»Nein.«
»Hat Tessa Ihnen gesagt, was der Frau fehlte?«
»Das meiste von dem, was sie sagte, ergab wenig Sinn.«
»Also ergab der Rest sehr wohl Sinn«, hob Rob hervor. Die Nachsicht, die er plötzlich auszustrahlen schien, war geradezu unheimlich. Seine dürren Glieder waren zur Ruhe gekommen. Und mit einem Mal hatte er alle Zeit der Welt. »In ihren klaren Momenten, was hat Tessa Ihnen da über die kranke Frau erzählt, die mit ihr auf dem Zimmer lag, Mr Woodrow?«
»Dass sie im Sterben liege. Dass ihre Krankheit, die sie nicht näher bezeichnete, mit den sozialen Verhältnissen zusammenhänge, in denen sie gelebt habe.«
»Aids?«
»Davon hat sie nichts gesagt.«
»Wäre ja mal was anderes.«
»In der Tat.«
»Wurde die Frau wegen dieser nicht benannten Krankheit behandelt?«
»Anzunehmen. Warum hätte sie sonst im Krankenhaus liegen sollen?«
»Von Lorbeer?«
»Wem?«
»Lorbeer.« Rob buchstabierte den Namen. »Holländischer Mischling. Rothaarig oder blond. Mitte fünfzig. Dick.«
»Habe nie von dem Mann gehört«, entgegnete Woodrow mit absolut überzeugendem Gesichtsausdruck, während seine Eingeweide sich zusammenkrampften.
»Haben Sie jemanden gesehen, der sie behandelt hat?«
»Nein.«
»Wissen Sie, wie sie behandelt wurde? Oder womit?«
»Nein.«
»Sie haben niemanden gesehen, der ihr eine Pille oder eine Spritze verabreicht hätte?«
»Wie ich schon sagte: Während meiner Anwesenheit
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