Der ewige Krieg 01 - Der ewige Krieg
der ›alte Vorderlader‹ in Wirklichkeit nur fünf Jahre älter war als er selbst; daß der ›alte Vorderlader‹ überdies geschulte Reflexe und drei Wochen Kinästhesietraining hatte. Jedenfalls war es so einfach, daß er mir beinahe leid tat.
Sein rechter Fuß trat leicht einwärts; ich wußte, daß er noch einen Schritt tun und dann zu einem Karatesprung ansetzen würde. Ich maß die Distanz zwischen uns, und als er mit beiden Füßen den Boden verlassen hatte, versetzte ich ihm einen unsanften Tritt in die Magengrube. Als er am Boden aufschlug, war er schon bewußtlos. Kynock hatte bezweifelt, daß ich einen Mann würde töten können, selbst wenn es nötig wäre. Mehr als hundertzwanzig Menschen waren im Gemeinschaftsraum versammelt, und das einzige Geräusch war das gleichmäßige Tropfen des Blutes aus meiner geballten Faust auf den Boden, ja, ich hätte ihn töten können, aber Kynock hatte recht gehabt: Ich hatte nicht den Instinkt dafür.
Hätte ich ihn in Notwehr getötet, so wären meine Schwierigkeiten vorüber gewesen; statt dessen hatten sie sich plötzlich vervielfacht.
Einen Raufbold und psychotischen Unruhestifter kann man einsperren und vergessen, nicht aber einen gescheiterten Meuchelmörder. Und ich bedurfte keiner Abstimmung, um zu wissen, daß die Exekution dieses Mannes mein Verhältnis zur Truppe nicht verbessern würde.
Ich bemerkte, daß Dr. Alsever neben mir niedergekniet war und versuchte, meine Finger zu öffnen. »Kümmern Sie sich um Hilleboe und Moore«, murmelte ich, und zur Kompanie: »Weggetreten.«
5
»Seien Sie kein Esel, Chef«, sagte Charlie Moore. Er drückte einen feuchten Lappen gegen die bläulich verfärbte Beule über dem Ohr.
»Sie sind nicht der Meinung, daß ich ihn erschießen muß?«
»Halten Sie die Hand ruhig!« Diana Alsever versuchte die Wundränder aneinander zu drücken, um sie mit dem antiseptischen Kleber zu schließen. Vom Gelenk abwärts fühlte die Hand sich wie ein Klumpen Eis an.
»Nicht eigenhändig, nein. Sie können jemand beauftragen. Einen Erschießungspeloton.«
»Er hat recht, Major«, meinte Diana. »Bestimmen Sie ein halbes Dutzend Leute, oder lassen Sie losen.«
Leutnant Hilleboe lag in einem Feldbett an der Wand, und ich war froh, daß sie fest schlief. Ich legte keinen Wert darauf, auch noch ihre Meinung zu hören. »Und wenn die zur Exekution befohlenen Leute sich weigern?«
Charlie Moore hob die Schultern. »Dann bestrafen Sie die Betreffenden und beauftragen andere damit«, sagte er. »Haben Sie das in der Konservendose nicht gelernt? Sie dürfen Ihre Autorität nicht zerstören, indem Sie öffentlich eine Arbeit tun, die delegiert werden sollte.«
»Das ist richtig, gewiß. Aber in einem solchen Fall … niemand in der Kompanie hat jemals getötet. Es würde nicht gut aussehen, wenn sie als erstes einen Kameraden toten müßten. Jeder würde denken, ich ließe meine Schmutzarbeit von anderen tun.«
»Wenn es so verdammt kompliziert ist«, sagte Diana, »könnten Sie doch einfach vor die Kompanie hintreten und den Leuten erzählen, wie kompliziert es ist. Und dann lassen wir sie Strohhalme ziehen. Es sind schließlich keine Kinder.«
Es hatte mal eine Armee gegeben, in der so verfahren worden war, sagte mir mein militärgeschichtliches Gedächtnis. Die marxistische POUM-Miliz im spanischen Bürgerkrieg, frühes zwanzigstes Jahrhundert. Man gehorchte einem Befehl nur, wenn er genau begründet worden war; ergab die Begründung keinen Sinn, so konnte man den Gehorsam verweigern. Offiziere und Mannschaften betranken sich zusammen und gebrauchten keine Rangbezeichnungen. Sie verloren den Krieg. Aber auf der anderen Seite gab es überhaupt keinen Spaß.
»Fertig.« Diana legte mir meine schlaffe Hand in den Schoß. »Machen Sie in der nächsten halben Stunde keinen Versuch, sie zu gebrauchen. Wenn sie zu schmerzen beginnt, können Sie sie gebrauchen.«
Ich untersuchte die Wunde mit kritischer Aufmerksamkeit. »Die Linien sind unterbrochen, passen nicht aneinander. Nicht, daß ich mich beklagen würde.«
»Das sollten Sie auch nicht. Sie können froh sein, daß Sie nicht einen Armstumpf haben. Und keine Regenerationsmöglichkeit von hier bis Sterntor.«
»Der Stumpf könnte leicht oben auf Ihrem Hals sein«, sagte Charlie Moore. »Ich verstehe nicht, warum Sie Hemmungen haben. Sie hätten den verfluchten Kerl auf der Stelle töten sollen.«
»Ich weiß das, gottsverdammich!« Die beiden fuhren zusammen, erschrocken über
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