Der ewige Krieg 02 - Am Ende des Krieges
Sie nickte nur.
Dann kam die Nummer Zwölf an die Reihe und mein Zettel lag immer noch in der Schale. Ich hatte nicht den Mut, Marygay anzusehen. Viele andere taten es für mich. Sie räusperte sich, aber Peck Maran ergriff vor ihr das Wort. »Marygay«, sagte er, »du gehst nicht ohne William und ich gehe nicht ohne Norm. Es sieht so aus, als wären wir in der gleichen Lage.«
»Und was schlägst du vor?«, fragte sie. »Münzen haben wir keine.«
»Nein«, entgegnete er, einen Moment lang verwirrt, weil er das Wort nicht kannte. Er stammte aus der dritten Generation und kannte Geld nur in elektronischer Form. »Leeren wir die Schale aus und legen wir nur unsere Zettel – nein, natürlich Williams und Norms Zettel hinein. Dann soll Mori noch einmal ziehen.« Mori lächelte und klatschte begeistert.
Auf diese Weise gewann ich – gewannen wir – doch noch. Der Neid, der sich im Raum ausbreitete, lastete wie ein schwerer Druck auf uns. Eine Menge Leute, die sich im Frühjahr nicht gemeldet hatten, wären jetzt, da die Langeweile des Mittwinters drohte, nur zu gern mitgekommen.
Die praktischen Vorbereitungen waren seit Monaten abgeschlossen. Wir nahmen Boot Nummer Drei, das wir Mercury getauft hatten. Sämtliche Werkzeuge und Materialien zum Terraformen und zur Rekolonisierung waren entfernt worden; wenn wir auf der Erde niemanden antrafen, würden wir einfach nach Mittelfinger zurückkehren und die Entscheidung über eine Wiederbesiedlung späteren Generationen überlassen.
Auf andere Eventualitäten waren wir jedoch vorbereitet. Jedes Schiff hatte einen Kampfanzug an Bord, und wir nahmen alle vier mit. Wir packten auch eine Stasisfeld-Kuppel ein, entschieden uns aber gegen die Novabombe und ähnliche dramatische Waffen. Falls es zu einem derart ernsthaften Konflikt kommen sollte, hatten wir ohnehin keine Chancen.
Es waren keine tollen Anzüge, da es sich um Universalmodelle handelte, die für alle möglichen Größen und Gelegenheiten passen mussten, und wir überlegten eine Weile, ob wir sie aus Prinzip zurücklassen sollten. Ich setzte mich mit meiner Ansicht durch, dass wir an Ort und Stelle immer noch entscheiden konnten, ob wir sie aus Prinzip nicht benutzten. Inzwischen aber galt das Wort des Dichters: Geh wohl bewacht durch finst’re Nacht… – oder so ähnlich.
buch fünf
DAS BUCH
DER APOKRYPHEN
achtundzwanzig
Es gab, glaube ich, einen Indianerstamm oder einige Indianerstämme, die kein Abschiedsritual hatten. Wer die anderen verließ, kehrte ihnen einfach den Rücken zu und ging. Vernünftige Leute. Wir brauchten einen ganzen Tag, um die Runde zu machen und allen Lebewohl zu sagen, weil wir niemanden kränken wollten.
Die Hälfte der Kolonie-Bewohner sah ich ohnehin in meiner Eigenschaft als Bürgermeister, da fast jeder dies oder das zu verwalten schien und mir unbedingt noch berichten musste, was während meiner Abwesenheit alles geplant war. Sage, die mich im Amt vertrat, saß bei den endlosen Palavern an meiner Seite.
Sie sollte auch dafür sorgen, dass alle den Strahlungsbereich mieden und unterirdische Schutzräume aufsuchten, wenn Marygay am nächsten Tag auf den Startknopf drückte. Um Punkt zwölf Uhr mittags teilte sie uns per Funk mit, dass alle bis auf sie selbst in Sicherheit waren. Wir gaben ihr eine Minute Zeit; die letzten zwanzig Sekunden zählte das Schiff herunter.
Zunächst pressten uns vier, dann zwei Ge in die Sitze. Einen halben Orbit verbrachten wir im freien Fall, ehe das Schiff mit einem gleichmäßigen Ge auf den Kollapsar von Mizar zuhielt.
Anderthalb Tage konstante Beschleunigung. Wir begnügten uns mit schlichten Mahlzeiten und Smalltalk, während Mizar immer näher kam – fast zu nahe für einen jungen blauen Stern.
Der Kollapsar war ein schwarzes Pünktchen gegen den gefilterten Glanz des Riesensterns und dann ein Klecks und dann eine rasch anschwellende Kugel und dann spürten wir dieses sonderbare Zerren und Dehnen und plötzlich befanden wir uns in der Tiefe des Alls.
Nun noch fünf Monate bis zur Erde. Wir stiegen in unsere Särge – Sara in ihrer komischen Scham mit überstürzter Hast –, schlossen die Ortho-Schläuche an und warteten auf den Schlaf. Ich konnte das Schiff raunen hören, weil dieser oder jener Schlauch nicht exakt angeschlossen war. Dann wurde das Universum zu einem winzigen Ball zusammengepresst und verschwand, und ich war wieder einmal in der kühlen Traumwelt des Tiefschlafs.
Ich hatte mit Diana über das emotionale oder
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