Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
für die Reichen da ist, und weil Examensergebnisse gefälscht werden und die Regierung die Studenten dazu zwingen will, sich ihre Bildung im Ausland zu holen. Außerdem hat die Polizei gestern ein paar Studenten umgebracht, was deren Freunde aus irgendwelchen Gründen nicht einfach hinnehmen wollen. Noch Fragen?«
    Die Tore wurden geöffnet, die Orgel setzte ein. Gottes Geschäfte konnten wieder aufgenommen werden.
    ***
    Die Hitze auf dem Friedhof war aggressiv und quälend. Der alte, grauhaarige Priester hatte seine Rede beendet, aber der Lärm ringsum hatte sich nicht gelegt, und die Sonne fuhr wie mit Dreschflegeln dazwischen. Auf einer Seite von Woodrow dröhnte in voller Lautstärke eine Rockversion des Ave Maria aus einem Ghettoblaster, der von einer Gruppe schwarzer Nonnen in grauer Tracht umringt wurde. Eine Fußballmannschaft von Blazerträgern hatte sich auf der anderen Seite um einen Wurfstand mit leeren Bierdosen versammelt und lauschte einem Solosänger, der einem Teamkameraden das Abschiedslied sang. Und auf dem Wilson Airport fand offenbar eine Art Flugschau statt, denn alle zwanzig Sekunden brausten bunt bemalte Kleinflugzeuge über sie hinweg. Der alte Priester ließ sein Gebetbuch sinken. Die Träger traten an den Sarg und griffen nach den Gurten. Justin, immer noch allein, schien ins Taumeln zu geraten. Woodrow machte einen Schritt nach vorn, um ihn zu stützen, aber Gloria hielt ihn mit einer behandschuhten Kralle zurück.
    »Er will sie für sich allein , Idiot«, zischte sie unter Tränen.
    Die Presse bewies kein solches Taktgefühl. Für genau dieses Foto waren sie gekommen: Schwarze Träger senken ermordete Weiße in afrikanische Erde vor den Augen des betrogenen Gatten. Ein pockennarbiger Mann mit Bürstenhaarschnitt, dem mehrere Kameras vor dem Bauch baumelten, reichte Justin eine Schaufel voll Erde, in der Hoffnung, einen Schnappschuss davon zu ergattern, wie der Witwer Erde auf den Sarg streute. Justin schob die Schaufel beiseite. Dabei fiel sein Blick auf zwei in Lumpen gekleidete Männer, die eine hölzerne Schubkarre mit plattem Reifen an das Grab schoben. Nasser Zement schwappte über den Rand.
    »Was machen Sie da, bitte?«, fragte Justin so heftig, dass sich aller Augen auf ihn richteten. »Könnte sich freundlicherweise jemand bei diesen Herren erkundigen, was sie mit dem Zement vorhaben? Sandy, ich brauche einen Dolmetscher, bitte.«
    Ohne Gloria weiter zu beachten, trat der Chargé d’affaires Woodrow rasch an Justins Seite. Die drahtige Sheila aus Tim Donohues Abteilung sprach erst mit den beiden Männern, dann mit Justin.
    »Sie sagen, sie tun das für alle reichen Leute, Justin«, erklärte sie.
    »Sie tun was? Ich verstehe nicht. Erklären Sie mir das.«
    »Der Zement. Soll Eindringlinge abhalten. Grabräuber. Reiche Leute werden mit Eheringen und schönen Kleidern begraben. Wazungu sind besonders gefährdet. Sie sagen, der Zement sei so gut wie eine Versicherung.«
    »Wer hat ihnen die Anweisung gegeben?«
    »Niemand. Das kostet fünftausend Shilling.«
    »Sie sollen gehen, bitte. Sind Sie so nett und sagen ihnen das, Sheila? Ich wünsche ihre Dienste nicht und werde ihnen kein Geld geben. Sie sollen ihre Schubkarre nehmen und gehen.« Dann aber – vielleicht traute er ihr nicht zu, seinen Wunsch mit dem nötigen Nachdruck vorzutragen – marschierte Justin selbst zu den beiden Männern hinüber, trat zwischen Schubkarre und den Rand des Grabes, streckte wie Moses einen Arm aus, zeigte über die Köpfe der Trauergäste hinweg und befahl: »Gehen Sie, bitte. Auf der Stelle. Vielen Dank.«
    Die Trauernden traten zur Seite und bildeten eine Gasse entlang des Wegs, den sein ausgestreckter Arm wies. Die Männer schoben mit ihrer Karre ab, und Justin blickte ihnen nach, bis sie verschwunden waren. In der flimmernden Hitze schienen sie geradewegs in den leeren Himmel zu ziehen. Justin drehte sich wieder um, steif wie ein Zinnsoldat, und wandte sich an die Pressemeute.
    »Ich möchte, dass Sie gehen, bitte«, sagte er in die Stille hinein, die sich in all dem Lärm ausgebreitet hatte. »Sie waren sehr freundlich. Ich danke Ihnen. Auf Wiedersehen.«
    Und zum Erstaunen der Anwesenden packten die Journalisten still und leise ihre Kameras und Notizbücher ein, murmelten »Wiedersehen, Justin« oder Ähnliches und zogen ab. Justin kehrte an seinen einsamen Platz am Kopfende von Tessas Sarg zurück. Im selben Augenblick trat eine Gruppe afrikanischer Frauen vor und baute sich im

Weitere Kostenlose Bücher