Der ewige Gaertner
Kenntnis nahm, und empfahl Maßnahmen, die nie ergriffen wurden. Tessa war jede Form der Täuschung fremd. Außer in meinem Fall. Für mich hat sie sogar sich selbst getäuscht.«
» Hatte sie jemals Angst?«, fragt Lesley ganz leise, um die beichtfreudige Stimmung nicht zu stören.
Justin überlegt, dann gestattet er sich ein mattes Lächeln. »Einmal hat sie zu der amerikanischen Botschafterin gesagt, wenn sie ängstlich wäre, müsste sie ja dauernd die Hosen voll haben. Ihre Exzellenz waren nicht amüsiert.«
Auch Lesley lächelt, aber nicht lange. »Und diese Entscheidung, ihr Baby in einem afrikanischen Krankenhaus zur Welt zu bringen«, fragt sie mit einem Blick in ihr Notizbuch. »Können Sie uns bitte sagen, wann und unter welchen Umständen sie getroffen wurde?«
»Es gab da eine Frau aus einem der Slumdörfer im Norden, die Tessa regelmäßig besucht hat. Wanza, Nachname unbekannt. Sie litt an irgendeiner mysteriösen Krankheit. Man hatte sie für eine Spezialbehandlung ausersehen. Durch Zufall landeten sie beide im selben Zimmer im Uhuru-Krankenhaus, und Tessa hat sich mit ihr angefreundet.«
Können auch die beiden Polizisten diesen vorsichtigen Unterton hören, der sich in seine Stimme geschlichen hat, fragt sich Justin.
»Wissen Sie, was für eine Krankheit?«
»Nur ganz allgemein: dass es eine potenziell lebensbedrohliche Sache war.«
»Hatte sie Aids?«
»Ob die Krankheit im Zusammenhang mit Aids stand, weiß ich wirklich nicht. Mein Eindruck war, dass die Befürchtungen eher in eine andere Richtung gingen.«
»Das ist doch ziemlich ungewöhnlich, nicht wahr, dass eine Frau aus den Slums zur Entbindung in ein Krankenhaus geht?«
»Sie stand unter Beobachtung.«
»Unter wessen Beobachtung?«
Es ist das zweite Mal, dass Justin sich der Selbstzensur unterwirft. Andere zu täuschen, liegt ihm eigentlich nicht. »Eine der medizinischen Stationen, nehme ich an. In ihrem Dorf. Einem Elendsviertel. Sie sehen, wie vage meine Informationen sind. Wirklich erstaunlich, wie es mir gelungen ist, so vieles nicht zu wissen.«
»Und Wanza ist gestorben, nicht wahr?«
»Sie starb am letzten Tag von Tessas Krankenhausaufenthalt, in der Nacht.« Dankbar, seine Zurückhaltung ablegen zu können, rekonstruiert Justin den Vorgang für die Beamten. »Ich war den ganzen Abend bei ihr auf dem Zimmer gewesen, aber Tessa bestand darauf, dass ich nach Hause ging und mich ein paar Stunden schlafen legte. Das Gleiche hat sie Arnold und Ghita gesagt. Sonst haben wir abwechselnd an ihrem Bett gewacht. Arnold hatte ein Feldbett besorgt. Morgens um vier rief Tessa mich an. Auf ihrem Zimmer gab es kein Telefon, also hat sie das der Schwestern benutzt. Sie war tief erschüttert. Hysterisch ist eigentlich der treffendere Ausdruck, nur dass Tessa, wenn sie hysterisch wurde, nicht dazu neigte, laut zu werden. Wanza war verschwunden. Ebenso das Baby. Tessa war nachts aufgewacht und hatte Wanzas Bett leer vorgefunden, und auch das Kinderbett war nicht mehr da. Ich fuhr zum Uhuru-Krankenhaus. Arnold und Ghita trafen im selben Augenblick ein. Tessa war untröstlich. Es war, als hätte sie innerhalb weniger Tage ein zweites Kind verloren. Zu dritt konnten wir sie überzeugen, dass es besser für sie wäre, zur Genesung nach Hause zu kommen. Nachdem Wanza tot und das Baby verschwunden war, fühlte sie sich nicht mehr zum Bleiben verpflichtet.«
»Tessa hat die Leiche nicht zu sehen bekommen?«
»Sie hat darum gebeten, aber ihr wurde gesagt, das sei nicht möglich. Wanza sei gestorben, und ihr Baby sei von ihrem Bruder ins Dorf der Mutter gebracht worden. Für das Krankenhaus war damit der Fall erledigt. Krankenhäuser halten sich nicht gern mit dem Tod auf«, fügt er hinzu. Er spricht aus Erfahrung. Bei Garth war es genauso.
»Hat Arnold es geschafft, die Leiche zu sehen?«
»Er kam zu spät. Sie war zur Leichenhalle gebracht worden und verloren gegangen.«
Lesley versucht nicht, ihr Erstaunen zu verbergen, und macht große Augen. Rob beugt sich rasch vor, greift nach dem Aufnahmegerät und überzeugt sich, dass die Spule hinter dem kleinen Fenster sich dreht. »Verloren gegangen? Man verliert doch keine Leichen!«, ruft er aus.
»Man hat mir im Gegenteil versichert, dass das in Nairobi recht häufig vorkommt.«
»Was ist mit dem Totenschein?«
»Ich kann nur weitergeben, was ich von Arnold und Tessa gehört habe. Ich weiß nichts von einem Totenschein. Es war nie von einem die Rede.«
»Und keine Obduktion?« Lesley hat
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