Der ewige Krieg 02 - Am Ende des Krieges
existenzielle Unbehagen gesprochen, das ich bei unserem letzten Flug durchgemacht hatte, und erfahren, dass es dafür ihres Wissens nach keine medizinische Lösung gab. Wie sollte es auch, bei einem Stoffwechsel, der langsamer ablief als bei einem Mammutbaum? Sie riet mir nur, an angenehme Dinge zu denken, bevor ich in den Schlaf eintauchte.
Irgendwie half das. Die meisten von uns konnten den Decken-Monitor sehen, und ich hatte ein Programm mit besänftigenden Bildern ausgewählt, die unsere Abkühlphase begleiteten. Expressionistische Gemälde, ruhige Naturaufnahmen. Ich fragte mich, ob es auf der Erde noch so etwas wie freie Natur gab. Weder Mensch noch Taurier waren in dieser Hinsicht gefühlsduselig; für sie lag Schönheit in der Abstraktion.
Nun, wir hatten auf diesem Sektor auch nicht allzu viel vorzuweisen. Unsere Geschichte war im Großen und Ganzen vom Kampf zwischen Industrie und Natur bestimmt gewesen, mit großen Landgewinnen für die Industrie.
Also verbrachte ich die fünf Traummonate, die mir mitunter wie fünf Minuten vorkamen, in einer Folge pastoraler Szenen, die meisten davon Extrapolationen von Orten, die ich nur von Schilderungen oder Bildern kannte; selbst die Kommune, in der ich aufgewachsen war, befand sich am Rande der Großstadt. Ich hatte in Parks mit ordentlich getrimmtem Rasen gespielt und mir vorgestellt, ich sei im Dschungel. Diese Vorstellungen kehrten nun zurück.
Es war komisch. Meine Träume führten mich nie nach Mittelfinger zurück, wo Mutter Natur und ich stets eng im Clinch gestanden hatten. Wohl zu aufwühlend, schätze ich.
Das Erwachen aus dem Tiefschlaf war schwieriger und unbequemer als beim letzten Mal. Das lag sicher daran, dass Diana mir keinen Beistand leistete. Ich war verwirrt und wie betäubt. Die Finger wollten mir nicht gehorchen und drehten die Schraubverschlüsse der Ortho-Schläuche immer wieder in die falsche Richtung. Als ich das Zeug endlich los hatte, war mein Unterleib blutverschmiert, obwohl ich keine Verletzungen erkennen konnte.
Ich ging zu Marygay, um ihr zu helfen, und sah, dass sie bereits dabei war, die Strippen zu sortieren und zu lösen. Sie schaffte es ohne Blutvergießen. Wir zogen uns beide an. Marygay wollte zuerst nach Sara schauen, während ich mich um die anderen kümmerte.
Zuerst begab ich mich zu Rii Highcloud, unserer Sanitäterin. Sie war zwar im richtigen Leben Bibliothekarin, aber Diana hatte ihr ein Intensivtraining verpasst und sie mit der medizinischen Standardausrüstung an Bord vertraut gemacht.
Antres 906 war wach und nickte mir zu, als ich über den Rand seiner Tiefschlaf-Kiste spähte. Sein Glück. Wenn dem Ärmsten etwas gefehlt hätte, wären wir auf ein Erste-Hilfe-Handbuch mit einem winzigen Anhang über Taurier angewiesen gewesen.
Jacob Pierson war steif gefroren und gab keinerlei Lebenszeichen. Er lag vermutlich schon seit fünf Monaten tot da. Irgendwie empfand ich Schuldgefühle, weil ich ihn nie gemocht hatte und nicht gerade begeistert über seine Teilnahme an der Expedition gewesen war.
Alle anderen bewegten sich zumindest. Ob sie Schäden davongetragen hatten, würden wir erst wissen, wenn sie richtig wach waren und sprechen konnten. Die Tiefschlaf-Defekte nahmen mitunter seltsame Formen an. So hatte Charlie einen Teil seines Geruchssinns verloren, als er auf Mittelfinger zu sich kam: Er konnte keine Blumendüfte mehr erkennen, während er alle anderen Gerüche einwandfrei zuordnete. (»Das muss mir im Tiefschlaf abhanden gekommen sein«, war ein gängiger Scherz zwischen Marygay und mir, wenn uns bestimmte Namen oder Nummern nicht mehr einfielen.)
Sara ging es gut; sie blutete zwar auch ein wenig, wollte sich beim Säubern jedoch auf keinen Fall von ihrer Mutter helfen lassen.
Wir schalteten den Bildschirm ein. Auf der Erde schien alles in Ordnung zu sein – oder zumindest so, wie wir es erwartet hatten. Etwa ein Drittel des Gebiets, das wir zwischen Wolken sehen konnten, war wohl eine ausgedehnte Großstadt – ein eintöniges Grau, das sich über Nordafrika und Südeuropa erstreckte.
Ich trank etwas Wasser, und es blieb unten, obwohl ich das Gefühl hatte, dass es als eiskalter Klumpen in meinem Magen umherkugelte. Während ich mich darauf konzentrierte, merkte ich plötzlich, dass Marygay stumm weinte und die umherschwebenden Tränen mit fahrigen Handbewegungen einzufangen versuchte.
Ich dachte, es sei wegen Pierson, und überlegte mir gerade ein paar tröstende Worte, als sie mit gepresster
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