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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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waren. Ich wartete also. Entweder darauf, dass sie sich mäßigen würde, oder darauf, dass das Außenministerium uns Rollen zuwies, die miteinander in Einklang zu bringen waren. Der Status der Ehefrauen im diplomatischen Dienst ist ständig im Fluss. Sie dürfen in den Ländern, in denen sie stationiert sind, kein Geld verdienen. Wenn der Ehemann versetzt wird, müssen sie mit ihm umziehen. Eben noch verfügen sie über alle erdenklichen Freiheiten, und im nächsten Moment sollen sie sich benehmen wie eine Geisha der Diplomatie.«
    »Sind das Tessas Worte oder Ihre?« Lesley lächelt bei der Frage »Tessa hat nie darauf gewartet, dass man ihr Freiheiten gewährte. Sie hat sie sich genommen.«
    »Und auch Bluhm hat Sie nicht in Verlegenheit gebracht?«, fragt Rob grob.
    »Das ist völlig nebensächlich, aber Bluhm war nicht ihr Liebhaber. Sie waren durch ganz andere Dinge miteinander verbunden. Tessas größtes Geheimnis war ihre Tugend. Sie liebte es zu schockieren.«
    Das ist zu viel für Rob. »Vier Nächte lang in einer Tour, Justin?«, protestiert er. »Eine gemeinsame Hütte am Turkanasee? Eine Frau wie Tessa? Und Sie wollen uns ernsthaft glauben machen, dass sie es nicht miteinander getrieben haben?«
    »Sie glauben ja doch, was Sie wollen«, erwidert Justin, der Apostel der Abgeklärtheit. »Ich habe nicht den geringsten Zweifel.«
    »Warum?«
    »Weil sie es mir gesagt hat.«
    Und darauf wissen sie keine Antwort mehr. Aber Justin hat noch etwas auf dem Herzen, und Stück für Stück gelingt es ihm, von Lesley ermuntert, es auszusprechen.
    »Sie hatte ein Stück Konvention geheiratet«, beginnt er unbeholfen. »Mich. Keinen hochherzigen Wohltäter. Sondern mich. Sie dürfen sie wirklich nicht als jemand Exotisches betrachten. Ich hatte keinen Zweifel – und sie auch nicht, als wir hier ankamen –, dass sie sich mehr oder weniger einfügen würde in den Orden der Geishas der Diplomatie, über den sie sich lustig machte. Auf ihre eigene Art, gewiss. Aber ohne aus der Reihe zu tanzen.« Sich ihrer ungläubigen Blicke bewusst, überlegt er sorgfältig. »Nach dem Tod ihrer Eltern hatte sie sich selbst Angst eingejagt. Jetzt, wo sie mich als Ruhepol hatte, wollte sie der allzu großen Freiheit wieder den Rücken kehren. Das war der Preis, den sie dafür zu zahlen bereit war, keine Waise mehr zu sein.«
    »Und was hat Tessa zu diesem Sinneswandel bewogen?«, fragt Lesley.
    » Wir «, erwidert Justin heftig. Er meint das andere Wir : Wir, die sie überlebt haben. Wir, die Schuldigen. »Unsere Selbstgefälligkeit«, sagt er, die Stimme senkend. » Das alles hier.« Und er macht eine Handbewegung, die nicht nur das Esszimmer und Glorias abscheuliche, über dem Kaminsims angepinnte Aquarelle umfasste, sondern das ganze Haus, in dem sie sich befinden, samt seiner Bewohner, und, so kann man schließen, auch alle anderen Häuser in der Straße. »Wir, die wir dafür bezahlt werden zu sehen, was los ist, und lieber wegschauen. Wir, die wir mit gesenktem Blick am eigentlichen Leben vorbeispazieren.«
    »Hat sie das gesagt?«
    »Ich sage das. Das ist das Bild, das Tessa von uns gewonnen hat. Sie war reich seit ihrer Geburt, aber das hat sie nicht beeindruckt. Geld interessierte sie nicht. Sie benötigte sehr viel weniger davon als die so genannten Aufsteiger. Aber sie wusste, dass es keine Entschuldigung dafür gab, sich gleichgültig zu verhalten gegenüber dem, was sie sah und hörte. Sie wusste, sie hatte eine Verpflichtung.«
    An dieser Stelle vertagt Lesley die Sitzung auf den nächsten Tag um dieselbe Zeit, falls es Justin recht sei. Das ist es.
    Und British Airways schien denselben Gedanken gefasst zu haben, denn in der Business-Class wurden jetzt die Lichter gelöscht und letzte Bestellungen für die Nacht entgegengenommen.

ACHTES KAPITEL
    S ie sagten, Sie hätten mit dem Mord an Ihrer Frau nichts zu tun, Justin. Jedenfalls nicht in dem Sinne , auf den wir abzielten «, ruft ihm Lesley in Erinnerung.
    Rob rekelt sich, während Lesley ihr Spielzeug auspackte: die bunten Notizbücher, Bleistifte, das kleine Aufnahmegerät, das am Vortag nicht angerührt worden ist, das Radiergummi. Justin hat die Hautfarbe eines Gefängnisinsassen und eine Landkarte kleiner Fältchen um die Augen, wie seit neuestem jeden Morgen. Ein Arzt würde frische Luft verordnen.
    » Nun, in welchem Sinne denn, wenn ich fragen darf?« Lesley muss sich über den Tisch beugen, um Justins Antwort zu verstehen.
    »Ich hätte mit ihr gehen

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