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Der ewige Krieg 01 - Der ewige Krieg

Der ewige Krieg 01 - Der ewige Krieg

Titel: Der ewige Krieg 01 - Der ewige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Haldeman
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herumgelaufen, als wir zu unseren Fernsehinterviews gegangen waren. Ich hatte Lust, hinzugehen und den Mann zur Rede zu stellen, der meine Antworten redigiert hatte, aber Marygay überzeugte mich, daß es vergeblich sein würde.
    Der künstliche Berg der Stadtpyramide Genf ist gestuft: die ersten drei Geschosse und die Basis nehmen eine Fläche von ungefähr einem Kilometer im Durchmesser ein, bei einer Höhe von annähernd hundert Metern. Die nächsten vier Geschosse haben bei gleicher Gesamthöhe einen um hundert Meter verringerten Durchmesser, und so setzt sich die Abstufung bis zum vierzigsten Stockwerk fort, dessen Durchmesser nur noch einhundert Meter beträgt.
    Das vierte Geschoß ist, wie das dreiunddreißigste, ein Park: Bäume, Wiesen, Teiche, kleine Tiere. Die Wände sind transparent, bei gutem Wetter offen, und der umlaufende ›Sims‹ von immerhin fünfzig Metern Breite (das Dach des dritten Stockwerks) ist mit dichtem Wald bepflanzt. Wir lagerten eine Weile bei einem Teich, sahen Leute beim Baden zu und fütterten die Elritzen mit kleinen Stückchen von Weintrauben.
    Irgend etwas hatte mich seit unserer Ankunft in Genf unterschwellig beschäftigt, und jetzt auf einmal, umgeben von all diesen angenehmen Dingen und Menschen, wußte ich, was es war.
    »Marygay«, sagte ich. »Niemand hier ist unglücklich.«
    Sie lächelte. »Wer könnte in einer solchen Umgebung trübsinnig sein? Alle die Blumen und Bäume, das viele Grün …«
    »Nein, nein … ich meine das ganze Genf. Hast du irgend jemanden gesehen, der den Anschein erweckte, er könnte mit den Verhältnissen unzufrieden sein? Der …«
    »Dein Bruder …«
    »Ja, aber der ist auch Ausländer. Ich meine die Verkäufer und Arbeiter und die Leute, die herumbummeln.«
    Sie machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich habe nicht so genau hingesehen. Vielleicht nicht.«
    »Kommt dir das nicht seltsam vor?«
    »Es ist ungewöhnlich, aber …« Sie warf eine ganze Weintraube ins Wasser, und die Elritzen schossen auseinander. »Erinnerst du dich, was dieser homosexuelle Feldwebel sagte? Sie diagnostizieren und korrigieren antisoziale Charakterzüge schon in einem sehr frühen Alter. Und welcher vernünftige Mensch würde hier nicht glücklich sein?«
    Ich schnaubte. »Die eine Hälfte von diesen Leuten ist arbeitslos, und die meisten anderen sitzen tagaus, tagein in lärmerfüllten Räumen und drücken Knöpfe und starren auf Bildschirme oder verrichten andere unbefriedigende Arbeiten.«
    »Aber alle haben genug zu essen und viele Möglichkeiten, sich zu beschäftigen und zu zerstreuen. Das war vor sechsundzwanzig Jahren nicht so.«
    »Vielleicht«, sagte ich, weil ich nicht streiten wollte. »Kann sein, daß du recht hast.« Aber es beschäftigte mich weiterhin.

9
    Den Rest dieses Tages sowie den ganzen folgenden Tag verbrachten wir im Hauptquartier der UNO, welches die beiden obersten Zylinder der Genfer Stadtpyramide einnahm. Es hätte Wochen erfordert, alles zu sehen. Schon ein gründliches Kennenlernen des der Menschheitsfamilie gewidmeten Museums hätte Tage in Anspruch genommen. Im Rahmen dieses Museums hatte jedes Land seine eigene Ausstellung, meistens verbunden mit einem Laden, der typisches Kunsthandwerk verkaufte, manchmal auch mit einem Spezialitätenrestaurant. Ich hatte befürchtet, daß der Nivellierungsprozeß der technischen Zivilisation die nationalen Identitäten zum Absterben bringen würde, daß diese neue Welt das einförmige Gesicht des Industriesystems tragen würde. Ich war froh, daß ich in diesem Punkt geirrt hatte. Während wir das UNO-Hauptquartier durchwanderten, planten Marygay und ich ein Reiseprogramm. Wir beschlossen, daß wir in die Vereinigten Staaten zurückkehren und eine feste Bleibe suchen würden, um dann wieder für ein paar Monate auf Reisen zu gehen.
    Als ich Mutter um Rat fragte, wie wir zu einer Wohnung kommen könnten, schien sie seltsam verlegen. Aber sie sagte, sie werde sehen, was in Washington zu haben sei, wohin sie am nächsten Tag zurückkehren wollte (mein Vater hatte dort gearbeitet, und nach seinem Tod hatte Mutter keinen Grund gesehen, die Wohnung aufzugeben).
    Ich fragte Mike wegen dieses eigenartigen Widerwillens, über Wohnungsfragen zu sprechen, und er meinte, es sei ein Überbleibsel aus den chaotischen Jahren zwischen den Hungerrevolten und dem Wiederaufbau. Es hatte nicht genug Wohnungen gegeben; oft hatten zwei Familien sich in ein Zimmer teilen müssen, selbst in Ländern, die einst zu den

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