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Der Ewige Widersacher

Der Ewige Widersacher

Titel: Der Ewige Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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sie nicht, als sei ihr Leben hier die reinste Wonne?«
    Er hob die Schultern.
    »Nur hohle Gesten«, meinte er. »Was aber ist der Sinn ihres Lebens? Ich kann nichts spüren, was Freude verhieße in dieser Stadt. So wie sie keinen Namen hat, scheint sie auch nichts zu haben, wofür es sich zu leben lohnt.«
    Ich führte ihn tiefer hinein in die Stadt, vorbei an palastartigen Bauten, über weite Plätze. Zu Hunderten kreuzten Bewohner der Stadt unseren Weg, und jeder einzelne schenkte uns sein Lächeln. Wie konnte ein Mensch, der als Sohn eines einfachen Zimmermanns aufgewachsen war, sich nicht erwärmen für dieses Ambiente?
    Wir stiegen auf einen der höchsten Türme der Stadt. Oben angelangt, lag uns buchstäblich alles zu Füßen - eine ganze Welt ...
    »Gib du dieser Stadt etwas, für das es sich zu leben lohnt«, griff ich den Faden von vorhin wieder auf.
    Der Nazarener sah mich überrascht an. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Wie könnte ich das?« fragte er. »Ich bin nur ein Mensch.«
    »Das bist du nicht, und du weißt es so gut wie ich.«
    »Dann weißt du mehr als ich.«
    Es klang so . ehrlich, was er sagte, so tief empfunden. Und ich wußte in diesem Augenblick mehr denn zuvor, weshalb die Menschen ihm alle Aufmerksamkeit schenkten, warum sie jedes Wort von ihm förmlich tranken und verinnerlichten. Der Nazarener war schiere Überzeugung und fleischgewordene Wahrhaftigkeit.
    Und so glaubte ich ihm, daß er wirklich nicht wußte, wer er war und wozu er berufen war.
    Was in mir jedoch keineswegs die Bereitschaft weckte, ihm zu verzeihen! Solches war mir fremd - nur Zorn wallte in mir ob seiner Unwissenheit. Und ich wollte ihm die Augen öffnen, auf daß er seine Wahrheit sah - bevor ich ihm die meine zeigte . »So will ich mein Wissen mit dir teilen«, sagte ich kalt. Mein Blick schweifte über die Stadt, und wo er sie traf, veränderte sie ihr Gesicht. Aus strahlendem Glanz wurde dunkler Verfall, die engelhaften Chöre brüllten mit einemmal vor Wut und Pein, und aus den Straßen stieg übler Brodem zu uns herauf.
    Der Boden unter unseren Füßen begann zu wanken, der Stein zu knirschen, und der Turm selbst ächzte wie vor Schwäche - - ehe er zusammenbrach und seine Trümmer uns nach unten rissen!
    *
    Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; 
    Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben, 
    und sie werden dich auf den Händen tragen, 
    damit du deinen Fuß nicht an einem Stein stößt.
    Matthäus, Kap 4, Vers 6
    Mir selbst konnten die niederstürzenden Trümmer nichts anhaben. Kaum kamen sie mir nahe, verwandelten sie sich in flüssige Glut, so heiß, daß sie verdampften und nur ätzenden Geruch hinterließ.
    Im eigenen Sturz beobachtete ich den Nazarener. Und staunte, denn die Angst in seinen Zügen war ohne Zweifel echt! So wie er gebärdete sich niemand, der wußte, daß ihm kein Leid geschehen konnte - nicht jemand, der die Macht besaß, sich vor dem Unbill aller Welten zu schützen!
    Sollte ich mich derart in ihm getäuscht haben? Bedeutete sein Name Menschensohn wirklich nicht mehr, als daß er nur und nichts als der Sohn eines Menschen war? Stand er am Ende nicht im Dienste des Verhaßten, sondern predigte er lediglich dessen Wort so eindringlich, wie es keiner vor ihm getan hatte?
    Jedenfalls tat dieser Nazarener nichts, was ihm zur Rettung gereicht hätte. Steine schlugen im Fall gegen seinen haltlos wirbelnden Leib, Blut floß, und sein Schrei hing ihm an wie ein Geist, der mit ihm in die Tiefe stürzte.
    Es wäre mir ein Leichtes gewesen, ihn ins Bodenlose stürzen zu lassen. Endlos hätte sein Fall sein können, ewig. Aber ich erlegte ihm eine weitere Prüfung auf, versuchte sein wahres Wesen von neuem hervorzulocken - einen Beweis wollte ich, der mir zeigte, daß er der war, für den ich ihn hielt.
    Und so ließ ich ihn endlich in tiefem Staub aufschlagen.
    Fast versank er darin, trotzdem konnte ich hören, wie der Aufprall ihn schmerzte. Staub stieg in Wolken auf und verwehrte mir die Sicht auf den Nazarener - und ihm auf das, was ich herbeirief und um ihn her entfesselte .
    Als der Staub sich schließlich senkte, lag der Menschensohn noch immer am Boden, schweratmend und hustend. Als er dann den Kopf endlich hob, sah er sich inmitten eines weiten, sandgefüllten Rundes, das von hohen Mauern wie aus erstarrter Lava umgrenzt war. Darüber reihten sich steinerne Bänke aneinander, stufenartig ansteigend, so weit das Auge reichte, und jeder Platz war besetzt von Verdammten, die in dieser

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