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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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befand sich in einem anderen Element, er spielte eine Rolle, und es war eine Rolle, die er schon oft im Leben hatte spielen wollen, ohne es je wirklich fertig zu bringen. Wohl wahr, ein- oder zweimal hatte er Anzeichen eines ähnlichen Gefühls bei sich beobachten können, doch nie zuvor mit einer derart impulsiven Zuversicht und Hingabe. Gleichzeitig sandte der erfahrene Frauenheld in ihm die eindringlichsten Warnsignale aus: Vergiss es, mit der gibt es Probleme, die ist zu jung für dich, zu real, zu ernsthaft; sie kennt die Spielregeln nicht.
    Das alles änderte jedoch nichts. Nach dem Mittagessen, die Sonne schien noch immer auf sie herab, begaben sie sich auf den Fluss, und er zeigte ihr, was alle guten Liebhaber ihren Damen auf dem Cam zu beweisen haben: Vor allem, wie geschickt er war, wie sicher und entspannt er in seiner Weste auf dem instabilen Heck eines Stechkahns balancieren, dabei eine lange Stange handhaben und in zwei Sprachen witzige Konversation treiben konnte –, denn genau das habe er getan, schwor sie hoch und heilig, während er sich später nur noch daran erinnern konnte, wie zerbrechlich ihr zarter Körper in der weißen Bluse und dem schwarzen Hosenrock gewirkt hatte, und an ihre ernsten Augen, die auf eine Weise in sein Inneres zu blicken schienen, der er nichts entgegensetzen konnte. Nie zuvor in seinem Leben hatte er sich so zu jemandem hingezogen und derart hilflos dem Zauber einer Frau ausgeliefert gefühlt. Sie fragte ihn, wo er so viel über Pflanzen gelernt habe, und er antwortete: »Von unseren Gärtnern.« Sie fragte ihn nach seinen Eltern, und da musste er zugeben – wenn auch widerwillig, denn gewiss verletzte er damit ihre egalitären Prinzipien –, dass er aus gutem Hause stammte und zudem betucht war, und dass die Gärtner von seinem Vater entlohnt worden waren, der auch für eine lange Reihe von Kindermädchen, Internaten, Universitäten und Auslandsaufenthalten aufgekommen war, ebenso wie für alles andere, was erforderlich erschien, ihm den Weg in den »Familienbetrieb« zu ebnen, wie sein Vater das Außenministerium nannte.
    Doch zu seiner großen Erleichterung schien sie diese Beschreibung seiner Herkunft für völlig angemessen zu halten, und machte selbst auch gleich ein paar entsprechende Geständnisse. Sie selbst sei ebenfalls in privilegierte Verhältnisse hineingeboren worden, vertraute sie ihm an. Doch ihre Eltern seien beide im Verlauf der letzten neun Monate gestorben, beide an Krebs. »Ich bin also eine Waise«, erklärte sie mit gespielter Unbekümmertheit, »und kann nach Hause kommen, wann ich will.« Worauf sie eine Weile lang einfach so dasaßen, jeder für sich und doch wie enge Vertraute.
    »Ich habe den Wagen ganz vergessen«, sagte Justin irgendwann zu ihr, als würde dies allen weiteren Aktivitäten einen Riegel vorschieben.
    »Wo haben Sie ihn geparkt?«
    »Gar nicht. Ich bin mit einem Fahrer hier. Es ist ein Wagen der Regierung.«
    »Können Sie ihn nicht anrufen?« Erstaunlicherweise hatte sie ein Handy bei sich und er die Nummer des Fahrers in der Hosentasche. Also vertäute er das Boot, setzte sich neben sie und wies den Fahrer an, allein nach London zurückzukehren. Ihnen beiden war bewusst, dass es war, als würde man einen Kompass fortwerfen, die Verbindung zur Außenwelt abbrechen. Als sie genug vom Fluss hatten, nahm Tessa ihn mit zu sich und schlief mit ihm. Warum sie das tat, und was sie in ihm sah, als sie es tat, und was er in ihr sah, oder was das Wochenende aus ihnen beiden gemacht hatte: Das würden Zeit und Gewohnheit zeigen, sagte sie, während sie Justin auf dem Bahnhof mit Küssen eindeckte. Tatsache sei, dass sie ihn liebe, und alles Übrige werde sich schon von selbst ergeben, wenn sie erst verheiratet seien. Und befangen in dem Wahn, der ihn ergriffen hatte, gab Justin wiederholt ähnlich unbesonnene Erklärungen ab, schmückte sie weiter aus. Allzu gern ließ er sich von dieser Welle der Torheit davontragen, obwohl er sich in einem Winkel seines Bewusstseins durchaus im Klaren darüber war, dass dieser Überschwang ihn eines Tages teuer zu stehen kommen konnte.
    Sie verhehlte nicht, dass sie einen älteren Liebhaber wollte. Wie viele schöne junge Frauen, die er kennen gelernt hatte, hatte sie die Nase voll von Männern ihres Alters. In Wendungen, die ihn insgeheim abstießen, beschrieb sie sich als Vamp, als Flittchen und als eine kleine Teufelin, aber er war zu hingerissen, um Einspruch zu erheben. Wie er später

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