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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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Seufzen waren eine einzige Bekundung der Wehmut. »Ich meine … Wir hatten eigentlich kein enges Verhältnis zueinander, aber er ist völlig kaputt und fertig aus Afghanistan zurückgekommen … konnte keine Arbeit finden …« Ihr Gesicht entspannte sich, während sie sich zurückerinnerte. »In der Schule haben sie ihn Dussel-Dewey genannt – aber mit Autos konnte er schon immer umgehen. Er hat mich ständig angerufen und mich gebeten, ihn reinzuholen. Nur eine Chance wollte er, als Fahrer. Er ließ nicht locker. Es hat mich wahnsinnig gemacht, also sagte ich am Ende ja – und es lief wunderbar. Er bekam schnell ohne meine Hilfe Gigs. Er wollte nur genug Geld, um sich zu Hause eine Kneipe kaufen zu können. Er wollte sie renovieren und den ganzen Abend hinter der Theke stehen. Nach dieser Sache hätte er nicht mehr lange gebraucht, um auszusteigen …« Sie nahm ihr Glas und trank.
    Victor musterte sie mit Pokergesicht. »Soll ich mich auf die Suche nach ihm machen?«, fragte er. »Ich kann dahin fahren, von wo er zuletzt anrief? Mich umsehen?«
    Zanni trank das Glas leer. »Ja. Ich bleibe hier. Falls Geiger zurückkehrt.«
    Victor stand auf. »Aber Sie rechnen nicht damit, oder?«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich nicht.«
    Victor ging zur Tür. Zanni drehte sich um, hob eine Hand und schnippte mit den Fingern. Eine Kellnerin blickte zu ihr hinüber.
    »Un espresso, double!« Zanni wandte sich wieder dem Fenster zu. Sie benutzte eine ihrer wertvollsten Eigenschaften – sie vergrub sich in den Fall und zog die Klammern um ihre Emotionen an.
    Die Bindung zwischen ihr und ihrem Bruder war stets primär durch die Genetik und die räumliche Nähe gekennzeichnet gewesen, weniger durch ein ähnliches Temperament oder gemeinsame Interessen. Und nachdem sie aufs College gegangen war, hatte sich auch diese Bindung stark verflüchtigt. Sie hatten sich eher eine SMS geschickt, als miteinander zu telefonieren. Alle paar Monate hatten sie sich eine E-Mail geschrieben, ein paar Mal im Jahr miteinander geskypt. Und als er aus Afghanistan zurückgekehrt war und seine Anrufe begannen, hatte sie ebenso sehr Verärgerung wie Mitgefühl empfunden. Und nun fühlte sie sich gleichermaßen besorgt wie schuldig. Victors kopfschüttelndes »Zanni, Zanni« hatte alles gesagt.
    Sie begann, die Wahrscheinlichkeiten der Dinge gegeneinander abzuwägen. War Dewey überfallen worden? Zehn Prozent, höchstens. War der Akku seines Handys leer? Zwanzig bis dreißig Prozent. So etwas geschah bei Beschattungen. Selbst wenn man einen Autobatterieadapter hatte, vergaß man manchmal, das Ding zu laden.
    Die Kellnerin brachte den Espresso, stellte ihn ab und ging wortlos wieder.
    Zanni wechselte zu den Szenarien mit Geiger, die sich auf die fast sicher erscheinende Annahme gründeten, dass er verschwunden war. Sie hatte immer gewusst, dass er vielleicht verschwinden würde – dass er versuchte, es allein zu schaffen. In Brooklyn hatte sie ihm das sogar ins Gesicht gesagt. Hatte er Dewey so lange ausgeschaltet, wie er brauchte, um sich abzusetzen? Sie hatte keine Mühe, es sich auszumalen – dreißig Prozent, vielleicht vierzig. Aber es kam ihr zu aufwendig vor. Geiger war so gut, dass er ohne Konfrontation entkommen konnte.
    Sie hob die Tasse, setzte sie an die Lippen – und erstarrte. Auf der anderen Straßenseite hielt ein Taxi vor Geigers Hotel, und sie spürte einen Katz-und-Maus-Kitzel in ihren Fingerspitzen. Die hintere Seitentür des Taxis öffnete sich, und eine junge Frau in einem roten Abendkleid stieg aus und ging ins Foyer.
    Zanni trank langsam einen Schluck Espresso und stellte die Tasse ab. Ihr Puls hatte sie verraten. Geistig rechnete sie vielleicht damit, dass er endgültig entkommen war, doch ihr Herz hoffte offenbar auf etwas anderes. Ihr gefiel es nicht, von ihrem Körper auf diesen Widerspruch hingewiesen zu werden.
    Es gab noch weitere Szenarien.
    Geiger wusste, dass Dalton ihn beobachten ließ – also hatte er Dewey vielleicht ausgemacht und ihn aufgrund der schieren Möglichkeit, dass er für Dalton arbeitete, in die Falle gelockt, überwältigt und irgendwohin verschleppt, um ein wenig Informationsabruf an ihm zu betreiben. Je mehr sie darüber nachdachte, desto ähnlicher sah Geiger solch eine Vorgehensweise – und desto wütender wurde sie. Sie hatte das nicht bedacht. Was noch hatte sie übersehen?
    Sie bemerkte, dass sich ihr jemand näherte und in der Nähe stehen blieb. Sie schaute nach rechts – und ein

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