Der ewige Krieg 03 - Der ewige Friede
wie ihr Bild schrumpfte, und schüttelte den Kopf. Das sagte sie nun seit über einem Jahr. Irgendetwas kam immer dazwischen. Zugegeben, sie hatte wenig Zeit, weil sie immer noch ganztags an einem College in Pittsburgh unterrichtete. Aber das war es ganz offensichtlich nicht. Sie hatte Angst, ihren Sohn an eine andere Frau zu verlieren – und ihn an eine Frau zu verlieren, die dem Alter nach ihre Schwester hätte sein können, erschien ihr grotesk.
Er hatte Amelia schon vorgeschlagen, Mutter in Pittsburgh zu besuchen, aber sie war dagegen gewesen, weil sie nichts erzwingen wollte. Auch das schien ihm ein Vorwand zu sein.
Die beiden Frauen hatten unterschiedliche Ansichten, was seinen Einsatz als Operator betraf. Während Amelia vor Angst jedes Mal fast ausflippte, wenn er in Portobello war – vor allem seit dem Massaker – sah seine Mutter darin eine Art primitiven Teilzeitjob, der eben erledigt werden musste, auch wenn er hin und wieder mit seiner geistigen Tätigkeit kollidierte. Sie wollte nie wissen, was er da unten wirklich machte. Amelia verfolgte die Aktionen seiner Einheit mit der gespannten Aufmerksamkeit eines Warboys. (Das gab sie zwar nie zu, vermutlich, um ihn nicht zu beunruhigen, aber sie verriet sich oft, weil sie Fragen über Dinge stellte, die in den normalen Nachrichten mit keinem Wort Erwähnung fanden.)
Jetzt erst dämmerte Julian, dass Hayes und vermutlich auch die anderen Fakultätsmitglieder die Wahrheit wussten oder ahnten, weil Amelia sich durch ihr Verhalten während seiner Abwesenheit verraten hatte. Es hatte ihnen große Mühe (aber auch viel Spaß) bereitet, bei der Arbeit den Schein von ›nur guten Bekannten‹ zu wahren, aber offenbar war ihren Zuschauern das Drehbuch von Anfang an bekannt gewesen.
Alles Vergangenheit. Er brannte darauf, den Club aufzusuchen, um zu sehen, wie die Freunde die Neuigkeiten aufgenommen hatten. Aber noch musste er ein paar Stunden warten, wenn er Marty genügend Vorsprung geben wollte, um sie einzuweihen. Er spürte weder Lust zum Arbeiten noch zum Beantworten seiner Post, und so lümmelte er sich auf die Couch und überließ dem TV-Würfel die Programmsuche.
Der Würfel war mit einer lernfähigen Routine ausgestattet. Sie analysierte die Sendungen, die er anschaute, und erstellte anhand des Inhalts ein Präferenz-Profil, mit dem sie eine Vorauswahl unter den achtzehnhundert verfügbaren Kanälen traf. Ein Problem dabei war, dass man mit der Software nicht diskutieren konnte; der einzige Input, den sie akzeptierte, waren die Programme, die er bevorzugte. Im ersten Jahr nach seiner Einberufung hatte Julian wie ein Besessener Filme aus der guten alten Zeit betrachtet – eine Art Flucht in eine Welt, in der alle Menschen und Ereignisse entweder gut oder schlecht waren – und so präsentierte ihm der Würfel jetzt immer noch jede Menge Streifen mit Jimmy Stewart und John Wayne. Die Erfahrung hatte Julian gezeigt, dass es wenig brachte, die Glotze anzuschreien.
Humphrey Bogart bei Rick’s. Reset. Jimmy Stewart unterwegs nach Washington. Reset. Eine Entdeckungsreise zum Südpol des Mondes, betrachtet durch die Augen von Roboter-Landern. Obwohl er den Film schon vor einigen Jahren gesehen hatte, waren die Aufnahmen interessant genug, um sie ein zweites Mal anzuschauen. Außerdem konnte er das Gerät auf diese Weise allmählich umprogrammieren.
alle schauten auf, als ich das Lokal betrat, aber das hätten sie wohl in jedem Fall getan. Vielleicht blieben ihre Blicke etwas länger als sonst an mir hängen.
Marty, Reza und Franklin hatten mir einen Stuhl freigehalten.
»Und – hast du sie sicher untergebracht?« wollte Marty wissen.
Ich nickte. »Vermutlich wird sie die Flucht ergreifen, sobald sie das erste Mal aufstehen darf. Die drei Frauen, mit denen sie das Zimmer teilt, könnten aus Hamlet stammen.«
»Macbeth«, verbesserte mich Reza. »Falls du die drei Hexen meinst. Oder geht es um zarte, vom Wahnsinn befallene Schönheiten, die drauf und dran sind, Selbstmord zu verüben?«
»Hexen. Sie scheint die Sache gut überstanden zu haben. Die Fahrt von Guadalajara war lang, aber problemlos.« Ein Kellner mit kunstvoll fleckigem T-Shirt und Weltekel im Blick kam betont langsam an den Tisch. »Kaffee«, sagte ich und sah erst dann Rezas gespieltes Entsetzen. »Und einen Krug Rioja.« Es ging wieder auf das Monatsende zu. Der Typ holte Luft, um nach meiner Rationskarte zu fragen, doch dann erkannte er mich und latschte davon.
»Ich hoffe, du
Weitere Kostenlose Bücher